Carlo van de Weijer leitet an der Technischen Universität von Eindhoven das neugegründete „Eindhoven Artificial Intelligence Systems Institute (EAISI), das sich unter anderem mit dem Autonomen Fahren und den Möglichkeiten beschäftigt, den Verkehr und unseren Alltag mithilfe Künstlicher Intelligenz zu optimieren. Der Maschinenbauingenieur war früher unter anderem für Siemens und TomTom tätig. Heute berät der 55-Jährige Ministerien und Industrieunternehmen auf der ganzen Welt in Fragen zur Zukunft der Mobilität – und meldet sich in Kolumnen wie dieser regelmäßig zu solchen Themen zu Wort. Zusammen mit seinem Kollegen, Professor Maarten Steinbuch von der TU Eindhoven hat er zudem ein Buch über die Zukunft der Mobilität verfasst.

Carlo van de Weijer
Carlo van de Weijer
Der Ingenieur ist Direktor des Eindhoven Artificial Intelligence Systems Institute (EAISI). Foto: Privat

Jahrzehnte des Wunschdenkens über eine nachlassende Popularität des Automobils haben wenig gebracht. Der Autobesitz geht keineswegs, wie schon oft vorhergesagt, deutlich zurück, selbst unter  jungen Menschen ist er weiter populär. Gleichzeitig wird das Auto immer besser, sicherer, komfortabler und günstiger, was die Platzprobleme durch eine wachsende Zahl von Autos noch weiter verschärfen wird.

Geparkte Autos sollten eigentlich besser versteckt werden, um Wohngebiete und Innenstädte lebenswert zu halten. Und auch das fahrende Auto verbraucht immer mehr Platz, der in Ballungsräumen heute schon knapp ist. Deshalb fördern die Kommunen nach Kräften die Nutzung von platzsparenden und umweltschonenden Alternativen, von Fahrrädern und öffentlichen Verkehrsmitteln.

Doch in den neuen Mobilitätskonzepten der Stadtplaner zieht das Fahrrad gegenüber den öffentlichen Verkehrsmitteln trotzdem immer noch den Kürzeren, sowohl was die Aufmerksamkeit als auch was die Finanzmittel anbetrifft. Und das, obwohl die vorgestellte Nahverkehrpläne immer pompöser werden. Eine sinnvolle Prioritätensetzung ist das allerdings nicht – schon gar nicht, wenn das Ziel sein soll, den Autoverkehr zu reduzieren.

Radfahrer bezahlen ihr Verkehrsmittel selbst

Denn das Fahrrad ist weitaus geeigneter als der Öffentliche Personennahverkehr, die Menschen aus dem Auto zu locken. Und das zu einem viel geringeren Preis. Denn eine Fahrradinfrastruktur ist viel billiger zu schaffen und zu unterhalten. Und die Radfahrer bezahlen, pflegen und betreiben ihr eigenes Verkehrsmittel auch noch selbst.

Das Fahrrad ist viel nachhaltiger als ein Bus, eine Straßenbahn oder gar eine U-Bahn, die alle heutzutage pro Personenkilometer noch weniger energieeffizient sind und mit höheren Umweltbelastungen verbunden sind als ein modernes Elektroauto.

Wir sollten daher viel konsequenter auf das Fahrrad als Rückgrat der Mobilitätswende setzen, vor allem jetzt, wo das Fahrrad durch den Elektroantrieb eine noch größere Reichweite und ein noch größeres Publikum gewinnt. Die klassische fahrgastorientierte  Verkehrsplanung hat ausgedient – die Zukunft gehört der Planung, die das Fahrrad in den Mittelpunkt stellt.

Mit dem Fahrrad schnell durch die Stadt
Was aussieht wie ein Plan für ein städtisches U-Bahn-Netz ist der Entwurf für ein Fahrrad-Metrosystem für Eindhoven. Grafik: EAISI
Mit dem Fahrrad schnell durch die Stadt
Was aussieht wie ein Plan für ein städtisches U-Bahn-Netz ist der Entwurf für ein Fahrrad-Metrosystem für Eindhoven. Grafik: EAISI

Ich plädiere für eine „Fahrrad-Metro“, ein konsequent umgesetztes System breiter, getrennter und konfliktfreier Fahrradstraßen, die in manchen Fällen unterirdisch verlaufen oder überdacht sind. Sie sollten breit genug sein, um nicht nur Fahrräder, sondern auch Scooter, Lastenräder, Elektrorollstühle und all die anderen kleinen und effizienten Fahrzeuge aufzunehmen, die in der Zukunft noch erfunden werden.

Preiswerte Fahrrad-Metrosysteme statt teurer U-Bahnen

Man braucht für dieses System keine teuren Bahnhöfe zu errichten, denn man kann überall in das bestehende Radwegenetz einsteigen und es wieder verlassen, wo immer man möchte. Die Fahrstrecken lassen sich auch leicht einrichten, denn im Gegensatz zu den Gleistrassen benötigen Radwege keine großen Kurven oder möglichst lange gerade Strecken: Radfahrer ziehen Wege vor, die sich durch die Gegend schlängeln. Denn das ist sowohl für die Radfahrer als auch für die Fußgänger sicherer. Die Fahrradstraßen kommen ohne Ampeln aus, denn die Radler haben entweder Vorrang an Kreuzungen oder es werden Fahrradtunnel oder -brücken gebaut.

Aufgrund der geringen Höhe und des geringen Gewichts des Fahrrads sind die Tunnel und Brücken viel billiger zu bauen als solche für Autos oder Straßenbahnen. Selbst in mittelgroßen Städten sind solche Fahrradmetronetze deutlich billiger und auch viel schneller zu realisieren als der Aufbau eines großen öffentlichen Verkehrssystems auf Schienen. Außerdem ist die fahrradgestützte Alternative sicherer, platzsparender, sauberer, gesünder, leiser, flexibler, störungsfreier, freundlicher, schöner und zukunftssicherer im Vergleich zur öffentlichen Verkehrssystems. Und, schlussendlich: Vor allem ist es eine wirksamere Maßnahme zur Reduzierung des Autoverkehrs in den Städten.

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1 Kommentar

  1. Wolfgang Jander

    … und was ist im Winter, bei Regen und/oder starkem Wind und wenn es stark bergauf geht?

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