Die vorletzte News ist bekannt: Der Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq lief überraschend gut für den Münchner Solarautoentwickler Sono Motors. „Dadurch werden wir voraussichtlich netto 135 Millionen Dollar erlösen“, hatte Mitgründer und Vorstandschef Laurin Hahn (27) vor wenigen Tagen verkündet. Ein Plus von 155 Prozent gegenüber dem Ausgabepreis, der Firmenwert verdoppelte sich auf über zwei Milliarden Euro. Die zuvor drohende Insolvenz sei damit abgewendet, freute sich Hahn. Und das frische Geld helfe, zusätzliche Investitionen für die geplante Serienproduktion zu tätigen. Sono Motors hatte zehn Millionen Stammaktien mit einem Nennwert von 6 Eurocent zum Preis von 15 Dollar je Aktie platziert. Hahn und Co-Gründer Jona Christians (28) halten weiter die Mehrheit der Stimmrechte.

Doch die realen Aussichten der immer noch jungen Firma, die 2023 mit dem Sono Sion, diesem spannenden E-Auto mit energieliefernder Solarzellenbeplankung, auf den Markt kommen will, bleiben weiter ungewiss. Okay, es geht erst einmal weiter, aber noch regiert das Prinzip Hoffnung. Das zeigte auch das gestrige Community-Event mit ausführlicher Frage-Antwort-Stunde. Am Ende nämlich blieben viele Fragen offen. Und dabei ging es hauptsächlich um die noch immer nicht fixe Produktion.

Mittlerweile 28.500 Euro teuer
Mit seiner 54-kWh-Batterie soll der kompakte Stromer bis zu 305 Kilometer weit kommen – und bei Sonnenschein dank 248 Solarzellen noch 35 Kilometer mehr. 2023 soll das Elektroauto auf den Markt kommen. Foto: Sono Motors

Noch mal kurz zur Info: Das kompakte, 4,30 Meter lange und überdurchschnittlich geräumige E-Modell der Truppe, mittlerweile 28.500 Euro teuer, soll über seine Außenhaut, die 248 Solarzellen (fast unsichtbar in gewichtssparendem Polymer-Kunststoff gebettet) trägt, bei voller Sonne täglich Strom für 35 Kilometer zusätzlicher Reichweite einsammeln, idealerweise bis zu 245 Kilometer pro Woche. Eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h und bis zu 305 Kilometer Gesamtreichweite versprechen sie bei Sono Motors zudem mit Bezug auf die 54 kWh fassende Lithium-Ionen-Batterie.

Sono Motors plant weitere Varianten

Hinter den Kulissen, so hörte EDISON schon vor etlichen Wochen, werde sogar bereits an weiteren E-Modellen gearbeitet. „Was Kleineres für die Stadt, was Größeres für den Lieferverkehr“, hatte uns Jona Christians verraten. Beide Modelle könnten die Plattform des 4,30 Meter langen Sono Sion nutzen. Konkret geht es wohl einen 3,50-Meter-Mini und einen City-Transporter mit super Ladevolumen, dessen Batterie dann platzsparend flach im Unterboden läge.

Sono Motors hat erste Bilder vom Innenraum seines "Sonnenwagen" veröffentlicht. Ein Highlight ist ein kleiner, breSono genannter Luftfilter, der mit Island Moos arbeitet und einfach cool aussieht. Elektroauto

Und dank seines schlauen bidirektionalen Ladegeräts soll der Sion auch andere Elektrofahrzeuge und alle möglichen Verbraucher im Haushalt oder beim Camping mit Strom versorgen können, sogar Starkstromgeräte mit bis zu 11 kW. Ganz easy soll das funktionieren, zum Beispiel über einen handelsüblichen Schukostecker. In der Summe sei die Produktion von 257.000 Sion-Exemplaren (in sieben Jahren) über die gesamte Lebenszeit des Modells geplant, wurde vom Management gestern noch einmal bestätigt. Auch soll es über 16.000 feste, angezahlte Reservierungen für diesen speziellen Stromer geben.

Design-Freeze noch im Dezember

Doch noch drücken die Startprobleme der Gegenwart, wird an diesem Abend mit der großen Community („Ihr seid für unser Unternehmen ganz wichtig!“) deutlich. Aktuell, so Hahn, stehe ja nun das sogenannte Designfreeze an, also die detaillierten Festlegungen für Optik und Technik. „Das wollen wir im Dezember erledigen“. Und da ginge es ja letztendlich um den Bau der „vorseriennahen“ Prototypen der dritten Generation (SVC3), deren Teile bereits zu 100 Prozent geometriegenau sein sollen. Und mit denen neben Langlauf- und Funktionsprüfungen dann auch die ersten Crashtests absolviert werden würden. Kleine Änderungen könne es aber immer noch geben, schränkt er ein.

Auf Stippvisite in Schweden
Probefahrt des Sion-Prototypen über die Fertigungsstraße im ehemaligen Saab-Werk Trollhättan. Foto: Sono Motors

Wann denn da was Endgültiges zu sehen wäre, will die Community sofort wissen. Im Dezember? Und da muss Hahn auf „das erste Halbjahr 2022“ vertrösten. Könnte demnach noch Monate dauern. „Puh, das zieht sich ja“, kommentiert Andreas aus der zugeschalteten Gemeinschaft. Und auch bei detaillierten Fragen nach der geplanten Anhängerkupplung muss Sono Motors erst einmal passen. „Wir warten bis zum Designfreeze mit der Entscheidung.“ Hahn bringt zudem ins Spiel, dass Sono Motors erst einmal auch mit kostengünstigen Soft Tools arbeiten werde, also mit Werkzeugen, die im Gegensatz zu den künftigen Maschinen der Großserienproduktion eine deutlich kürzere Lebensdauer haben.

Noch kein finaler Produktionsvertrag mit NEVS

Dann wird es interessant. Ob es bei der geplanten Produktion im schwedischen Ex-Saab-Werk von Trollhättan bleibe, wollen die zugeschalteten Sono Sion-Fans natürlich dringend wissen, die teilweise schon größere Summen in das Unternehmen investiert haben. Denn längst haben die dramatischen Zahlungsschwierigkeiten des chinesischen NEVS-Mutterkonzerns Evergrande die Runde gemacht. „NEVS bleibt unser Produktionspartner“, versucht Thomas Hausch, Chief Operating Officer (COO) bei Sono Motors, die Gemüter zu beruhigen. Es gäbe ja auch entsprechende Produktionsvereinbarungen. Auf Nachfrage muss Hausch jedoch einräumen, dass es noch keinen „finalen Produktionsvertrag“ gibt. Erst im Dezember soll es dazu die »Endverhandlungen« geben. Und will dann unbedingt Optimismus verbreiten: „Wir sind zuversichtlich, dass es mit NEVS funktionieren wird.“

Stromern mit der Kraft der Sonne
Verschiedene Lkw- und Bushersteller aus Europa haben bereits Interesse an der Solartechnik von Sono Motors bekundet. Dächer und Aufbauten könnten großflächig mit den Solarpanelen beklebt werden, um unterwegs Strom zu erzeugen – etwa zur Kühlung.

Ob es vielleicht für den Notfall einen Plan B gebe, wollen dann gleich Dutzende aus der Community wissen. Genau, diese Frage hatte EDISON hier auch gestellt. Und jetzt wird es richtig spannend, denn den gibt es offenbar tatsächlich. Hausch teilt nun nämlich mit, „dass wir auf hoher Ebene mit mehreren europäischen Auftragsfertigern gesprochen haben.“ Und da hätte es durchaus Signale für eine Bereitschaft zur Produktion gegeben. Mehr will er nicht verraten. Wir bei EDISON vermuten, dass hier garantiert auch der große Auftragsfertiger Magna Steyr kontaktiert wurde.

Großes Interesse an Solartechnik

Immerhin, so ist an diesem Abend auch zu hören, hat Sono Motors beim Personal deutlich zugelegt. Exakt 230 engagierte Mitarbeiter habe das Unternehmen jetzt, wird der Community mitgeteilt, davon wurden 121 erst in diesem Jahr eingestellt. Und auch Mathieu Baudrit, der im Unternehmen die komplette Photovoltaik verantwortet, hat gute Nachrichten. Es gäbe weitere feste Interessenten für die von Sono Motors entwickelte Solar-Integration. „Wir haben mehr als zehn Verträge und Absichtserklärungen mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen“, ist zu erfahren.

Es geht um gewinnbringende Lizensierungen. Auf dem präsentierten Chart ist zum Beispiel namentlich Lastwagenhersteller MAN zu sehen, ebenso Ari Motors (Elektrotransporter), Easy Mile (autonome Transportlösungen) und der Yachthersteller Wallaby Boats. Daneben (ohne Namen) noch Eisenbahn-, Camper- und Bushersteller. Da gäbe es auch schon Umsätze für Sono Motors, erklärt Baudrit und hat noch ein schönes Anwendungsbeispiel parat. So könne ein komplett mit der Sono-Solarhaut beplankter elektrischer City-Transporter im Sonnemonat Juni mal locker über 100 Prozent seines täglichen Strombedarfs decken, bis zu 23 kWh pro Tag gewinnen. Im Jahresschnitt wären es immerhin noch 50 Prozent.

Aber, das wurde an diesem Abend auch klar, noch hängt eben alles an der noch nicht hundertprozentig gesicherten Produktion des Sono Sion. Die nächsten Monate dürften deshalb so oder so ziemlich aufregend werden. Klar, wir halten Sie auf dem Laufenden.

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