Die Debatte um das Verbrenner-Aus hat der Suche nach alternativen Kraftstoffen neue Dringlichkeit verliehen. Letztlich hat die EU zwar fossile Kraftstoffe verboten, aber auf Druck von Deutschland den Weg für CO2-neutral produzierte E-Fuels frei gemacht. Denn für viele Anwendungsszenarien sind Verbrennermotoren immer noch die leistungsfähigere Lösung. Studien zeigen, dass neben Strom und Wasserstoff auch synthetische Treibstoffe die Möglichkeit bieten, Lastfahrzeuge, aber auch Schiffe und Flugzeuge klimafreundlich zu betreiben. Besonders die so genannten E-Fuels, zu deren Herstellung grüner Strom genutzt wird, können dazu beitragen, den Verkehr klimaverträglicher zu machen. Dabei haben die Wissenschaftler speziell nachhaltig produziertes Methanol im Blick.
„Uthörn“ fährt mit Methanol
In Bremerhaven hat im Januar ein Vorhaben begonnen, Methanol in Schiffsdieseln einzusetzen. „MariSynFuel“ soll zu einer Produktionsanlage für grünes Methanol führen, das dann das neue Forschungsschiff „Uthörn“ des Alfred-Wegener-Insituts antreiben wird. Als Grundlage für die Methanol-Herstellung dienen grüner Wasserstoff und aus der Luft entnommenes Kohlendioxid. Einmal fertiggestellt, soll die Anlage 500 Kilogramm Methanol pro Tag liefern. Die Wahl fiel auf Methanol, weil es viele Vorteile bietet.
„Der Stoff ist in der Handhabung direkt vergleichbar mit Benzin“, erläutert Nils Meyer-Larsen, der „MariSynFuel“ beim Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremerhaven betreut. „Methanol muss nicht gekühlt werden und ist nicht giftig“, argumentiert er. Bei Unfällen drohen also keine gravierenden Umweltschäden. Im Gegenteil: Methanol ist biologisch abbaubar. Zudem verbrennt der synthetische Sprit mit deutlich weniger Stickoxiden als herkömmliche Kraftstoffe und produziert auch weniger Rußpartikel als fossiler Diesel. Die Produktion in Bremerhaven ist in Summe CO2-neutral. Das heißt, das CO2 wird aus der Luft entnommen, verarbeitet und erst beim Verbrauch wieder freigesetzt.
Methanol-Produktion startet 2025
Die „Uthörn“ wurde speziell für den Betrieb mit Methanol ausgerüstet. So erhielt sie zwei für den neuen Treibstoff optimierte Schiffsdiesel. Getauft wurde das neue Forschungsschiff im November 2022. Aktuell ist es in der Endausrüstung und soll im Juli 2023 in Betrieb gehen. Das Schiff hat eine fünfköpfige Besatzung und bietet Platz für bis zu 30 Wissenschaftler mit ihren Ausrüstungen. Die „Uthörn“ soll wie ihr gleichnamiger Vorgänger zu Tagesfahrten auf Nord- und Ostsee unterwegs sein. Allerdings ist die Methanol-Produktionsanlage erst 2025 fertig. Der Betrieb der „Uthörn“ soll dann weitere Daten über den Einsatz von Methanol in der Seefahrt liefern. Bei „MariSynFuel“ arbeiten das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, das Technologie-Transferzentrum Bremerhaven, das Alfred-Wegener-Institut sowie Unternehmen aus der Tanklogistik und die Reederei Laeisz zusammen.
Versuchsanlage zur nachhaltigen Methanol-Herstellung
Dagegen untersuchte das Projekt Namosyn der DECHEMA (Deutsche Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e. V.) geeignete Kraftstoffe für den Straßenverkehr. NAMOSYN steht für „Nachhaltige Mobilität durch synthetische Kraftstoffe“. Die Verantwortlichen wollten wissen, wie man Otto- und Dieselmotoren CO 2-neutrale betreiben kann und welche Kraftstoffe sich dafür eignen. Dabei untersuchten sie speziell Kraftstoffe, die auf Basis von grünem Methanol hergestellt werden.
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg hatten bereits früher untersucht, wie Methanol und in weiteren Schritten hergestellte Oxymethylenester (OMEs) mit sehr geringem CO 2-Fußabdruck produziert werden kann. Am Institut entstand dafür eigens eine Produktionsanlage, mit der synthetisches Methanol und OMEs hergestellt werden.
Grundsätzlich gibt es zwei Wege, synthetisches Methanol zu produzieren. Die Methanol-Synthese ist der einfachere Weg. Dabei wird Methanol aus Kohlendioxid oder Kohlenmonoxid sowie Wasserstoff erzeugt. Es kann danach direkt genutzt oder in einem weiteren Verarbeitungsschritt in synthetische Kraftstoffe wie Diesel, Kerosin oder Benzin verwandelt werden. Bei der Fischer-Tropsch-Synthese ist die Herstellung komplexer. Es entsteht zunächst ein Roh-Kraftstoff, der dann weiter raffiniert wird. Aber auch mit diesem Verfahren lassen sich verhältnismäßig sauber verbrennende Kraftstoffe produzieren.
Flüssiges Methanol gut zu transportieren
In jedem Fall ist das Ergebnis ein nachhaltiger Kraftstoff, der obendrein zur bestehenden Infrastruktur passt. „Es entsteht flüssiges Methanol, dass sich gut lagern und transportieren lässt“, sagt Achim Schaadt, der beim Fraunhofer ISE für Entwicklung und Betrieb der Versuchsanlage zuständig ist. Dabei dient das OME als Dieselersatz. Es hat den Vorteil, bei der Verbrennung kaum Russpartikel freizusetzen. Allerdings ist die Energiedichte nur halb so groß wie beim konventionellen Diesel.
Die Produktionsanlage erfüllt alle Erwartungen. Im nächsten Schritt suchen die Forscher jetzt nach Lösungen für eine größere Anlage. Auf längere Sicht sollen Methanol und OMEs im industriellen Maßstab produziert werden. Schaadt sieht einen großen und in der Tendenz steigenden Bedarf an Methanol. „Zur Zeit werden weltweit rund 100 Millionen Tonnen Methanol produziert“, sagt er. Das wird nicht nur im Verkehrswesen gebraucht, sondern auch in der chemischen Industrie. E-Fuels haben laut Schaadt auch den Vorteil, dass man die bestehende Verteilungsstruktur nutzen kann. Ebenso lassen sich alle Antriebstechnologien von heute CO2-neutral machen.
Große Potentiale im Mittleren Osten
Allerdings müsste auch ein großer Teil des hierzulande benötigten Methanols und der davon abgeleitete E-Fuels importiert werden. Denn Grundlage für die Herstellung dieser E-Fuels wäre grüner Strom aus Photovoltaik oder Windkraft. Nach Schaadts Einschätzung reicht aber die Fläche, die dafür in Deutschland zur Verfügung steht, nicht aus. „Wir plädieren dafür, dass wir mindestens zwei Drittel des Methanols importieren“, sagt er.
Und tatsächlich eignen sich Länder in südlichen Breiten besser dazu, mit Hilfe erneuerbarer Energien E-Fuels zu produzieren. Hier bieten die derzeitigen Ölförderländer einen Ausweg. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat Ende vergangenen Jahres in einer Studie aufgezeigt, dass gerade die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas hier weiter eine entscheidende Rolle als Energielieferanten spielen könnten. Die Studie „MENAfuels“ des DLR-Instituts für Vernetzte Energiesysteme weist nach, dass Länder wie Algerien, Ägypten oder auch Saudi-Arabien Europa sowohl mit Wasserstoff als auch mit synthetischen Kraftstoffen versorgen könnten. Das gilt selbst dann, wenn man den Eigenbedarf dieser Länder für deren komplette Umstellung auf erneuerbare Energien abzieht.
Preise um die zwei Euro pro Liter
So prognostiziert die Studie für 2030 Gestehungskosten für synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien für 1,92 und 2,65 Euro pro Liter. Die Autoren der Studie erwarten selbst bei schwierigen Investitionsbedingungen für das Jahr 2050 ein Exportpotential von rund 28.000 Terawattstunden. Bei optimalen Bedingungen wäre sogar ungefähr die doppelte Menge möglich. Jedoch räumt auch die Studie ein, dass die politische Situation in vielen dieser Länder instabil oder unberechenbar ist. Der Aufbau einer Infrastruktur zur Produktion und zum Export von E-Fuels wäre teuer und langwierig; das Gelingen eines derartige Vorhabens hinge davon ab, ob auch Länder wie Algerien, Marokko oder Ägypten auf lange Sicht innenpolitisch stabil bleiben.