Es ist schon eine Krux mit der Wind- und Sonnenkraft. Dieses erfuhren wir dieser Tage auch wieder auf dem Energie-Gipfel des Handelsblatts. Die Sonne scheint, wann sie will. Und der Wind bläst selten in der Stärke und mit der Beständigkeit, wie es die Betreiber der Windkraftanlagen und die großen Stromkunden in der Industrie gerne hätten. Bei Flauten stehen die meisten Windmühlen sogar komplett still. Und wenn es stürmt, müssen viele Anlagen heruntergeregelt oder komplett abgeschaltet werden, weil das Netz so viel Windstrom nicht aufnehmen kann und es an Stromspeichern mangelt.

Einen Ausweg aus dem Dilemma beim Windstrom zeigt eine neue Windkraftanlagentechnologie, die das Ingenieurbüro windwise aus Münster entwickelt hat. In Zusammenarbeit mit Eickhoff Antriebstechnik aus Bochum wurde ein passendes Getriebe entwickelt und auf dem Prüfstand des Center for Wind Power Drives (CWD), der RWTH Aachen ausgiebig getestet. Denn die „maxcap“ genannte Windturbine mit einer Höchstleistung von 2,3 Megawatt ist „grundlastoptmiert“, wie der Fachmann sagt.

Erste Anlage im Kreis Steinfurt geplant

Sie arbeitet besonders effizient, wenn nur ein laues Lüftchen weht, denn sie bringt schon früh und sehr schnell ihre volle Leistung. Etwa an Land, an sogenannten Schwachwind-Standorten im Binnenland, wie etwa im Münsterland. Oder genauer gesagt in Lienen im Kreis Steinfurt: Dort soll, wenn die Bezirksregierung Grünes Licht gibt, gegen Jahresende eine knapp 200 Meter hohe Windmühle des neuen Typs in den Probebetrieb gehen.

Höherer Wirkungsgrad durch Downsizing
Prototyp des Stromgenerators auf dem Prüfstand der RWTH in Aachen. Foto: MWideNRW/Andreas Buck/maxcap-windwise GmbH

„Wir versuchen den Stromertrag gleichmäßiger zu machen“, erklärt Windwise-Gesellschafter und Co-Geschäftsführer Markus Becker im Gespräch mit EDISON die Besonderheit des Systems. Konventionelle Windkraftanlagen anderer Hersteller in dieser Größenklasse sind an Land, also „onshore“, mit Leistungen von ca. 4 bis 7MW auf stärkere Winde ausgelegt – produzieren aber trotzdem nicht mehr Strom als die Anlage, so wie sie Windwise vorschwebt. „Sie können das mit einem VW Golf vergleichen. Der wird mit 150 PS ausgeliefert, braucht die maximale Leistung aber eher selten.“ Ein schwächeres Aggregat mit 50 PS sei da viel effizienter.

Bis zu 4500 Volllaststunden im Binnenland

Umdenken sei also angesagt und Downsizing. Bei der Leistung des Generators, nicht bei der Größe der Anlage oder der Flügel: Die Fläche, die von den drei jeweils 69 Meter langen Rotorblättern bestrichen wird, ist mit 15.600 Quadratmetern sogar deutlich größer als die von konventionellen Windkraftwerken in der gleichen Leistungsklasse. Das ist eine der Besonderheiten bei der maxcap-Anlage: Großer Rotordurchmesser kombiniert mit moderatem Leistungsbereich. Dadurch steigt der Wirkungsgrad bei Schwachwind.

Ein "Schlag in die Magengrube" sei die Statistik über neuerrichtete Windräder, klagen die Branchenverbände. Der ehemalige Energiewende-Meister Deutschland ist mittlerweile hinter Frankreich und Schweden zurückgefallen. Der Grund: fehlende Genehmigung und zahlreiche Klagen. Die Koalition will vor dem Herbst nichts dagegen tun. Windenergie

Berg kalkuliert für den geplanten Standort mit „4000 bis 4500 Volllaststunden“ – auf so hohe Werte kommen sonst nur küstenferne Offshore-Anlagen. Damit steigt nicht nur der Ertrag einer Anlage im Binnenland. Durch die hohe Kontinuität bei der Stromerzeugung lässt sich ein solches Windkraftwerk auch gut mit einem Elektrolyseur zur Produktion von Wasserstoff kombinieren.

Rotorblätter drehen sich langsamer und leiser

„Das Abschalten bei Starkwind ist volkswirtschaftlich ein Blödsinn“, findet Becker. Die Netze sind voll und die Energie kann nicht genutzt werden. Aber da in der Vergangenheit den Betreibern der Windparks die Einspeisevergütung garantiert wurde, war die Zahl der Betriebsstunden letztlich egal: „Egal, wieviel Strom abgenommen wurde – das Geld floss in jedem Fall.“

Das maxcap-Konzept weist mit Blick auch auf die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Windenergie in Deutschland noch weitere Vorteile auf. So drehen sich die Rotorblätter aufgrund des neuen, zusammen mit Eickhoff entwickelten zweistufigen Planetengetriebes und der Zusammenstellung mit einem mittelschnellen Synchron-Generators langsamer.

In guter Nachbarschaft zu Wohnsiedlungen

An den Blattspitzen der geplanten Windwise-Anlage in Lienen würden nur Spitzengeschwindigkeiten von ca. 270 km/h erreicht statt über 300 km/h wie bei konventionellen Anlagen, rechnet Becker schnell vor. Dadurch arbeitet die Anlage deutlich leiser und könne deshalb näher an Wohngebiete heranrücken. Aber Anwohner brauchen sich hierdurch nicht bedrängt fühlen, auch für einen möglichen Schattenwurf des sich drehenden Rotors auf Wohnbebauung gibt es entsprechende Systeme, die den Sonnenstand und die Lichtintensität messen und im Bedarfsfall die Anlage kurzzeitig anhalten können.

Die Abstandsregeln könnten also nicht nur in Nordrhein-Westfalen – wo Wohnbebauung und Windkraftanlage aktuell wenigstens einen Kilometer auseinander liegen müssen – leicht modifiziert werden. Und auch den Windkraftgegnern im Schwachwindland Bayern – wo ein neues Windrad zur nächsten Siedlung derzeit einen Mindestabstand vom zehnfachen seiner Höhe einhalten muss – ginge mit der windwise-Technik ein wichtiges Argument verloren.

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4 Kommentare

  1. Daniel v.d.Berge

    Mit dieser Anlage werden Standorte ertragreich, die mit konventionellen Anlagen vergleichbarer Größe nicht sinnvoll gewesen wären. Das kann natürlich die dezentrale Stromproduktion beflügeln. Der Strom kann also da produziert werden wo er gebraucht wird und muss dazu nicht mit langen Stromtrassen quer durchs Land befördert werden.

    Auch bei dem Rotordurchmesser kann ich Ihnen bestätigen, dass sich der Rotormesser aus 2x Rotorblattlänge und dem Anschlussmaß von Blattwurzel zur Nabenachse, also der Drehachse ergibt.

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  2. Daniel von dem Berge

    Hallo Redakteur-Team Edison,

    Hier eine Korrektur zu Ihrem Beitrag, den Sie lieber überarbeiten sollten:
    1) die Rotorblätter sind 69m lang und nicht 141m. Der Durchmesser des Rotors liegt bei 141m
    2) die maxcap kommt schon verhältnismäßig früh (also bei geringen Windgeschwindigkeiten) auf ihre Nennleistung, dann wenn eben andere Anlagen noch nicht auf Volllast laufen. In diesem Bereich ist der Windstrom am meisten Wert, was den Betreiber natürlich freut.
    3) Bei stärkerem Wind (Sturm) können wir unsere Anlage herunterregeln, was die Belastung auf viele Komponenten reduziert. Zu diesen Zeitpunkten sind ohnehin die Stromnetze mit Windstrom quasi geflutet und der Windstrom ist wenig Wert für den Betreiber. Diese Zeiten kommen jedoch ehr seltener vor.

    Viele Grüße
    Daniel von dem Berge

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    • Franz W. Rother

      Danke für die Hinweise, die Angaben wurden korrigiert.

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  3. Stephan

    Schön dass die Technik effizient und sinnvoll weiterentwickelt wird. Wenn der Preis pro Anlage durch den kleineren Generator sinkt und die Akzeptanz durch Lautstärkenoptimierung steigt, sehr gut.
    Die 141 m ist sind der Rotordurchmesser. Ein einzelnes Blatt ist also weniger als halb so lang.

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