Während andere Autohersteller wie Volkswagen mit aller Kraft in die Elektromobilität stürzen, haben sie sich in München lange auf den Lorbeeren des BMW i3 ausgeruht. Das vollelektrische „Megacity Vehicle“ kam 2013 auf den Markt, wurde in den Fachmedien für seine ultraleichte Karosserie viel gefeiert, vom breiten Publikum wegen seiner extravaganten Formgebung und den bescheidenen Fahrleistungen sowie dem hohen Kaufpreise anfangs jedoch gemieden. Als die Verkaufszahlen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben, verließ den BMW-Vorstand der unternehmerische Mut. Modellpflegemaßnahmen wurden auf die lange Bank geschoben, der Ausbau der Modellreihe gestoppt: Die Elektromobilität köchelte bei BMW lange auf Sparflamme.

Erst jetzt, da das Ende der Verbrenner-Ära sich immer deutlich erkennbar dem Ende zuneigt, geben die Bayern die Beobachterrolle beim Stromern auf und schieben nach dem in China elektrifizierten iX3 zwei weitere reinrassige Stromer in den Showroom ihrer Händler: Auf den wuchtigen Elektro-SUV iX folgt mit dem i4 jetzt der erste Vollstromer im sportlichen Limousinen-Design.

Allradler mit 400 kW Höchstleistung

Zunächst gibt es das vollelektrische Schwestermodell des viertürigen 4er Gran Coupés in zwei Varianten: Den BMW i4 eDrive40 mit Heckantrieb und 250 kW (340 PS) Leistung. Und den i4 M50, der mit Allradantrieb bis zu 400 kW (544 PS) Leistung mobilisiert und mit einem sagenhaften Drehmoment von 795 Newtonmetern aufwartet, sobald man den Boostschalter aktiviert. Als Dauerleistung bietet der i4 M50 350 kW (476 PS) auf. Weniger sollten es aber auch nicht sein, wenn ein Münchner Stromer zum ersten Mal den Buchstaben „M“ im Namen trägt und die Konkurrenz aus Ingolstadt und Zuffenhausen bereits mit mehr Elektro-Kraft wirbelt. Vermutlich wird später ein reiner Elektro M4 die Machtverhältnisse wieder geraderücken. Aber auch der Schmalz des M-Derivats reicht aus, um ziemlich flott unterwegs zu sein, wie sich auf unserer Testfahrt zeigt.

Ohne Auspuffrohre 
Nur in Details unterscheidet sich der elektrische i4 von seiner benzinfressenden Verwandtschaft, dem 4er Grand Coupé. Foto: BMW
Ganz ähnlich
Nur in Details unterscheidet sich der elektrische i4 von seiner benzinfressenden Verwandtschaft, dem 4er Grand Coupé. Foto: BMW

Bevor uns dem Straßentanz widmen, lohnt ein Blick unter die schicke Karosseriehülle der Fließheck-Limousine, die auf der modifizierten Cluster Architecture (CLAR II-Plattform) steht und damit nicht auf einer reinen Elektromobilitäts-Basis, wie zum Beispiel die J1-Architektur des Porsche Taycan – oder die des i3. Dass der Schwerpunkt des BMW i4 um 37 Millimeter tiefer liegt als beim prinzipiell baugleichen 3er BMW, liegt an der 561 Kilogramm schweren Batterie im Fahrzeugboden, die 83,9 Kilowattstunden (kWh) speichert – 81,5 kWh davon stehen für den Fahrbetrieb zur Verfügung. Die Akkus sind mit prismatischen Zellen bestückt, die für eine Reichweite von bis zu 510 Kilometern gut sein sollen. Bei unserem Probelauf zeigte der Bordcomputer beim Start allerdings nur eine Reichweite von 367 Kilometer an – da hatte offenbar vor uns jemand zu viel Spaß am Fahren.

cW-Wert von 0,24

Ein weiterer Trumpf im bayerischen Technik-Repertoire sind die hauseigenen Elektromotoren der fünften Generation. Die von BMW gewählten stromerregten Synchronmaschinen haben den Vorteil, dass ihnen auch bei höheren Fahrgeschwindigkeiten nicht die Luft ausgeht. Aus ihrer Herkunft machen die Bayern kein Geheimnis: „Wir haben die E-Maschinen aus dem IX3 weiterentwickelt“, sagt Baureihenleiter David Alfredo Ferrufino Camacho.

BMW iX Erste Ausfahrt mit dem allradgetriebenen Elektro-SUV iX, mit dem BMW ab Juni dem Model Y von Tesla Konkurrenz machen will. Kann das gelingen? Elektroauto

Ein weiterer Punkt, der in die Reichweitenrechnung einbezahlt ist, der gute cW-Wert von 0,24. Die Windschlüpfrigkeit (immerhin reden wir nicht von einem Kleinwagen) ist ein Resultat des Zusammenspiels von aerodynamischen Kniffen wie stromlinienförmig gestalteten Bauteilen, flächenbündigen Türgriffen, von Splittern und Spoilern, die den Luftstrom um das Fahrzeug lenken. Hilfreich sind auch verschiedene mechanische Elemente wie die aktive Luftklappensteuerung im unteren Bereich der ansonsten vollständig geschlossenen BMW-„Niere“ in der Fahrzeugfront. Die Lamellen sind in zehn verschiedenen Positionen justierbar und optimieren den Luftstrom sowie die Kühlung der E-Motoren, der Bremsen und nicht zuletzt der Batterie.

Ganz gierig
Auch der i4 trägt die BMW-typische Doppelniere als Frontmaske. Nur dass sie hier geschlossen ist – und ein M trägt. Foto: BMW

Gran Coupé hin, verkappter Crossover her: wenn ein BMW ein zweites „M“ im Namen trägt, verbindet der Fahrer fast schon reflexartig ein gewisses Maß an Längs- und Querdynamik. Dass wissen sie auch im Münchner Vorort Garching, der Heimat der M GmbH. Gesagt, getan. Damit der BMW i4 M50 bei der Agilität seinen Namen gerecht wird, haben die Techniker überall noch einmal Hand angelegt: Die ganze Elektropower hilft nichts, wenn der „Hut“ zu weich ist.

Höchstgeschwindigkeit 225 km/h

Die Karosserie ist aufgrund von lokalen Versteifungen plus eine Domstrebe verwindungsresistenter, als das bei der verwandten 4er- und 3er-Reihe der Fall ist. Das hilft den Fahrwerksexperten bei der Abstimmung. Die ist gelungen, da der i4 M50 auch im Sportmodus nicht zu hart gefedert ist. Trotzdem ist der i4 M50 kein BMW M4. Dennoch kann man durchaus flott durch Kurven flitzen. Nur wenn man es übertreibt, orientiert sich das 2.215 Kilogramm schwere Gefährt nach außen. Aber das kündigt das Vehikel rechtzeitig an und bleibt so gut kontrollierbar. Die Bremse packt beherzt zu, wenn man sich mal an die heftige Verzögerung gewöhnt hat, kommt auch damit gut klar.

Der zehn Sekunden lange Extra-Boost macht Spaß und hilft sicher bei machen Überholvorgängen. Dazu kommt ein hecklastig ausgelegter Allradantrieb, der sich aus zwei E-Maschinen zusammensetzt: Vorne werkelt ein Elektromotor mit 190 kW (258 PS) Leistung, an der Hinterachse stehen 230 kW (313 PS) parat. So schafft der i4 M50 den Standardsprint von null auf 100 km/h in 3,9 Sekunden. Und die Beschleunigung endet erst bei 225 km/h.

Ganz praktisch
Die große Heckklappe erleichtert die Beladung des großen Kofferraums enorm. Bis zu 470 Liter passen im normalen zustand rein, mit umgeklappter Rückbank bis zu 1.290 Liter. Das sollte für den Familienurlaub reichen. Foto: BMW
Ganz praktisch
Die große Heckklappe erleichtert die Beladung des großen Kofferraums enorm. Bis zu 470 Liter passen im normalen zustand rein, mit umgeklappter Rückbank bis zu 1.290 Liter. Das sollte für den Familienurlaub reichen. Foto: BMW

Der Münchner Stromer spielt seine Stärken allerdings mehr auf der Langstrecke als im Sprint aus. Der Fahrkomfort ist ausgezeichnet. Und wann immer möglich, verabschieden sich die E-Maschinen vom Vortrieb und der i4 M50 segelt nur so dahin. So soll ein Durchschnittsverbrauch von 22,5 kWh auf 100 km realisiert werden. Dafür waren wir bei unserer Testfahrt ein ordentliches Stück entfernt: Am Ende wies der Bordcomputer einen durchschnittlichen Stromverbrauch von 26,7 kWh/100 km. Gut 300 Kilometer wären wir damit bestensfalls mit einer Akkuladung gekommen. Allerdings waren wir auch recht flott auf den Autobahnabschnitten unterwegs – da ist noch viel Luft nach unten. Der Spaß ist auf den Vordersitzen ist jedenfalls größer als im Fond, wo es für Personen mit Körpergrößen jenseits von 1,85 Metern BMW-typisch eher enger zugeht. Dafür ist der Kofferraum mit 470 bis 1.290 Litern Volumen ausreichend groß dimensioniert.

Preise ab 69.900 Euro

Eine weitere Stärke des BMW i4 M50 liegt im smarten Zusammenspiel der Sicherheitssysteme. Der adaptive Tempomat nutzt die Kameras und Sensoren und passt die Geschwindigkeit den Gegebenheiten an, was auch für die Rekuperation gilt. Ist der Automatikhebel in die B-Gasse geschoben, ist die Energierückgewinnung auf Maximum gestellt – auch ein One Pedal-Fahren ist dann möglich.

Beim Infotainment setzen die Münchner beim i4 auf die gekrümmte Display-Kombination. Das virtuelle Cockpit ist 12,3 Zoll groß und der Touchscreen in der Mittelkonsole bringt es auf stattliche 14,9 Zoll. Wer gerade keinen Finger frei hat, kann das System auch mit seiner Stimme steuern, was gut funktioniert. Wir freuen uns aber auch darüber, dass BMW nach wie vor den guten alten Drehdrücksteller bewahrt. Dieser erleichtert die Bedienung der Systeme enorm, ohne dass der Fahrer zu sehr vom Geschehen auf der Straße abgelenkt wird. Das hauseigene Betriebssystem BMW OS 8.0 kann mit drahtlosen Updates aktualisiert werden.

Auch insofern ist der i4 M50 auf der Höhe der Zeit. BMW lässt sich das allerdings auch teuer bezahlen: Die Preise für den i4 mit dem großen M beginnen bei 69.900 Euro – über 11.600 Euro über denen für seinen kleinen Bruder i4 eDrive40 (58.300 Euro). Und mit ein paar Extras ist man schnell bei 90.000 Euro. Viel Spaß noch am Konfigurator im Internet – ausgeliefert werden die ersten Fahrzeuge schon im November.

Datenblatt BMW i4 M50

Antriebsleistung: 400 kW/544 PS

Max. Drehmoment: 795 Nm

Höchstgeschwindigkeit: 225 km/h

Beschleunigung 0-100 km/h: 3,9 Sek.

Akkukapazität: 83,9 kWh

Durchschnittsverbrauch nach WLTP-Norm: 22,5 kWh/100 km

Reichweite (Herstellerangabe): 510 km

Leergewicht: 2.215 kg

max. Zuladung: 520 kg

Abmessungen (L/B/H): 4.783mm / 1.852mm / 1.448mm

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