Im Rheinland und anderen Regionen wird bereits Spargel gestochen, werden auch bereits die ersten Flächen für Zuckerrüben bestellt. Im März setzt der Bauer, ganz wie im Volkslied, seine Felder und Wiesen instand. Er bearbeitet den Boden so, dass wieder neue Pflanzen wachsen können. Es wird gepflügt, geeggt und gedüngt. Die Traktoren sind jetzt im Dauereinsatz – auf den Äckern und Feldern, nicht länger auf Demonstrationsfahrten gegen die neue Düngeverordnung wie vor Wochen noch. Angetrieben werden die Schlepper fast ausschließlich von Dieselmotoren: Die Antriebs- oder Energiewende ist in der Landwirtschaft noch nicht angekommen. Elektrogetriebene Landmaschinen werden von den Herstellern zwar seit Jahren auf Messen gezeigt – auf den bäuerlichen Höfen sind sie aber noch nicht angekommen.
Warum eigentlich nicht? EDISON sprach mit einem Fachmann: Professor Peter Pickel. Der Ingenieur der Elektrotechnik lehrte an der Technischen Universität Kaiserslautern und leitet das Forschungs- und Entwicklungszentrum von John Deere. Der Konzern mit Stammsitz im US-Staat Illinois und einer über 180-jährigen Firmengeschichte zählt zu den führenden Herstellern von Landmaschinen weltweit, mit einem Umsatz von knapp 40 Milliarden und nach Schätzungen von Experten einem Marktanteil von über 30 Prozent auf dem weltweiten Traktorenmarkt.
Herr Professor Pickel, im März spannt der Bauer bekanntlich sein Rösslein ein, um Felder und Wiesen instand zu bringen. Die „Rösslein“ aus dem Kinderlied sind inzwischen durch schwere Traktoren ersetzt, die von Dieselmotoren angetrieben sind. Wann werden die Bauern die ersten Elektro-Traktoren einspannen?
Das dauert noch eine ganze Weile. Wir beschäftigen und seit über 20 Jahren mit der Elektrifizierung von Landmaschinen. Wir haben schon 2015 den Prototypen eines ersten batterieelektrischen Traktors auf einer Messe in Paris gezeigt.
Der so genannte SESAM-Traktor – die fünf Buchstaben standen für Sustainable Energy Supply for Agricultural Machinery – besaß zwei Elektromotoren mit jeweils 150 Kilowatt Leistung und konnte mit einer Batterieladung immerhin vier Stunden arbeiten. In eine Serienproduktion hat er aber noch nicht geschafft. Warum nicht?
Peter Pickel lehrt Landmaschinenbau am Institut für Maschinenbau und Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität Kaiserslautern. Der Ingenieur ist zudem Leiter des europäischen Technologie- und Innovationszentrums ETIC, in dem der US-amerikanische Traktorenhersteller John Deere unter anderem an intelligenten und umweltverträglichen Lösungen für die Landwirtschaft arbeitet. Die Elektromobilität bildet dabei einen Schwerpunkt.
Weil wir in den Batterien nicht genügend Energie gespeichert bekommen. Der Betrieb über die von Ihnen genannten vier Stunden ist aber nur in Teillast möglich. Der Landwirt möchte einen größeren Traktor einen ganzen Tag lang unter Volllast nutzen können, ohne nachzutanken oder nachzuladen. Machbar ist das heute allenfalls bei kleineren Traktoren.
Wie viel Energie müsste denn die Batterie eines größeren Traktors speichern können, um den Anforderungen eines Landwirts zu genügen?
Das ist leicht auszurechnen. Bei einer Nennleistung des Traktors von 250 PS, einer Einsatzzeit von zehn Stunden und einer Auslastung von 50 Prozent müsste die Batterie schon über eine Kapazität von einer Megawattstunde verfügen. Und das wären dann noch nicht einmal die größten Traktoren. So etwas ist heute und in nächster Zeit nicht darstellbar. Und selbst wenn es technisch machbar wäre – die hohen Kosten für solche Super-Batterien könnte kein Landwirt stemmen.
Dann könnten Sie die Forschungsarbeiten an der Elektromobilität in der Landwirtschaft ja eigentlich einstellen.
Keineswegs. Elektrische Maschinen bieten gerade in der Landwirtschaft gegenüber einem Dieselmotor erhebliche Vorteile. Sie sind wesentlich kompakter und bieten eine höhere Leistungsdichte. Diese Vorteile würden wir gerne nutzen, um mehr Leistung bei geringerem Gewicht bieten zu können. Das wäre ein Traum.
Was tun Sie, damit der Traum Wirklichkeit wird?
Wir haben uns umgeschaut. Maschinen, die im Bergbau eingesetzt werden, werden ja größtenteils schon elektrisch betrieben. Und elektrische Landmaschinen sind auch nicht neu. Schon im 19. Jahrhundert gab es einen elektrischen Pflug. Inspirieren lassen haben wir uns auch noch durch eine Gülle-Ausbringtechnik, bei dem am Feldrand ein Fass steht, das kontinuierlich mit Gülle beschickt wird. Über einen Schlauch wird diese dann zu einem Traktor gepumpt, der die Gülle in den Boden einarbeitet. Ununterbrochen, ohne dass man zwischendurch zurück zum Hof fahren muss.
Und daraus ist dann die Idee entstanden, einen Elektro-Traktor zu entwickeln, der über ein Kabel mit dem Stromnetz verbunden ist – ähnlich wie ein elektrischer Rasenmäher?
Genau. Eine elektrische Maschine am Kabel ist nicht unsere Erfindung.
Die Idee für den so genannten GridCon-Traktor hat John Deere schon 2017 vorgestellt.
Richtig, Wir hatten das Konzept für einen Innovationspreis angemeldet, den wir nicht erhalten haben. Wir haben uns dennoch entschlossen, die Maschine zu bauen – zum Beweis, dass es funktioniert. Auf der Agritechnica 2019 in Hannover haben wir in der Future Technology Zone eine Weiterentwicklung vorgestellt. Ohne Kabeltrommel und obendrein vollautonom fahrend.
Das heißt, den Traktor wird man bald schon kaufen können?
Nein. Es ist immer noch eine Vision.
Woran hapert es denn noch?
Es ist ein funktionaler Prototyp, der in keiner Weise serienreif ist. Das gilt ebenso für die elektrischen Komponenten, noch für die Leistungselektronik oder für die Infrastruktur, die dafür erforderlich wäre.
Den Stromanschluss am Feldrand? Eine Steckdose müsste sich doch leicht darstellen lassen.
Der Traktor hat 300 Kilowatt Leistung und ein Gewicht von über acht Tonnen. So etwas betreibt man nicht über eine Haushaltssteckdose. Sie benötigen eine Station mit Mittelstrom, um so viel Leistung übertragen zu können. Und so einen Traktor können Sie auch nicht so einfach wie einen Rasenmäher ein- und abschalten. Das ist keine triviale Sache. Obendrein müsste der Strom nach Anschlussleistung bezahlt werden. Da sind Sie schnell bei Summen, die einen Landwirt in die Pleite treiben würden.
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