Eine Antriebsvielfalt, wie sie Kunden von Verbrennerfahrzeugen heute gewohnt sind, gibt es bei Elektrofahrzeugen derzeit nicht. Bisher hatte der Kunde nur bei Tesla, und inzwischen auch bei Kia und Hyundai, die Wahl zwischen verschiedenen Antriebs- und Batteriekonfigurationen. Aber warum ist das so?

Neben den wirtschaftlichen Gründen für diese Situation (mehr Varianten verursachen auch höhere Entwicklungskosten) gibt es vor allem einige technische Gründe, die einem umfangreichen Variantenportfolio entgegenstehen. Dazu müssen wir uns zunächst die heutige Situation bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor anschauen.

Die „klassische“ Verbrennerwelt

Nicht wenige Modelle, insbesondere aus deutscher Produktion, sind mit einer Vielzahl verschiedener Motoren erhältlich. Meistens handelt es sich um Diesel- und Ottomotoren, die in diversen Leistungs- und Ausbaustufen verfügbar sind. Die Leistung des Verbrennungsmotors (=Energiewandler) ist dabei praktisch komplett entkoppelt vom Energiespeicher, dem Kraftstofftank.

So können Reichweite (Größe des Tanks) und Leistung (Ausbaustufe des Verbrennungsmotors) nahezu beliebig skaliert und aufeinander abgestimmt werden.

Systemleistung eines Elektrofahrzeugs

Bei einem Elektroauto hängt die Systemleistung einerseits von der E-Maschine und dem Inverter (DC/AC-Wandler), andererseits von der Batterie als Energiespeicher ab.

Die Leistung einer E-Maschine kann dabei relativ einfach auf das benötigte Niveau ausgelegt werden. Aus diesem Grund gibt es viele leistungsstarke Studien von mit schwindelerregenden Leistungswerten der verbauten E-Maschinen. Allerdings muss hierbei auch die Leistung des Energiespeichers, also der Batterie, betrachtet werden. Die Leistung eines Elektrofahrzeugs wird demnach bestimmt aus dem Verbund aus E-Maschine, Inverter und Batterie.

Bei leistungsstarken Elektrofahrzeugen kann dabei schnell die Batterie die begrenzende Komponente sein. Aus diesem Grund musste Tesla bei einigen Varianten des Model S die Fahrzeugleistung im Prospekt nach unten korrigieren. Die E-Maschinen leisteten zusammen zwar über 500 Kilowatt (kW), jedoch konnte die Batterie nur 345 kW liefern. Die Systemleistung lag also nur bei dem Leistungswert der Batterie.

Leistung trifft Energie: Das P/E-Verhältnis

Bei der Betrachtung des Angebotportfolios von Tesla für das Model S und Model X fällt eine weitere Besonderheit auf. Die leistungsstärksten Varianten weisen immer auch den größten Energieinhalt auf. Dies liegt an der doppelten Funktion der Batterie sowohl als Leistungs- als auch als Energiequelle.

Das Verhältnis aus Leistung und Energie wird dabei als P/E-Verhältnis (sprich: „P zu E“) bezeichnet, wobei P für Power steht, also die Leistung, und E für Energy, das heißt den Energieinhalt. Der P/E-Wert stellt also ein festes Übersetzungsverhältnis für diese beiden Kennwerte dar. Die Einheit dieses abstrakten Wertes ist 1/h, da die Leistung in Watt (W) und der Energieinhalt in Wattstunden (Wh) angegeben werden. Allerdings wird die Einheit beim P/E-Verhältnis meist vernachlässigt.

In Hybridfahrzeugen (HEV) liegt das P/E-Verhältnis typischerweise bei Werten zwischen 20 und 40. Bei einem Mildhybrid mit einer Ein-kWh-Batterie liegt die Leistung entsprechend bei rund 20 bis 30 kW. Die Batterie hat also eine, im Vergleich zum Energieinhalt, enorme Leistung und kann daher schnell viel Strom zur Verfügung stellen bzw. aufnehmen. Allerdings kann die Batterie dies nur für einen kurzen Zeitraum, da Sie aufgrund des geringen Energieinhalts sehr schnell leer, beziehungsweise beim Laden, schnell voll ist.

Ein Extrembeispiel sind die sogenannten Supercaps, die bei Bahnen die Bremsenergie nur bis zum nächsten Start speichern und dann komplett abgeben. Auch in Hybridfahrzeugen ist das gewünscht, um schnell und kurzzeitig Energie beim Rekuperieren zu speichern oder beim Boosten zur Verfügung zu stellen. Zur besseren Vorstellung kann man eine Hybridbatterie daher mit einem 100m-Sprinter vergleichen.

In Plug-In-Hybriden (PHEV) liegt das P/E-Verhältnis schon deutlich niedriger, typischerweise im Bereich zwischen sechs und 15. Um das Bild wiederzuverwenden, entspricht eine PHEV-Batterie einem Mittelstreckenläufer. Sie muss den Spagat aus kurzer Leistungsfähigkeit (Rekuperieren, Boosten), aber auch langer Energieabgabe (elektrisches Fahren) bewältigen. PHEV-Batterien sind aufgrund der Energieanforderungen bereits deutlich größer als HEV-Batterien.

Folglich sind Energiebatterien im reinen E-Auto (BEV) die Langstreckenläufer, die über einen möglichst langen Zeitraum Energie abgeben müssen. Im Verhältnis zur Batteriegröße ist die Leistung der Batterie oft relativ gering, das heißt das P/E-Verhältnis liegt ungefähr im Bereich zwischen zwei und vier, in seltenen Fällen höher.

Der BMW i3 weist in der 60-Ah-Variante eine P/E-Verhältnis von ca. 6 auf (125kW/21,6kWh), im Opel Ampera-e liegt der Wert bei 2,5 (150kW/60kWh). Aufgrund der deutlich größeren Batterie des Opels muss diese leistungstechnisch nicht so stark ausgequetscht werden, um dennoch eine etwas höhere Gesamtleistung zu generieren, weshalb das P/E-Verhältnis deutlich niedriger liegt.

Antriebsvarianten beim Elektrofahrzeug

Möchte man, analog Tesla, dem Kunden mehrere Leistungsvarianten eines Fahrzeugs anbieten, gibt es mehrere Möglichkeiten. Einerseits kann eine leistungsstärkere Zelle verbaut werden, die demnach ein höheres P/E aufweist. Allerdings geht dies massiv zu kosten meiner Reichweite, da Leistung- und Energiedichte nur gegenläufig optimiert werden können. Die andere Möglichkeit besteht darin, einfach mehr Zellen zu verbauen, um die Spannung der Batterie oder die Strombelastbarkeit zu erhöhen. Beides führt zu mehr Leistung.

Dies hat Tesla augenscheinlich gemacht. Aus diesem Grund haben die Varianten 75, 90 und 100 nicht nur mehr Energie, sondern auch mehr Leistung. Das P/E-Verhältnis liegt jeweils bei ca. 3 bis 3,5. In den P-Versionen (P90D bzw. P100D) des Model S wurden die Leistungen allerdings noch einmal erhöht, möglicherweise zulasten der Dauerhaltbarkeit oder aufgrund einer neueren, leistungsoptimierten Zelle.

Würden wir das P/E-Verhältnis auf die klassische Verbrennerwelt beziehen, hieße dies, dass ein doppelt so starkes Fahrzeug (zum Beispiel 120 PS und 240 PS) auch immer einen ungefähr doppelt so großen Tank (60 l und 120 l) haben müsste. Dies ist für gewöhnlich nicht so, da beim Verbrenner, wie oben erläutert, Energie und Leistung unabhängig voneinander skaliert werden können.

Beim Elektrofahrzeug führt dies dazu, dass Modelle mit Einstiegsbatterien quasi „Luft“ durch die Gegend fahren, da dieser Platz für die großen bzw. leistungsstärkeren Varianten des Fahrzeugs vorgehalten werden muss. Dies hat man bei den Elektrofahrzeugen der ersten Generation (Nissan Leaf, BMW i3, Renault Zoe, VW e-Golf, etc.) nicht gemacht, da der Bauraum zu knapp war und man es sich aus Reichweitengründen nicht leisten konnte, die Batterie für eine Einstiegsvariante kleiner zu bauen. Die Verbesserungen im Energieinhalt, welche die Fahrzeuge während ihrer Bauzeit erhalten haben, sind allein auf den Einsatz verbesserten Zellen mit optimierter Zellchemie zurückzuführen, da sich hinsichtlich der Energiedichte hier sehr viel getan hat.

Fazit

Die angekündigten Elektroautos, welche in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in mehreren Leistungs- und Reichweitenvarianten angeboten werden, um den Kunden vor die Qual der Wahl zu stellen. Eine Variantenvielfalt bei der (Motoren-)Leistung, wie wir sie heute zum Beispiel vom VW Golf kennen, werden wir aber so schnell nicht wieder erleben.

Eine frühere Version dieses Artikels erschien zunächst im Blog GenerationStrom.

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