Die Idee klingt relativ simpel: Tonnenschwere Gewichte sausen bis zu 1500 Meter tief in alte Bergwerksschächte hinab und erzeugen dabei über Generatoren elektrischen Strom. Der stabilisiert blitzschnell die Energienetze, wenn der Verbrauch schneller steigt als die Kraftwerke gerade frische Elektronen liefern können. Produzieren dagegen Windräder oder Solaranlagen mehr Strom als benötigt, ziehen Elektromotoren die Gewichte wieder aus der Tiefe nach oben. Die nächste Runde kann beginnen.

Auf dem Weg, diese Vision zu verwirklichen, ist jetzt das Startup Gravitricity einen Schritt weitergekommen. Es wird ab Oktober auf dem Gelände des Tiefseehafens Leith, der zu Edinburgh gehört, eine Demonstratoranlage errichten – allerdings noch oberirdisch. Dazu bauen die Techniker einen 16 Meter hohen Turm, an dem zwei je 25 Tonnen schwere Gewichte an Stahlseilen hängen. Sie sollen bis zu 250 Kilowatt leisten.

Ab Dezember sollen die ersten Tests starten, bei denen die Gravitricity-Leute anfangs beide Gewichte gleichzeitig herabstürzen lassen, um die Reaktionsgeschwindigkeit der Anlage zu überprüfen. Sie hoffen, innerhalb von weniger als einer Sekunde die volle Leistung liefern zu können. Anschließend wollen sie die Gewichte abwechselnd bewegen, um zu erproben, ob das System über längere Zeiträume kontinuierlich Strom erzeugen kann.

Beides ist wichtig, um die Stromnetze kurz und mittelfristig zu stabilisieren. Denn durch die wachsenden Anteile von Wind- und Sonnenenergie drohen auch die Schwankungen in den Netzen zu steigen. Denn es lässt sich – trotz ausgefeilter Wetterprognosen – nicht immer punktgenau vorhersagen, wann der Wind kräftig pustet und die Sonne intensiv scheint. Was wiederum in Zeiten passieren kann, zu denen Haushalte und Industrie gerade wenig Energie nachfragen. Statt Strom dann an der Börse zu verschenken oder die Anlagen abzuregeln, haben Startups, Forscher und Versorger unterschiedlichste Systeme entwickelt, die Energie zu speichern. Das können große Anlagen mit ausgedienten Lithiumionen-Akkus etwa aus Elektroautos sein, oder solche, die die Gravitation nutzen: als Hubspeicherkraftwerke, die mit schweren Massen arbeiten, oder auch als Pumpspeicherkraftwerke, die Wasser in höher gelegene Reservoirs leiten. Letztere gibt es bereits seit Jahrzehnten in ganz Deutschland, von Geesthacht in Schleswig-Holstein bis Leitzach in Bayern.

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Erst mal oberirdisch

Computerskizze der Testanlage von Gravitricity, die das schottische Startup im Hafen von Edinburgh errichten wird. Foto: Gravitricity

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Eine Art Hubkolben-Maschine

Im Energiespeicher des deutschen Unternehmens Gravity Energy drückt ein schwerer Kolben auf eine Wassersäule. Bei Strombedarf treibt das unter Druck stehende Wasser eine Turbine an. Bei Stromüberschuss wird Wasser in die Röhre gepumpt und der Kolben nach oben gedrückt. Quelle: Gravity Energy

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Jenga für die Energiewende

Der Turm der Schweizer Firma Energy Vault erinnert ein wenig an das Geschicklichkeitsspiel Jenga: Kranausleger lassen die Betonklötze herab, sobald der Strombedarf steigt. Bei Stromüberschuss stapeln sie die Kästen wieder aufeinander. Simulation: Energy Vault

In Bayern fehlt das Geld

Hubspeicher sind dagegen bisher kaum über den Prototypenstatus hinauskommen. Was an der aufwändigeren und damit teureren Technik liegen mag. Aber immerhin soll der Markt für stationäre Speicher (allerdings meist Akkus) bis 2023 auf 30 Milliarden Dollar anwachsen. Von diesen Umsätzen will Gravitricity etwas abhaben. In der Endausbaustufe soll das schottische System alte Bergwerke nutzen, in denen das Startup Gewichte von 500 bis 5000 Tonnen an Seilen bewegen will. Damit erwartet das Unternehmen Spitzenleistungen von 1 bis 20 Megawatt liefern zu können, und zwar in einem Zeitraum von 15 Minuten bis 8 Stunden. Und das 25 und mehr Jahre lang.

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Sollte sich die Technik mit dem jetzt geplanten Prototypen bewähren, soll eine 4-MW-Anlage 2021 folgen. Immerhin hat das Startup vom staatlichen Innovate UK-Programm 640.000 britische Pfund (rund 725.000 Euro) für den Demonstrator erhalten, weitere 300.000 Pfund für Machbarkeitsstudien in Südafrika. Zusätzlich 750.000 Pfund brachte eine Crowdfunding-Kampagne ein.

Von diesen Summen kann Bolko Reichhelm, Vorstand der deutschen Gravity Energy AG nur träumen. Er hat Technik der US-Firmen Gravity Power und Launchpoint Technologies lizensiert und will sie auf dem Gelände der Stadtwerke im oberbayrischen Weilheim erproben. Auch dieses Unternehmen will Schächte nutzen, in denen es mächtige wassergefüllte Rohre installiert. Darin befindet sich ein tausende Tonnen schwerer Kolben, den das Wasser bei Energieüberschuss nach oben drückt, in dem es von unten in das System gepumpt wird. Bei Energiebedarf öffnen sich die Ventile. Der Kolben drück durch die Schwerkraft das Wasser nach unten, das dabei eine Turbine samt Generator antreibt – und Strom erzeugt.

Mangels Finanzierung sind die Arbeiten in Weilheim allerdings bisher nicht über Erkundungsbohrungen hinausgekommen. Vorstand Reichhelm fühlt sich, so sagt er gegenüber EDISON, von der Politik alleingelassen, die aus seiner Sicht die Bedeutung der Speichertechnik für die Energiewende noch nicht erkannt habe.

Turm aus Betonklötzen

Mit einem ganz anderem Geldpolster kann das Schweizer Unternehmen Energy Vault arbeiten. Es hat vergangenes Jahr 110 Millionen Dollar vom Vision Fund des japanischen Telekomkonzerns SoftBank erhalten. Die Eidgenossen wollen einen riesigen, 120 Meter hohen Turm aus 35 Tonnen schweren Bausteinen errichten. Der 35 Megawattstunden Energie speichern soll. Ein mächtiger Kran mit mehreren Auslegern soll die Klötze auf und ab bewegen – je nachdem wie der Energiebedarf im Stromnetz ist. Mit modernster Bilderkennungssoftware überwacht und vollautonom gesteuert. Und die Kosten pro Kilowattstunde Strom soll auf einem vergleichbaren Niveau wie bei einem fossilen Kraftwerk liegen, verspricht CEO Robert Piconi. Eine erste Demonstrationsanlage mit 60 Metern Höhe soll in der Tessiner Gemeinde Arbedo-Castione entstehen.

Die Chancen für eine Verwirklung stehen nicht schlecht, weil Energy Vault bereits den indischen Mischkonzern Tata und den mexikanischen Zementhersteller Cemex als Industriepartner hat gewinnen können.

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1 Kommentar

  1. Egon Meier

    Ganz tolle Idee!!
    Und wer betreibt die Wasserpumpen und liefert die energie, die man benötigt um 1500 meter Schacht wasserfrei zu halten?
    Das ganze ist interessant wenn man ein Bergwerk auf einem 1500 m hohen Berg hat. Und ein paar andere Randbedingungen müssen auch passen.

    Wieder so eine Schnapsidee – wie der Druckluftspeicher.
    Fördermilliarden abgreifen und dann merken dass elementare Voraussetzungen fehlen.

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