Der wievielte Autogipfel war das jetzt schon? Der dritte, vierte oder fünfte seit 2021? Ich habe da ein wenig den Überblick verloren. Zumal die Themen und die Teilnehmer im wesentlichen immer die gleichen waren – nur die Leiter der Gesprächsrunden wechselten. Immer ging es um Elektroautos und Verbrenner, die Antriebswende und den Klimaschutz – und die Frage, wie die deutsche Autoindustrie die Kurve kriegt.

Diesmal ging es nicht nur um eine Kurve, sondern um eine Wende. Die nicht in die Zukunft, sondern zurück auf die Strecke führen soll, auf der die Branche in den zurückliegenden 75 Jahren ordentliche Gewinne eingefahren hat. Und auf der sich die meisten Autokäufer in Deutschland ganz wohl fühlten. Man erfreute sich am sonoren Klang der Motoren und stundenlangen Fahrten ohne Tempolimit und Ladepausen. Mit dem, was hinten rauskam an Schadstoffen, beschäftigte man sich erst, als 2015 durch den Dieselskandal offenkundig wurde, welchen Schindluder manche Fahrzeughersteller jahrelang getrieben hatten, um die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einzuhalten.

Leitmarkt Deutschland?

Aber das scheinen viele hierzulande inzwischen schon wieder vergessen zu haben. Ebenso wie den Plan, Deutschland zum Leitmarkt für Elektroautos zu machen – und deutsche Autohersteller zu Leitanbietern alternativer Antriebe. Statt dessen will sich der Bundeskanzler nun in Brüssel dafür einsetzen, dass das alte Geschäftsmodell noch möglichst lange betrieben werden kann. Dass die Autohersteller mehr Zeit bekommen, „alle denkbaren neuen Technologien“ zu entwickeln, um den Ausstoß von Klimagasen zu reduzieren. Und dass die Autokäufer mehr als nur zehn Jahre für die Umgewöhnung bekommen. Was für ein Armutszeugnis. 

„Dass wir den Wandel nicht schaffen, machen wir zur selbst erfüllenden Prophezeiung, wenn wir weiter Unsicherheit schüren“, schrieb mir letzte Woche ein Leser. Recht hat er. Transformationen brauchen klare Ziele. Statt dessen wird jetzt wieder die Unsicherheit befördert – zu einem Zeitpunkt, da die Neuzulassungen von Batterieautos und Teilzeitstromern in Deutschland wieder steigen. „Das Pflänzchen wächst“, sagte mir gestern ein Ford-Manager hoffnungsfroh mit Blick auf die Auftragseingänge bei den Elektro-Transportern. Auch im Pkw-Geschäft haben die Verkäufe von Stromern kräftig angezogen. Auf Benziner und Diesel-Pkw entfielen im September nicht einmal mehr 40 Prozent der Neuzulassungen. Die überwiegende Teil der Neuwagen ist inzwischen mindestens teilelektrifiziert. 

Wie es jetzt weitergeht? Merz wird sich in Brüssel dafür einsetzen, die Jahreszahl 2035 in der „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge“ zu schleifen. Und im Finanzministerium will man sich Gedanken machen, wie Bezieher „kleiner und mittlerer Einkommen“ mit Kaufanreizen zur  Anschaffung von Elektroautos motiviert werden können. Beides wird Monate dauern, Letzteres ein neues Bürokratiemonster schaffen und obendrein Milliardensummen verschlingen. Derweil geht der Abbau von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie weiter. Ich bin daher sicher: Das war nicht der letzte Autogipfel. 

 



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