Ein Gastbeitrag von Peter Hartl, Chemicals & Energy-Experte bei der Unternehmensberatung Horváth & Partners
Wasserstoff wird zum Hoffnungsträger, denn er hat das Potenzial, bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu spielen. Vor allem als Alternative zu Erdöl und Erdgas für Raffinerien, Chemie- und Stahlunternehmen. Deren Produktionsprozesse und Produkte sind derzeit noch auf enorme Mengen fossiler, klimaschädlicher Rohstoffe angewiesen. Wasserstoff verspricht die Lösung für die Dekarbonisierung der industriellen Prozesse zu sein. Auf dem Weg in eine Zukunft ohne Treibhausgasemissionen kann grüner Wasserstoff (H2) ein wichtiger Energieträger sein. Doch ganz so einfach geht es nicht: Grünen Wasserstoff, gewonnen aus Ökostrom, gibt es viel zu wenig. Noch kann sich die Industrie nicht großflächig damit versorgen. Wie sich das ändern kann und wie die Industrie an das „grüne Gold“ kommt, dafür gibt es verschiedene Ansatzpunkte und einige wegweisende Projekte.
Nicht jeder Wasserstoff ist grün und nachhaltig. Ähnlich wie beim Strom kommt es auf die Quelle beziehungsweise die Art der Produktion an. Produzierende Unternehmen brauchen aber dringend grüne Energie und alternative Wasserstoffquellen, um CO2-neutral produzieren zu können. Dies gilt vor allem für Industriezweige mit hohem Energie- und Rohstoffbedarf, wie die Chemie- oder Stahlbranche.
Zeit für Weichenstellungen
Die Europäische Union soll bis 2050 klimaneutral sein – dazu haben sich die Staats- und Regierungschefs im Dezember 2019 bekannt. Bis 2030 will die EU ihren CO2-Ausstoß um 60 Prozent reduzieren. Als eine Maßnahme dieses Beschlusses wurde der CO2-Preis in Deutschland gerade von 10 auf 25 Euro pro Tonne ab 1. Januar 2021 erhöht. Trotz CO2-Besteuerung bleibt grauer Wasserstoff, der auf Basis fossiler Kohlenwasserstoffe hergestellt wird, zwar aktuell noch günstiger. Auf lange Sicht müssen die Unternehmen aber auf klimaneutrale Alternativen umstellen, denn der Druck, umweltschonend zu produzieren, wächst – und mit ihm das Risiko weiterer beziehungsweise höherer Besteuerungen.
Doch wie kommen die produzierenden Unternehmen nun an das „grüne Gold“? Um das Potenzial nutzen zu können, müssen sie schon heute die richtigen Weichen stellen und sich selbst um Quellen und Produktionswege kümmern. Eine Lösung ist die Schaffung und Beteiligung an einem „Wasserstoff-Ökosystem“, das aus Energielieferant, Umwandler und Abnehmer besteht und ökonomische sowie ökologische Interessen miteinander verbindet.
Regionale Wasserstoff-Ökosysteme
Eines der ersten Ökosysteme dieser Art ist das Projekt „Reallabor Westküste 100“ an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste im Landkreis Dithmarschen – einer prädestinierten Region mit hohem Windaufkommen. Hier sind Stromerzeuger, Technologieanbieter, eine Raffinerie und ein Zementwerk unter Mitwirkung der Region eine Allianz eingegangen – mit dem Ziel, gemeinsam Strom aus einem Windpark mittels Elektrolyse in grünen Wasserstoff und das Nebenprodukt Sauerstoff umzuwandeln und anschließend in die jeweiligen Produktionsanlagen zu transportieren.
Die Raffinerie verarbeitet dann den grünen Wasserstoff, der Sauerstoff wird in das Zementwerk eingespeist, womit die Stickoxid-Emissionen (NOx) des Werks deutlich reduziert werden. Das bei der Zementproduktion entstehende CO2 wird wiederum zusammen mit grünem Wasserstoff zu synthetischem Kerosin weiterverarbeitet, welches am Flughafen Hamburg hilft, den CO2 Ausstoß der Flugzeuge zu senken. Das Ökosystem kann somit auch abseits der Allianz weiter vernetzt werden.
Import ist noch alternativlos
Noch sind Ökosysteme wie „Westküste 100“ allerdings im Projektstadium. Vorerst und auf absehbare Zeit kann grüner Wasserstoff in Deutschland nicht konkurrenzfähig produziert werden – zumindest nicht in dem Maße, in dem er von der hiesigen Industrie benötigt wird. Denn die Menge an erneuerbar produziertem Strom ist zu begrenzt. Daher wird der Import von Wasserstoff als Alternative auch auf Dauer eine wichtige Rolle spielen. Und zwar nicht nur von grünem Wasserstoff, sondern auch von Mischformen. Sowohl zum aktuellen Zeitpunkt als auch mittelfristig sind die Voraussetzungen für eine vollständige Umstellung auf grünen Wasserstoff noch nicht gegeben. Unternehmen sollten in ihren Bezugsstrategien mehrgleisig fahren und temporär auch Wasserstoffquellen nutzen, die nicht hundertprozentig klimaneutral sind.
Erdgas-Fernleitungen nutzen
Eine Option ist der Import von Wasserstoff aus Strom von Photovoltaik-Anlagen in Südeuropa und Nordafrika. Nach Deutschland könnte der Wasserstoff aus dem Süden durch bestehende Erdgas-Fernleitungen transportiert werden. Im Rahmen der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung wurde bereits eine strategische Partnerschaft mit Marokko geschlossen. Marokko und andere nordafrikanische Staaten können aufgrund ihrer starken Sonneneinstrahlung heute schon günstige Strompreise von vier Cent pro Kilowattstunde (kWh) anbieten und bis zum Jahr 2050 womöglich sogar nur noch zwei Cent pro kWh erreichen.
Alternativ zum Pipeline-Transport besteht die Möglichkeit, grünen Wasserstoff zum leichteren Transport in grünen Ammoniak und Methanol weiterzuverarbeiten. Die hohe Energiedichte im Vergleich zu gasförmigem Wasserstoff ermöglicht einen wirtschaftlichen Transport via Schiff. Beide Produkte können dann hier als Rohstoff für die Industrie oder auch direkt als alternativer Kraftstoff für Motoren, zum Beispiel in der Schifffahrt, genutzt werden. Damit können auch Regionen, die von Deutschland weiter entfernt sind, wie zum Beispiel der mittlere Osten oder Südamerika, für uns zum Lieferant klimaneutraler Energie werden.
Wasserstoff aus Erdgas als Brückenlösung
Auch beim Import von grünem Wasserstoff ist der Mangel an grünen Energiequellen ein Problem. Wasserstoff in großen Mengen und unabhängig von erneuerbaren Energiequellen produzieren – diese Möglichkeit bietet heute schon dekarbonisierter Wasserstoff, der auf Basis von Erdgas hergestellt wird. Dabei wird der klimaschädliche Kohlenstoffanteil des Erdgases der Atmosphäre dauerhaft entzogen. Es gibt dabei zwei Verfahren: Beim so genannten „blauen“ Wasserstoff wird das Kohlenstoffdioxid des Erdgases im Dampfreformationsverfahrenvom Wasserstoffanteil getrennt und unterirdisch dort gespeichert, wo vorher der fossile Energieträger gefördert wurde. Beim „türkisen“ Wasserstoff wird Erdgas thermisch gespalten und der Kohlenstoff in fester Form abgeschieden. Wird dieser anschließend dauerhaft gebunden, zum Beispiel als Werkstoff, kann auch dieses Verfahren als CO2-neutral angesehen werden.
Internationale Partnerschaften sind nötig
Das Potenzial von klimaneutralem Wasserstoff für die Dekarbonisierung der Industrie ist unbestritten groß. Viele Fragen rund um Produktion, Import und Transport des „grünen Golds“ sind aber noch ungeklärt. Dazu benötigt es stabile, länderübergreifende Partnerschaften und eine funktionierende Wasserstoff-Infrastruktur. Die Unternehmen sollten auf die Politik einwirken, die Infrastruktur sukzessiv aufzubauen, so dass sich die Industrie langfristig vollständig mit klimaneutralem Wasserstoff versorgen kann.
Die Umsetzung der Energiewende in energieintensiven Unternehmen wie Raffinerien sowie der Chemie- und Stahlindustrie kann nur mit klimaneutralem Wasserstoff gelingen. Der Aufbau einer erfolgreichen Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist ein Kraftakt, der nur durch gemeinsame Anstrengungen von Industrie und Gesellschaft gelingen kann. Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette von klimaneutralem Wasserstoff können zumindest heute schon umfangreiche Fördertöpfe in Anspruch nehmen. Die Kunst dabei ist es natürlich, die verschiedenen, auch internationalen Förderprogramme zu kennen, zu kombinieren und die für die Antragstellung benötigten Konzepte „sauber“ aufzustellen.
Wasserstoff ist tatsächlich einer der interessantesten Rohstoffe der Zukunft. Da man Wasserstoff ja 1:1 in Energie übertragen kann dürfte der Preis sich sehr stark nach dem Strompreis richten. Ich habe jetzt schon einige Firmen im Blick, die momentan die Wasserstoff-Technologie voran bringen wollen, obwohl ich zur Zeit eigentlich weniger an Aktien interessiert bin. Bis sich die Corona-Lage wieder stabilisiert hat vertraue ich den Märkten nicht und vertraue lieber auf Gold und Silber. Auch die Gold-Silber Ratio (https://www.gold-preisvergleich.de/gold-silber-ratio/) ist für mich sehr interessant, da diese in Krisen meist auseinander geht und man diese unter Hebeleinwirkung auch gut ausnutzen kann. Aber ja ich denke nächstes Frühjahr kommt die ein oder andere Wasserstoffaktie ins Depot.
Zur Bindung von Kohlenstoff als türkiser Wasserstoff frage ich mich welche Verwendung als Werkstoff da in Frage kommen soll. Damit die Speicherung dauerhaft ist, müsste es eine Verwendung sein, die dauerhaft über mehrere Jahrzehnte bestehen bleibt und nicht doch wieder in die thermische Verwertung überführt wird. Mehrere Jahrzehnte reicht auch nur solange türkiser Wasserstoff eine kleine Nische ist, ansonsten müsste die Speicherung Jahrhunderte halten.
Gibt es da konkrete Verwendungsideen, die in entsprechendem Maße dauerhaft sind?
Außerdem müsste das ganze überwacht werden, d.h. nur bestimmte Verwendungen zugelassen werden, wenn das ganze als türkiser Wasserstoff vermarktet werden soll. Da sind noch eine organisatorische neben den technischen Fragen zu lösen.