Die Berg-Brauerei in Ehingen nutzt die Abwärme aus dem Sudhaus zum Heizen, das örtliche Möbelhaus produziert mit Photovoltaik-Anlagen auf seinen Gebäuden eine Million Kilowattstunden Sonnenstrom im Jahr. Und das Papierwerk Sappi speist jährlich 95.000 Megawattstunden Ökostrom aus dem hauseigenen Kraftwerk ins Netz: In der Kleinstadt Ehingen an der Donau wird der Umweltschutz schon seit Jahren groß geschrieben. 2012 hat sich die Landgemeinde zur Nachhaltigkeit verpflichtet und das Ziel ausgegeben, bis 2025 den Energiegieverbrauch um 25 Prozent und die CO2-Emissionen um 32 Prozent zu senken.
Hilfestellung bei dem hehren Ziel leisten seit vergangener Woche auch der Energieversorger EnBW und das Berliner Startup Bridgemaker mit einem klimafreundlichen wie zukunftsweisenden Mobilitätskonzept: Die beiden Unternehmen stellen den rund 25.000 Einwohnern von Ehingen im Rahmen eines Pilotprojekts zwei Elektroautos vom Typ Renault Zoe zur Verfügung. Für zunächst neun Monate können diese über eine Smartphone-App und gegen eine Pauschale von 45 Euro pro Tag oder sechs Euro die Stunde gemietet werden können, um Besorgungen zu unternehmen oder Ausflüge in das nahegelegene Biosphärenreservat Schwäbische Alp zu unternehmen. In den Elektroautos liegen Ladekarten von EnBW, über die unterwegs kostenlos Strom nachgetankt werden kann. Im Sommer sollen unter dem Dach des Mobility-Sharing-Service von „twist“ auch noch E-Scooter von Vässla angeboten werden – für 25 Euro am Tag oder 10 Cent pro Minute Fahrtzeit.
Hohe Fahrzeugdichte auf dem Land
Die Fahrzeuge verfügen über feste Stellplätze vor dem Landratsamt, was – im Unterschied zu so genannten Free-Floating-Konzepten wie Share Now – ihre Wartung erleichtert und damit Kosten senkt. Dazu hat EnBW eigens eine Ladestation errichtet – es ist immerhin schon die zweite im Stadtgebiet.
Der Energieversorger, der zu den Treibern der Elektromobilität in Baden-Württemberg zählt, will das Pilotprojekt dazu nutzen, um neue Erkenntnisse über das Mobilitätsverhalten von Menschen im ländlichen Raum zu erfahren. Während in den Großstädten die Fahrzeugdichte langsam zurückgeht – nach Angaben des Umweltbundesamtes verfügen dort nur noch 568 von 1000 Einwohnern über ein eigenes Auto – ist in den Kleinstädten auf dem Land des eigene Auto immer noch Transportmittel Nummer ein: Die meisten Haushalte dort verfügen mindestens über ein Auto, viele auch über zwei. Und 95 Prozent der täglichen Wege werden damit zurückgelegt.
Entsprechend groß ist das Interesse bei der EnBW und ihrer Tochtergesellschaft Netze Baden-Württemberg an der Resonanz, das das Projekt in Ehingen findet. Wie viele Menschen nutzen das Angebot, zu welchen Tageszeiten und für welche Fahrten? Die anonymisierten Nutzerdaten sollen darüber Anfang kommenden Jahres Auskunft geben. „Die Erfahrungen aus Ehingen dienen als Grundlage, um später weiteren Städten und Gemeinden solche Angebote machen zu können“, sagte Thomas Stäbler, Leiter des Regionalzentrums Oberschwaben der Netze BW beim Start des Projekts.
Aber auch im Rathaus von Ehingen ist die Neugierde groß. „Als nachhaltige Stadt geht es uns natürlich auch um intelligente Lösungen für eine zukunftsfähige und umweltbewusste Mobilität““, sagte Oberbürgermeister Alexander Baumann (CDU) . Mit den Fahrzeugen von „Twist“ werde, so die Hoffnung, die Stadtverwaltung einiges über die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung erfahren. Zudem könne man ohne großes Risiko den Einstieg in ein kommunales Carsharing ausprobieren. Und ganz nebenbei erfahren die Bewohner von Ehingen auch, was moderne Elektroautos inzwischen leisten können – und wie viel Fahrspaß die Stromer im ländlichen Raum bereiten können.