Foto: Unsplash / Pawel Czerwinski

Das 21. Jahrhundert zeichnet sich durch ein gesteigertes Bewusstsein für Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz aus. Dieses verstärkte Interesse hat zweierlei Gründe: Die Bürger wünschen sich mehr Freiheit und Flexibilität, der in einer neuen Form des Minimalismus resultiert. Statt ungebremst zu konsumieren und zu besitzen, erfreuen sich Sharing-Konzepte und die Reuse-Idee, also das Wiederverwenden von Gebrauchtwaren, einer steigenden Beliebtheit. Dies trifft vor allem im urbanen Raum zu. Aber auch die Plastikverschmutzung der Meere und steigende CO2-Emissionen motivieren etliche Verbraucher, ihr eigenes Konsumverhalten zu überdenken.

Papier ist das neue Plastik

Auch Unternehmen reagieren auf das veränderte Konsumentenverhalten – beispielsweise, wenn sie für Verpackungen Papier statt Plastik einsetzen. Und noch ein weiterer Faktor ist entscheidend für das Umdenken aufseiten der Industrie: Aufgrund einer zunehmenden Verknappung (fossiler) Rohstoffe müssen die Firmen unabhängiger von endlichen Materialien werden.

Ein derart verändertes Bewusstsein führt auch zu einem neuen Umgang mit dem Rohstoff Abfall. Im Sinne eines nachhaltigen Konsumverhaltens sollen Materialien so viel wie möglich in Kreisläufen fließen bzw. recycelt werden. Doch es gibt auch Stimmen, denen es nicht mehr reicht, nur wiederzuverwerten. Sie wollen im Sinne des Zero-Waste-Gedanken Abfälle komplett vermeiden. Daraus lässt sich eine zentrale Frage ableiten: Ist diese Idee nur eine kühne Vision oder kann sie irgendwann sogar gesamtwirtschaftliche Realität werden?

Wunsch der Gesellschaft – mit Wirkung auf die Wirtschaft

Vor diesem Hintergrund sind besonders die wirtschaftlichen Folgen des Wunsches nach mehr Nachhaltigkeit interessant. Denn feststeht: Das Umdenken zeigt Wirkung. Bereits heute denken die Verantwortlichen in den Unternehmen über neue Geschäftsmodelle nach. Mercedes-Benz entwickelt beispielsweise ein Recyclingkonzept für alle Fahrzeugmodelle und Outdoor-Bekleidungshersteller Patagonia ruft Kunden auf, erworbene Jacken und Hosen zu reparieren, statt sie zum Neukauf zu animieren.

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Die guten ins Töpfchen

Infrarot-Sensoren helfen, verschiedene Verpackungsarten zu erkennen und in Sortieranlagen voneinander zu trennen. Foto: Alba

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Zurück in den Kreislauf

Aus sortiertem Kunstoffmüll entstehen kleine Pellets, die sich wieder zu neuen Plastikteilen verarbeiten lassen. Foto: Alba

Andere Firmen bieten an, ihre Produkte zu mieten, statt zu kaufen. Oder sie nehmen gebrauchte Artikel und Waren zurück. Ein Beispiel ist der niederländische Teppichbodenhersteller Desso. So bietet das Unternehmen seinen gewerblichen Kunden bereits heute neben dem Kauf zusätzlich eine Leasing-Option an. Statt einen Teppichboden zu erwerben, kann der Abnehmer ihn mieten. Als Teil der Vereinbarung übernimmt Desso einen rundum Service – inklusive Verlegung, Reinigung, Pflege und Entfernung. Damit gibt Desso den Rohstoff nicht aus der Hand und kann ihn einfach wiederverwerten. Ökologie und Ökonomie sind damit eins.

An ähnlichen Konzepten arbeitet intensiv der Bauzulieferer Schüco, der Fenster-, Türen- und Fassadensysteme für Wohnungs- und Industriebau vertreibt. Das deutsche Unternehmen will Leasing-Modelle aus Branchen wie der Automobilindustrie auf die eigenen Produkte übertragen. Die Schüco-Manager sind überzeugt: Das Leasen statt Kaufen-Prinzip ist auch für Gebäudekomponenten wie Trennwände, Teppichböden, technische Anlagen oder ganze Fassaden umsetzbar. Basis aller Produktentwicklungen ist daher das sogenannte Cradle to Cradle-Prinzip (Deutsch: Von der Wiege zur Wiege), ein Ansatz für eine durchgängige und konsequent geschlossene Kreislaufwirtschaft. Für Schüco ist dies etwa für den Rohstoff Aluminium denkbar. Gerade vor dem Hintergrund, dass laut Umweltbundesamt Bau- und Abbruchabfälle allein in Deutschland über 53 Prozent des gesamten Abfallaufkommens ausmachen, ist ein solches Umdenken sinnvoll.

Start-ups setzen auf den Trend zu mehr Nachhaltigkeit

Aber nicht nur etablierte Unternehmen denken um. Das gesteigerte Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Klimaschutz lässt auch ganz neue Geschäftsmodelle für Start-ups entstehen. Ein Beispiel ist TooGoodToGo, das gegen die Verschwendung von Lebensmitteln kämpft. Eine Idee, die so sinnvoll wie dringend erscheint. Denn laut dem WWF werfen die Konsumenten allein in Deutschland 18 Millionen Tonnen Essen pro Jahr weg. Das junge Unternehmen bringt gastronomische Betriebe und Einzelhändler, die ihre Waren nicht mehr verkaufen können, und Verbraucher über eine App zusammen. So werden Lebensmittel gerettet, die Umwelt geschont und Betriebe können neue Kunden gewinnen. Einen ebenfalls nachhaltigen Gedanken verfolgt Repack mit Mehrfachverpackungen aus recycelten Materialien für den Online-Handel. Ganz Zero-Waste ist das Start-up Loop, dass seinen Kunden Nachfüllbehälter und Lieferdienste für Markenartikel anbietet. Die Gemeinsamkeit dieser jungen Unternehmen: Sie schützen Umwelt und Klima und – weiterer positiver Effekt – schaffen neue Arbeitsplätze. 

Zero-Waste hat aber auch Grenzen

Obwohl Ansätze wie Reuse oder Zero-Waste viele Vorteile für Umwelt und Wirtschaft bieten, haben sie auch Grenzen. Im Krankenhausbereich fallen etwa medizinische Produkte an, die sich nicht nochmal verwenden lassen. Gleiches gilt aktuell für die Baubranche. Dort entstehen giftige Abfälle, die sich nicht wiederverwerten oder recyceln lassen. Wollen diese Branchen daher künftig nachhaltiger werden, dann müssen sie sich umstellen. Zum Beispiel sollten Architekten und Planer bereits beim Bauen den Rückbau eines Gebäudes nach Ablauf der Nutzungsdauer einplanen. Mit dem Ziel existierende Gebäude als Materiallager zu nutzen, die sortenrein zerlegbar sind. Um dies zu erreichen, müsste somit auf Farben, Lacke oder Bauschäume verzichtet werden, die eine kreislaufgerechte Verwertung verhindern.

Abfallvermeidung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Zero-Waste ist weitaus mehr als nur ein Trend: Es handelt sich dabei um kein isoliertes Phänomen, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Thema. Für Unternehmen ist authentisches, aber auch ethisch korrektes Handeln im Zeitalter des Überflusses zum maßgeblichen Abgrenzungskriterium geworden. Sie tragen zudem eine besondere Verantwortung, denn immerhin verfügen sie über wertvolles Expertenwissen, das dem Verbraucher schlichtweg fehlt. Gleichermaßen gefordert ist die Politik. Sie muss attraktive Anreize für nachhaltigen Konsum schaffen und der Wegwerfmentalität auf diese Weise Grenzen setzen.

Trotz aller Bemühungen hin zu mehr Nachhaltigkeit und weniger Verbrauch muss aber auch klar sein: Abfall wird es immer geben. Die entscheidende Frage ist deshalb, wie wir es als Gesellschaft schaffen, die Umweltbelastung und unseren CO2-Fußabdruck zu minimieren. Zero Waste steht daher nicht für eine Welt ohne Abfall, sondern für eine Welt, in der Rohstoffe in Kreisläufen fließen.

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