Böse Mails von Unbekannten

Ich bekam plötzlich Mails, die ich nicht bestellt hatte. Manche von ihnen waren ellenlang. Alle wiesen mir haarklein nach, dass E-Mobilität unmöglich wäre. Tödlich für den Planeten. Einige waren richtig unverschämt und beschimpften mich als Öko-Idioten, der sich eine „unnütze Technik als Prestige leistet“. Per Post kam ein 100-seitiges Papier von einem Diplomingenieur Schultz aus München, das in langen Zahlenkolonnen nachwies, dass die Elektromobilität den Planeten vernichten werde und als Versuch der Chinesen zu werten sei, die deutsche Autoindustrie in den Ruin zu treiben. Ich solle, bitteschön, schriftlich und unverzüglich diese Wahrheit anerkennen!

Raumschiff mit Flügeltüren
Matthias Horx nutzt den Elektro-SUV als Firmen- und Familienauto – und provoziert damit auf deutschen Autobahnen gelegentlich Beschleunigungs-Rennen. Foto: Tesla

An den Superchargern standen hin und wieder Männer mit verschränkten Armen um mein Auto. Und stellten seltsam verdruckste Fragen mit aggressivem Unterton. Wie lange stehen Sie denn eigentlich schon hier? Wie lange dauert denn sowas? Was verliert er denn bei kaltem Wetter an Reichweite?

Mittelfinger auf der Autobahn

Die Autos, aus denen sie in sicherer Entfernung ausgestiegen waren, lagen in der Preisklasse mindestens gleichauf. Sie hatten meistens vier fette Auspuffrohre. Ich finde Auspuffrohre, vor allem wenn sie wie riesige Aluminium-Bürzel aussehen, obszön. Sie haben etwas Provokatives und schrecklich Anales.

Auf der Autobahn, auf der ich auf meinen Vortragsreisen stets mit konstanten 125 km/h segelte, ganz entspannt Podcasts hörend, kam es immer wieder zu denselben Szenen: Ein großer SUV, meistens aus Ingolstadt oder mit Stern, nähert sich auf der Überholspur. Bremst kurz an. Schaut herüber. Ein Mann, allein, meist ein bisschen korpulent, beschleunigt-bremst-beschleunigt-bremst. Er will spielen. Rennen fahren. Will mir zeigen, wie schnell meine Batterie Strom verliert. Ich habe nicht das geringste Interesse, und Strom habe ich genug. Ich kippe den Sitz zurück. Vrroooomm – der Benzin-Bolide zieht davon, kopfschüttelnd oder mit erhobenem Mittelfinger.

In den Zeitungen erschienen unendlich viele Anti-E-Auto-Artikel neunmalkluger Autojournalisten, die bisher immerzu „den seidenweichen, röhrend-satten Klang aus dem V8-Motor“ besungen hatten. Und die nun Ladestationen nicht fanden oder Spaltmaße von E-Autos bemängelten. Auf den Podien zum Thema Mobilität saßen reihenweise jene spitzbärtigen Professoren, die der objektiven ökonomischen Meinung waren, dass alle Versuche eines neuen Antriebsstrangs nur naive grüne Ideologie seien. Das werde die Industrie ruinieren, die „unseren Wohlstand begründet“. Der „kleine Mann“ könne sich das sowieso nicht leisten. Wenn alle Lithiumvorräte der Erde „verbraucht“ würden, dann werde es den Menschen in Bolivien etc. sehr schlecht gehen. Kobalt, das man für Batterien braucht, werde von „Kindersklaven“ im Kongo aus dem Boden gekratzt. Und so weiter.

Das Irritierende an dieser Argumentation war, dass sie von Männern (immer Männern) kam, die sich normalerweise weder für den „kleinen Mann“ noch den Zustand der Natur oder für die Menschen im Kongo interessierten.

Zynisch-abwertender Ton in den Medien

Der klassische Kommentar zur E-Mobilität in einer konservativen Zeitung liest sich bis heute so:

„Ein paar Elektroautos auf dem Freigelände einer Automesse werden die Menschheit nicht zum Umsteigen bewegen. Gerade läuft wieder so eines im Test, und zwar kaum mehr als halb so lange wie versprochen, dann ist die Batterie leer. Vielleicht ist die Elektromobilität wirklich bald der Gewinner des Klimawandels – aber nur, weil den Akkus dann nicht mehr so kalt ist. Selbst auf die Gefahr hin, als bemooster Konservativer zu gelten: Wenn par ordre du mufti etwas abgeschafft wird, sollte das, was kommt, besser oder wenigstens der Plan schlüssig sein. Weg mit dem Plastik, wer beweist uns, dass Papiertüten und Jute grüner sind? Weg mit der Kohle, wodurch wird sie ersetzt? Weg mit dem Kleingeld, das können wir nachvollziehen. Und weil nun auch die Briten weg sind, gebührt ihnen unsere zweite Träne.“

Woher kommt dieser ewige zynisch-abwertende Ton? Dieses hämische Herrenreitertum? Worum geht es hier eigentlich?

Das erfahren Sie hier im dritten Teil.

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9 Kommentare

  1. Jurgen Tas

    „Auf der Autobahn, auf der ich …. mit konstanten 125 km/h segelte“:
    Als holländische Tesla Model 3-Fahrer (und Liebhaber) bin ich meistens gezwungen 105 km/h zu fahren (100 ist unser offizellen max. tagsüber). Dann macht es ehrlich gesagt viel Spass, wenn ich mal in Deutschland fahre, mal schneller zu fahren und die traditionellen schnelle Deutsche Tiefflieger zu zeigen das ein Model 3 auch leicht über 200 fahren kann 🙂

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  2. Matthias Moser

    Nicht immer von den Problemen her denken > das ist der beste Satz, den wir am besten alle in unser Leben aufnehmen sollten

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  3. Roger Hobbs

    Es geht doch nicht um’s nicht wollen…es geht um’s können. Ich kann mir keinen mindestens 86k€ teuren Tesla kaufen oder leasen (denn mal ehrlich, mit z.B. nur der Hälfte der Reichweite oder keiner Schnellladefunktion sieht so eine Reise ganz anders im Ablauf aus).
    Zumal ein solches Fahrzeug meinen Anforderungen gar nicht entspricht…wo ist also ein z.B. Ford Galaxy für die Familie? Einer der für Einkauf, Kinder und Freizeit reicht. Und bitte nicht auf die V Klasse o.ä. verweisen. Erstens falsche Gattung und zweitens auch nicht günstiger.
    Schade, ich bleibe beim Verbrenner…auch schon auf Grund der aktuellen Preisanhebung für den Strom zum Laden.

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  4. Ralf Neuhäuser

    Ich bin bekennender Fan der Elektromobilität, aber 6 Autos in 10 Jahren zu konsumieren, hat mit Nachhaltigkeit auch nicht so wirklich viel zu tun, Matthias Horx.

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    • Franz W. Rother

      Denke mal, es handelte sich um Leasingautos. Wer E-Mobile kauft, macht einen Fehler. So schafft man günstige Gebrauchte

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      • Ralf Neuhäuser

        Hej Franz, ich grüße Dich.
        Wie auch immer, es sorgt für hohe Frequenz des Konsums und geringe Lebensdauer. Und „günstig“ steht meist sowieso im Gegensatz zu Nachhaltigkeit, weil Sekundärkosten nicht berücksichtigt werden.

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        • Jürgen Baumann

          Wenn keiner kauft, mietet oder least, gehen die Preise nicht runter. Dann bleiben die Fahrzeuge was besonderes. Ich lease auch und bin eben der Eisbrecher für alle, die vorne nicht mit schwimmen wollen oder können.

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  5. Jürgen Baumann

    Cool. Danke für den Artikel!! Bin seit 2011 dabei und für mich gibt es nichts anderes mehr als Elektrofahrzeuge. Bin derzeit mit dem Kona electric unterwegs. Geht auch … 🙂

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    • Burghardt Garske

      Habe seid Ende 2019 einen Kona elektric 64. Habe ihn aus Technikbegeisterung gekauft. Sollte für lange Strecke genutzt werden.

      Nach nun 22.000 km, Corona bedingt bin ich monatelang nur wenig gefahren, bin ich restlos begeistert. Das Fahren mit Elektromotor ist einfach fantastisch, es ist leise und die Beschleunigung unerreicht. Auf langen Strecken mal 30 Minuten Ladepause zu machen, finde ich entspannend. Kostentechnisch übrigens auf Vollkostenbasis deutlich günstiger als der Verbrennen. Allein, dass man etwas mehr plant, ist etwas ungewohnt.

      Rein gefühlsmässig kann es doch nicht gut sein, ständig Öl zu verbrennen. Der Kona verbraucht im Schnitt, inkl. Winter 16,5 KWh, also das Äquivalent von ca. 1,7 Liter Diesel. Das begeistert mich.

      Die Ladesäulen sind immer frei und es werden ständig neue gebaut. Nun wurde das WEG Gesetz geändert und ich kann in unserer TG eine Wallbox installieren.

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