Nach monatelangem Streit haben Union und SPD ihre Differenzen beim Ausbau der erneuerbaren Energien beigelegt. Die Bundesländer sollen selbst entscheiden können, ob sie einen Abstand von 1.000 Metern für den Bau von Windenergieanlagen festlegen wollen. „Wir freuen uns, dass wir heute eine Einigung bei zentralen energie- und wirtschaftspolitischen Fragen erzielt haben“, erklärten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden beider Parteien, Carsten Linnemann (CDU/CSU) und Michael Miersch (SPD), in einem schriftlich verbreiteten Statement. Der Schritt bedeute einen wichtigen Impuls für die Arbeit in der Großen Koalition und die Umsetzung der energie- und wirtschaftspolitischen Ziele.

Seit Beginn der Legislaturperiode hatten die Parteien heftig um die Ausbauregeln für erneuerbare Energien gerungen. Vor allem die von der Union geforderten einheitliche Abstandsregel für den Bau von Windenergieanlagen sorgte für Streit. Auch die Beschlüsse zum Klimapaket vor mehr als acht Monaten brachten keine Lösung. Anders als ursprünglich geplant entscheiden die Länder nun selbst, ob sie die 1.000-Meter-Abstandsregelung zu Wohngebäuden anwenden wollen, oder eben nicht. Aus dem Opt-Out wird also ein Opt-In. Dazu soll es eine Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch geben. Zuständig ist hier das Innenministerium. Für Bayern bleibt die geltende 10-H-Regelung bestehen. Letztendlich reagiert die Koalition damit auch auf die Kritik aus den Ländern, die sich vielfach gegen Bundesvorgaben gewehrt hatten.

Solardeckel soll „unverzüglich“ fallen

E-Farm von GPJoule in Ostfriesland Statt den Windstrom nach Bayern weiterzuleiten, wandeln Landwirte in Nordfriesland ihn lieber im Windpark in Flüssig-Wasserstoff um und nutzen diesen als Treibstoff für ihre Autos und Busse. Energiewende

Nach der Einigung bei der Windenergie soll nun auch der Solardeckel „unverzüglich“ fallen, kündigten die Koalitionspartner an. Auch diesen Schritt hatten die Fraktionen eigentlich schon im Klimapaket im Herbst 2019 vereinbart, die Umsetzung hing aber an der Einigung bei der Windenergie. Union und SPD wollen zudem einen „Koordinierungsmechanismus“ von Bund und Ländern ins Leben rufen, der Fortschritte beim Erreichen des Ziels von 65 Prozent erneuerbare Energie bis 2030 überprüfen soll. Ob damit die vor Monaten vereinbarte Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu erneuerbaren Energien gemeint ist, blieb offen.

Die Koalitionsfraktionen wollen zudem Beteiligungs-, Planungs- und Genehmigungsprozesse modernisieren, um in der aktuellen Coronakrise Investitionen im Energiesektor zu beschleunigen. Dazu nannten beide Seiten aber nur Stichworte wie Digitalisierung, eine frühzeitigere Beteiligung von Bürgern und eine Verkürzung von Instanzenwegen.

Altmaier: Ausgewogenes Ergebnis

In die Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen miteingebunden war das Bundeswirtschaftsministerium. Minister Peter Altmaier (CDU) sprach bei einem kurzfristig einberufenen Pressetermin von einem ausgewogenen Ergebnis und einem guten Tag für die Energiewende. Er räumte allerdings ein, dass auch er sich eine schnellere Einigung gewünscht habe. Tatsächlich lag etwa der Vorschlag für eine Länderöffnungsklausel bei der Windenergie schon im Februar auf dem Verhandlungstisch.

Altmaier kündigte an, die Aufhebung des Solardeckels über ein bereits in der parlamentarischen Beratung befindliches Gesetz umsetzen zu wollen. Für Diskussion könnte weiter die Frage sorgen, ab welcher Anzahl von Wohngebäuden die 1.000-Meter-Regel bei der Windenergie greifen soll. Die Koalition will den Bundesländern hier freie Hand lassen. In der Vergangenheit hatte Innenminister Horst Seehofer (CSU) eine Siedlungsgröße von fünf Häusern vorgeschlagen.

Erleichterung in der Energiebranche

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Das Ende des Koalitionsstreits um dem Ausbau der erneuerbaren Energien sorgte für erleichterte Reaktionen in der Energiebranche. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sprach von einem längst überfälligen Signal an Investoren. Der Stillstand bei der Solarenergie sei in letzter Minute abgewendet. Mit der Einigung bei der Windenergie könne die Branche leben, sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. Auch BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae zeigt sich erfreut, dass nun endlich der „gordische Knoten“ durchschlagen worden sei. Die Bundesländer müssten den Windkraftausbau nun aktiv unterstützen.

Der Stadtwerkeverband VKU lobt die Einigung ebenfalls. Es brauche nun eine rasche rechtliche Umsetzung des Kompromisses, erklärte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) begrüßte die geplanten Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung. Nur so können die Kräfte freigesetzt werden, die momentan noch im Verhau der energiegesetzlichen Überregulierung feststeckten, so der BNE.

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