Nun ist es also höchstrichterlich verkündet: Dieselfahrverbote in besonders belasteten Städten sind rechtens. Diese Entscheidung wird sicherlich mehr und mehr Autofahrer ins Grübeln bringen: Ist ein Elektroauto heute schon für mich die richtige Wahl? Wie relevant sind für mich die häufig genannten Argumente gegen Elektroautos wie zu geringe Reichweite, mangelhafte Infrastruktur und zu hohe Preise?

Heute werde ich mich hier auf das Thema Reichweite konzentrieren, nachdem ich mich bereits in meinem vorherigen Beitrag mit der Frage beschäftigt habe, ob Autofahrer unter ökologischen Gesichtspunkten jetzt einen neuen Diesel oder ein Elektrofahrzeug anschaffen sollten.

Die Deutschen fahren pro Tag im Schnitt weniger als 50 Kilometer

Natürlich ist ein Fahrzeugkauf eine sehr individuelle Angelegenheit und eine emotionale noch dazu. Neben rein ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten spielen natürlich auch Dinge wie Marke, Design oder Status eine Rolle. Und beim E-Auto kommt natürlich noch die berühmte Reichweitenangst hinzu. Bevor wir zu den persönlichen Kriterien kommen, will ich jedoch erst einmal ein paar Zahlen und Fakten diskutieren.

Rein statistisch gesehen betragen die mit dem Auto pro Tag in Deutschland zurückgelegten Entfernungen im Durchschnitt 41 Kilometer. Pro einzelner Fahrt sind es im Schnitt sogar nur 12 km. Auch die Pendlerstatistik zeigt, dass nur 20 Prozent der Arbeitnehmer weiter als 25 km zur Arbeitsstätte zurücklegen. Gibt es beim Arbeitgeber oder an Zielen wie Einkaufszentren oder Freizeiteinrichtungen, die der Fahrer regelmäßig ansteuert, Lademöglichkeiten, spielt die Reichweite des eigenen Fahrzeugs keine Rolle mehr. Und auch ein Ladeanschluss zuhause ist dann nicht mehr zwingend notwendig.

Die Reichweiten der E-Autos steigen

Zugegeben, die ersten Elektrofahrzeuge waren schon eher etwas für Liebhaber und Pioniere: In der Regel lag deren Reichweite meist bei gerade einmal maximal 150 km, im Alltag oft sogar unter 100 km, z. B. im Winter. Fahrten mit diesen Modellen erforderten eine gute Planung und hohe Frustrationstoleranz und zusätzlichen Zeitaufwand, etwa wenn ein unerwartetes Ereignis zu Umwegen zwang und dann angesichts begrenzter Ladeinfrastruktur kaum Lademöglichkeiten zu finden waren.

Einzig Tesla bietet mit dem Model S seit 2012 ein Elektroauto, mit dem der Besitzer ohne Weiteres von der Nordsee an die Alpen fahren kann: Die kleinste Variante schafft 400 km, die reichweitenstärkste sogar bis zu 632 km (nach europäischer Norm NEFZ) – erkauft durch große, schwere Akkus mit bis zu 100 Kilowattstunden (kWh) Kapazität, einem hohen spezifischen Energieverbrauch von 18,9 kWh/100 km – und dem stolzen Kaufpreis von leicht mehr als 100.000 Euro. Ein flächendeckendes Netz von Superchargern erlaubt dafür aber ein schnelles Aufladen auf längeren Fahrten in 30 Minuten auf 80 Prozent der Kapazität. So werden Touren quer durch die Republik möglich.

Der technische Fortschritt der vergangenen Jahre war aber enorm. So bietet beispielsweise Renault im neuen Zoe Z.E.40 seit 2017 mit 400 km nahezu doppelt so viel Reichweite wie im Vorgängermodell mit 240 km und das ganz ohne räumliche Einschränkungen im Innen- oder Kofferraum.

Das Modellangebot der Hersteller ist ebenfalls deutlich gestiegen. Weltweit sind mehr als 150 Modelle verfügbar, ab 2019 sollen es über 200 Modelle sein. Das Spektrum reicht dann vom City-EV über kleine Vans und Transporter, Klein- und Kompaktwagen bis hin zu Limousinen, Sportwagen und SUVs. Reichweiten von 150 km bis hin zu weit über 600 km nach Normzyklen oder über 350 km unter realen Bedingungen werden abgedeckt.

Der Kunde hat also die Wahl. Im Kompaktwagensegment werden Fahrzeuge mit Reichweiten von 200 bis über 500 km Reichweite angeboten. Limousinen und SUVs decken mit entsprechend größeren Batterien 400 bis über 600 km ab. Vermutlich werden viele Käufer zunächst zu den höheren Reichweiten tendieren, allein um auf der sicheren Seite zu sein. Ich gehe aber davon aus, dass sich bereits mit der nächsten Generation Elektroautos viele Kunden die Fahrzeuge spezifischer nach ihren Bedürfnissen auswählen werden.

Schon ökologisch ist es sinnvoll, nur mit so viel Batteriekapazität und damit Gewicht und Reichweite an Bord zu fahren, wie unbedingt notwendig. Und ökonomisch gilt das erst recht, da die Batterie das teuerste Bauteil im Gesamtfahrzeug ist.

Die Reichweiten von Kleinwagen und Transportern liegen noch bei 200 bis 300 km Reichweite. Und dies ist auch für viele insbesondere gewerbliche Anwendungen ausreichend.

Für Pendler und Unternehmen lohnen sich Elektrofahrzeuge häufig heute schon

Nun also zu den individuellen Aspekten der erforderlichen Reichweite. Wie schon anhand der Pendlerstatistik gezeigt, lassen sich die üblichen täglichen Fahrten mit Elektroautos bestreiten, selbst wenn deren Reichweite unter der eines herkömmlichen Verbrenners liegt. Wenn dazu noch die Möglichkeit besteht, regelmäßig und unkompliziert zuhause zu laden oder auch beim Arbeitgeber, spricht nichts mehr gegen den umweltfreundlichen Antrieb.

Im privaten Umfeld stößt man dann erst bei Wochenendausflügen und Urlaubsfahrten an die Grenzen der Technik. Für Familien mit Zweitwagen – immerhin 34 Prozent aller Haushalte – kein Problem, wenn noch ein konventionelles Fahrzeug zur Verfügung steht.

Darüber hinaus machen viele Autohersteller beim E-Autokauf attraktive Angebote, um bei Bedarf Fahrzeuge für größere Transporte, längere Urlaubsfahrten oder eine Cabrio-Spritztour auszuleihen. Häufig sind sie sogar im Preis enthalten.
Auch und gerade für gewerbliche Zwecke sind Elektrofahrzeuge häufig gut geeignet, da oft die Routen bekannt sind und zum Teil regelmäßig wiederkehrende Strecken gefahren werden.

Streetscooter zeigt wie es geht

Bekanntestes Beispiel dafür ist die Paketzustellung: Die Deutsche Post DHL hat verschiedenste Modelle gründlich erprobt und lange mit dem aus einer Forschungsinitiative entstandenen Aachener Start-up StreetScooter zusammengearbeitet. Schließlich hat der Konzern das Unternehmen 2014 kurzerhand übernommen. Im November 2017 wurde ein Meilenstein mit 5000 im Einsatz befindlichen Elektrofahrzeugen erreicht. Die Modelle haben nominell 113 bis 232 km Reichweite und sind auf den Anwendungszweck ausgelegt mit einem Fokus auf Robustheit im Alltag und Zuladung.

Ein modifiziertes Modell kommt ab 2018 für Bäcker Schüren aus dem rheinischen Hilden und Mitglieder seiner eigens gegründeten Selbsthilfegruppe und Einkaufsgemeinschaft zum Einsatz: der BV1 E-Transporter in der Sprinterklasse, „von Bäckereien für Bäckereien entwickelt“.
Aber es muss nicht immer ein branchenspezifisches Angebot sein. Auch mit Serienfahrzeugen lassen sich Elektromobile in gewerblichen Flotten wirtschaftlich einsetzen, beispielsweise bei Pflege- und Lieferdiensten, Handwerkern oder in städtischen Betrieben.

Eine Online-Befragung durch die Begleit- und Wirkungsforschung des Schaufensters Elektromobilität (PDF), einer Initiative der Bundesregierung, ergab, dass die Teilnehmer insbesondere „Back-to-Base-Fahrten“ als sehr geeignet für Elektrofahrzeuge ansehen. Das heißt, die Elektrofahrzeuge kommen nach dem Einsatz an einen bestimmten Ort zurück, an dem sie (nach)geladen werden können.

Elektromobilität wird im Alltag schnell etwas Normales

Erfahrungsgemäß dauert es keine zwei Wochen regelmäßiger Nutzung, bis der Besitzer ein neues Elektroauto gut kennt. Dann gewinnt er meist Vertrauen und Gelassenheit, was die eigenen Bedürfnisse, den Fahrstil, den entsprechenden Energieverbrauch und die verfügbare Reichweite angeht.

Und bereits nach kurzer Zeit lädt der Fahrer die Batterie nicht mehr jeden Tag voll auf, sondern nur noch ein- oder zweimal in der Woche. Und schnell wird das Fahren mit dem Elektroauto zur Normalität. Es ist sogar so, dass die meisten nach der Eingewöhnung nicht mehr zurück möchten zum Verbrenner.

Und wenn jemand doch eher stark variierende Strecken fährt und größere Entfernungen zurücklegen muss, so ist vielleicht ein Plug-In-Hybrid-Modell eine gute Wahl. Wir haben ja gesehen, dass vielfach 50 km elektrische Reichweite für den täglichen Bedarf ausreichen, und darauf sind die aktuellen Plug-In-Hybrid-Angebote ausgelegt.

Mein Fazit: einfach mal ausprobieren!

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