Autofahren wird zunehmend teuer, vor allem in Deutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind die Ausgaben rund ums Auto hierzulande seit dem Jahr 2020 um 28 Prozent gestiegen. Vor allem die Kraftstoffpreise wurden teurer – hier mussten Verbraucher einen überdurchschnittlichen Kostenanstieg von 41 Prozent verkraften. Darin enthalten sind die Kostensteigerungen für Autogas um 75 Prozent, für Diesel um 48 Prozent und für Superbenzin um 39 Prozent. Fahrer von Verbrennerfahrzeugen müssen also immer tiefer in die Tasche greifen, um von A nach B zu kommen.
Doch auch Fahrer von Elektroautos blieben nicht gänzlich von Preissteigerungen verschont. Der Preis für Strom – dem „Kraftstoff“ für E-Autos – stieg im gleichen Zeitraum um 25 Prozent. Damit fiel der Preisanstieg bei Strom zwar wesentlich moderater aus als bei Verbrennerkraftstoffen; dennoch war er für Elektrofahrer deutlich spürbar. Konkret kletterte der Preis pro Kilowattstunde laut dem Verband der Energiewirtschaft von 32,24 Cent im Jahr 2020 auf 40,22 Cent im Jahr 2024.
Geringere Ladekosten durch dynamische Tarife
Im Gegensatz zu Fahrern von Verbrennerfahrzeugen haben E-Auto-Fahrer allerdings die Möglichkeit, ihre Ladekosten durch intelligente Ladestrategien erheblich zu reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie des energiewirtschaftlichen Beratungsunternehmens Neon unter der Leitung von Lion Hirth, im Auftrag des Hamburger Stromversorgers Rabot Energy. Die Studie zeigt: Wer dynamische Stromtarife und variable Netzentgelte nutzt, kann seine Ladestromkosten um bis zu 70 Prozent senken.

Die Energiewende und der Krieg in der Ukraine haben die Strompreise in Deutschland über die Jahre zu den teuersten in Europa gemacht. Zuletzt sanken sie allerdings wieder. Und die neue Bundesregierung hat versprochen, Netzentgelte und Umlagen zu senken.
Die Einsparungen entstehen, indem das Fahrzeug bevorzugt zu Zeiten geladen wird, in denen der Strom und die Netzentgelte in dynamischen Tarifmodellen besonders günstig sind. Seit 2025 müssen alle Stromversorger und Netzbetreiber solche dynamischen Tarifmodelle anbieten. Hier schwanken die Preise im Tagesverlauf, je nach Netzauslastung und aktuell vorhandenen Stromkapazitäten. Vor allem mittags und nachts sind laut der Studie die Preise in dynamischen Tarifen besonders günstig. Wer dann sein E-Auto lädt, kann kräftig sparen.
„70 Prozent weniger Ladekosten – das ist eine echte Sensation. So einen Preissturz wird man an klassischen Tankstellen nicht erleben, wohl aber im intelligenten Strommarkt“, kommentiert Jan Rabe, CEO des Stromversorgers Rabot Energy, der bereits dynamische Stromtarife anbietet.
Geld verdienen durch bidirektionales Laden
Mit dynamischen Tarifmodellen ist das Sparpotenzial von E-Autos aber längst nicht ausgeschöpft. Durch den Ausbau des sogenannten bidirektionalen Ladens könnten Elektroautos künftig weitere Einsparungen realisieren. Laut der Studie ‚Intelligentes Laden‘ von Neon wäre es sogar denkbar, mit einem Elektrofahrzeug Geld zu erwirtschaften. Mercedes-Benz und The Mobility House haben deshalb jetzt eine Partnerschaft aus der Taufe gehoben, um das smarte Laden zu Hause mit dynamischen Stromtarifen europaweit populär zu machen und die Entwicklung der Infrastruktur für bidirektionales Laden voranzutreiben.
Möglich wird dies, indem Fahrzeugbatterien im Rahmen von bidirektionalem Laden nicht nur Strom beziehen, sondern ihn auch wieder ins Netz einspeisen können. Das eröffnet die Möglichkeit Strom zu laden, wenn dieser im Überfluss verfügbar und deshalb besonders günstig ist. Etwa wenn Wind- und Solaranlagen mehr Strom produzieren, als benötigt wird. Bislang werden die Anlagen in einem solchen Fall abgeregelt.

In Japan sind Halter von E-Autos verpflichtet, ihr Fahrzeug in Notlagen als Pufferspeicher zur Verfügung zu stellen. Der Ladestandard CHAdeMO war deshalb von Anfang an für das Wiedereinspeisen des Stroms aus dem Akku ins öffentliche Netz ausgelegt.
Foto: Ulrich Schaarschmidt/Mitsubishi Motors
Wird der Strom bei ungünstiger Wetterlage dann wieder knapper und teurer, ließe sich die nicht benötigte Energie aus der Fahrzeugbatterie wieder ins Netz einspeisen – zu deutlich höheren Preisen. Den erzielbaren Jahreserlös solcher Stromarbitragegeschäfte beziffert die Neon-Studie auf Basis realer Strompreise für einen Elektroautofahrer mit durchschnittlicher Batterie und Fahrleistung auf etwa 355 Euro.
„Es gibt bereits Fahrzeuge und Wallboxen im Markt, die bidirektionales Laden beherrschen – also Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben können“, erklärt Rabe. „Man spricht hier von Vehicle-to-Grid. Im Grunde funktioniert das ähnlich wie bei Haushalten mit Solaranlage, die überschüssigen Strom ebenfalls ins Netz einspeisen können. Allerdings hat der Gesetzgeber in Deutschland noch nicht die Rahmenbedingungen für bidirektionales Laden geschaffen.“
Bidirektionales Laden im Koalitionsvertrag und im Ländervergleich
Bidirektionales Laden ist eine Schlüsseltechnologie im Rahmen der Energiewende, da mittlerweile bis zu 60 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen wie Strom und Wind gedeckt wird aber die Produktionskapazitäten hier je nach Wetterlage erheblich schwanken. Die Rückspeisung von Strom aus Autobatterien bei kurzfristigen Wind- und Sonnenflauten könnte einen Beitrag zur Stabilisierung der Stromversorgung leisten durch das Zwischenspeichern von produzierten Grünstromüberkapazitäten in Autobatterien.
Dementsprechend kündigt der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD an, bidirektionales Laden zu fördern und die systemdienliche Nutzung von E-Autos gezielt voranzubringen. Auch auf der aktuellen Fachmesse The Smarter E in München, Europas größter Messeallianz für die Energiewirtschaft (7. bis 9. Mai), wird deutlich, welchen Stellenwert bidirektionales Laden für den Energiesektor hat: Dem Thema wird hier eine Sonderschau gewidmet.

Der Renault 5 Electric ist serienmäßig für das bidirektionale Laden von Wechselstrom ausgelegt. Erforderlich ist dafür eine spezielle Ladestation. Die Powerbox Verso der Renault-Tochter Mobilize verfügt über eine Ladeleistung von 7 kW bis 22 kW. Foto: Renault
Auch andere Länder haben die Bedeutung von bidirektionalem Laden erkannt setzen auf diese Technologie. In Japan etwa ist Vehicle-to-Grid Teil der Notstromversorgung – eine Reaktion auf die Energiekrise, verursacht durch die Nuklearkatastrophe von Fukushima. In den USA kommt die Technologie ebenfalls zum Einsatz. Hier werden elektrisch betriebene Schulbusse mit V2G-Systemen ausgestattet, um hohe Netzlasten regional abzufedern. China verfolgt ehrgeizige Pläne und möchte bidirektionales Laden bis zum Jahr 2030 landesweit etablieren.
Erste Bidi-Versuche in Europa
In Europa sind erste V2G-Anwendungen ebenfalls in Betrieb: In den Niederlanden werden Elektroautos in Städten wie Amsterdam bereits in lokale Energiesysteme eingebunden – etwa zur Versorgung eines Stadions. In Spanien wurde auf den Balearen von der EU ein industrielles V2G-Projekt gestartet, welches Unternehmen aus Fahrzeugbatterien mit Strom versorgt, um Verbrauchsspitzen abzufedern. In Frankreich können erste Stromkunden ihre Fahrzeug-Akkus bereits als dezentrale Speicher in das Netz einbringen und enthalten hierfür im Gegenzug kostenlosen Ladestrom.
Bislang hat es allerdings noch kein Land geschafft, bidirektionales Laden flächendeckend zu etablieren. Wenn die neue Regierung ihre Pläne zügig umsetzt, könnte Deutschland Vorreiter in diesem Bereich werden. Profitieren würden hiervon nicht nur Elektroautofahrer, sondern auch die Stromversorgung und damit die Allgemeinheit.