Mit einem betagten Smartphone will kaum einer unterwegs sein. Im turbulenten Alltag könnte man da ja leicht eine neue Funktionalität, eine neue hippe App verpassen – oder zum Einfallstor für Cyberkriminelle werden. Also gibt es regelmäßig Updates aufs Handy, automatisch beim nächsten Einwählen ins Netz. Ganz einfach über das Funknetz – „over the Air“ (OTA).
Was bei Handy, Tablet oder heimischem Fernseher seit langem an der Tagesordnung ist, setzt sich auch bei immer mehr Autoherstellern durch. Tesla war nicht der erste, aber wohl derjenige, der seine Updates kundenwirksam in Szene setzte. Updates, die dafür sorgen, dass das Elektroauto auch noch Jahren zumindest softwaremäßig auf dem neuesten Stand ist, ja, sogar mehr kann als bei einer Erstauslieferung.
Updates oft nur in der Werkstatt möglich
Dabei ist es nicht so, dass jeder Neuwagen obligatorisch auch „over the Air“ updatefähig ist. Bestes Beispiel ist der neue Ferrari Purosangue. Der mit einem Einstiegspreis von über 380.000 Euro extrem teure SUV verzichtet nicht nur auf ein Onboard-Navigationssystem, sondern auch auf OTA-Updates: Für eine neue Software-Version muss der Purosangue jedes Mal in die lokale Ferrari-Werkstatt kutschiert werden. Doch Ferrari ist kein Einzelfall. Überraschend viele Autohersteller patzen unverändert bei den zeitgemäßen Updates, die eigentlich längst selbstverständlich sein sollten.
Nach Angaben der Analysten von Jato Dynamics waren auf dem deutschen Markt Ende des vergangenen Jahres gerade einmal 34 Prozent aller Neufahrzeuge für einen kabellosen Datentransfer ausgelegt. Zwei Drittel aller Neufahrzeuge müssen demnach für eine neue Software und das Aufspielen frischer Fahrzeugfunktionen in die Werkstatt.
Dabei ist immerhin die Hälfte aller neuen SUV für over the Air Updates vorbereitet. Ähnlich groß ist der Anteil sonst nur bei Modellen ab der Mittelklasse. In den Fahrzeugsegmenten darunter sieht es deutlich schlechter aus. Nicht überraschend, dass sich die einzelnen Autohersteller mitunter sehr deutlich bei der Technik des Bordnetzes unterscheiden.
BMW-Modelle sind schon lange vernetzt
Vorreiter in Sachen Fahrzeugvernetzung ist seit Mitte der 2000er Jahre BMW. Die Münchner brachten den Datentransfer per Mobilfunkverbindung deutlich früher als alle anderen ins Auto. Mittlerweile gibt es OTA-Updates für 55 verschiedene Modellversionen an. Dabei befinden sich der Dreier-BMW (acht Modelle) und der kleinere Zweier (vier Modelle) unter den besten zehn.
Hauptkonkurrent Mercedes-Benz hatte nach der Jato-Analyse Ende letzten Jahres 35 Modellversionen mit kabellosen Updates im Portfolio, darunter die A- und B-Klasse mit jeweils fünf Varianten. Auch internationale Marken wie Renault (24 Modelle) und Jaguar (21 Modelle) sind gut für die neue Zeit gerüstet. Vom Jaguar F-Pace beispielsweise gibt es aktuell neun Modellvarianten mit over the Air Updates – der absolute Spitzenreiter. Ford bietet zwar acht Modellversionen des Kompaktklassefahrzeugs Focus mit OTA an, hat es aber bei den Herstellern nicht einmal unter die ersten zehn geschafft.
Elektroautos treiben die Entwicklung
Wenig überraschend, dass die Updates mit der Umstellung auf Elektroantriebe deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Doch auch von den neuen Elektroautos sind nach der Analyse von Jato Dynamics aktuell nur 55 Prozent permanent mit dem Internet verbunden und für einen Datentransfer unterwegs zu erreichen. Und vier von fünf Modellen mit Hybridantrieb müssen für ein Software-Update immer noch eine Werkstatt aufsuchen. Selbst bei den reinen Verbrennermodellen ist der OTA-Anteil mit mehr als 30 Prozent größer. Besser sieht es für Plug-in-Hybriden aus oder entsprechende Fahrzeuge mit Mild-Hybridantrieb, denn hier liegt der over the Air Update-Anteil bei immerhin 50 Prozent. Für gut 1,5 Prozent der Mild-Hybridautos wird die Technologie optional angeboten, für alle anderen Fahrzeuge gibt es sie serienmäßig – oder gar nicht.
Derweil intensivieren die Autohersteller ihre Anstrengungen, mit so genannten In-Auto-Käufen Kasse zu machen Iindem per software-Upgrades neue Funktionalitäten des Autos freigeschaltet werden. Sonderausstattungen wie eine Sitzheizung, ein Abstandstempomat oder andere Fahrerassistenzsysteme. Volkswagen rollt den Softwaredienst seit drei knapp Jahren unter anderem mit seinen neuen vollelektrischen ID-Modellen oder dem Golf 8 aus. Die nachträglich aktivierte Sprachbedienung kostet hier zum Beispiel 269 Euro. Denn im Gegensatz zu anderen Herstellern favorisiert der niedersächsische Autobauer Einmalzahlungen anstelle von Abo-Modellen.
Sitzheizung für 17 Euro im Monat
Auch bei BMW kann man über den Connected Drive-Store verschiedene Extras freischalten lassen. Wie bei den anderen Herstellern über einen begrenzten Zeitraum oder auch permanent. Die Sitzheizung etwa kostet 17 Euro im Monat. Soll sie das ganze Jahr über genutzt werde können, werden 170 Euro fällig, bei dreijähriger Nutzung 270 Euro. Bucht man unbegrenzt, zahlt man 385 Euro. Um die neusten Karten für das Navigationssystem zu bekommen, muss man jedes Jahr 89 Euro nach München überweisen. Die Lenkradheizung kostet mindestens zehn Euro im Monat. Wenn das Auto selbständig einparken soll, sind 18 Euro fällig. Und wer beim Fahren mit akustischen Effekten unterhalten werden will, legt 150 Euro hin. Interessant ist auch, dass BMW 300 Euro verlangt, wenn das Auto für Apples Carplay vorbereitet sein soll.
Vor allem die deutschen Premium-Hersteller bieten mittlerweile ein großes Portfolio von kostenpflichtigen Software-Updates an. Wer einen mindestens 93.000 Euro teuren Porsche Taycan erwirbt, sollte auch 1.500 Euro für das LED-Matrix-Licht in der Tasche haben. Wer dieses später nachordern möchte, zahlt im Connect Store im Monatsabo 36 Euro. Porsche lässt sich seinen Routenoptimierer „Intelligent Range Manager“ mit elf Euro pro Monat oder einmalig 419 Euro bezahlen.
Kostenlos nur für begrenzte Zeit
Ganz ähnlich sieht es bei Audi aus. Jedoch setzen die Ingolstädter in ihrem Dienst „Functions on Demand“ noch mehr Individualität und Flexibilität. Die Auswahl an Software-Erweiterungen variiert je nach Modell. Und auch die Laufzeiten sind anders gestaffelt als bei den Brüdern aus Zuffenhausen. Neben einem Testmonat für einen Euro kann man beim Audi Q4 e-tron das Virtual Cockpit für sechs Monate (ab 17 Euro), ein Jahr (32 Euro), drei Jahre (ab 86 Euro) oder unbegrenzt freischalten. Die nachträglich gebuchte Ausstattung ist fahrzeugbezogen und wird bei einem Verkauf des Fahrzeugs einfach vom Zweitbesitzer übernommen.
Wesentlich kundenfreundlicher geht Opel das Nachzahlgeschäft an. Bei Autos wie dem Corsa-e ist die e-Connect App, mit der man diverse Funktionen drahtlos abrufen beziehungsweise steuern kann, serienmäßig an. Über die kann beispielsweise der Ladestand der Antriebsbatterie abgerufen werden. Und die App meldet sich, sobald eine Inspektion fällig ist. Wer ein Navigationssystem für mindestens 600 Euro ordert, wird erst nach 36 Monaten zur Kasse gebeten, wenn die Live-Daten zum Verkehrsgeschehen auch weiterhin auf dem Bildschirm angezeigt werden sollen. Ähnlich sieht es bei Citroën und Peugeot ab. Wie es heißt, wollen die Marken des Stellantis-Konzerns aber in den nächsten Jahren bei neuen Modellen neue Funktionalitäten per Over-the-Air-Updates anbieten.