Jedes Elektroauto in Europa lädt den Strom per Typ-2-Mennekes-Verbindung, viele haben auch ein Ladekabel aus Kirchhundem an Bord. Wie haben die das bei Mennekes nur geschafft? Die Antwort liefert
uns ein Ausflug ins Sauerland – und ein Gespräch mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Christopher Mennekes und Volker Lazzaro, dem Hauptgeschäftsführer E-Mobilität bei der Mennekes Elektrotechnik GmbH & Co KG in Kirchhundem.
Herr Mennekes, 2013 haben Sie bei der EU Kommission durchgesetzt, dass dieser Mennekes-Stecker Standard wurde für das Wechselstrom-Laden In Europa. Wie haben Sie das geschafft?
Christopher Mennekes: Am Ende des Tages war es eine technische Entwicklung, die wir aufgesetzt haben. Um ins Detail zu gehen: In südeuropäischen Ländern haben die Stecker oftmals einen so genannten Shutter, einen Berührungsschutz, auf der Steckvorrichtung. Unser System hatte das nicht, weil es das nicht braucht. Bei uns fließt der Strom erst, wenn wirklich alles verriegelt ist. Der französisch-italienische Gegenentwurf hatte diesen Shutter und man hat auch darauf bestanden, weil in den nationalen Installationsvorschriften ein Kinderschutz Voraussetzung ist. Wir haben gesagt: Unser System braucht es eigentlich nicht, aber wir können natürlich auch auf unser System einen Schalter aufsetzen. Das brachte dann den Durchbruch. Davor stand eine ellenlange Vorgeschichte, aber das war sozusagen das Ende vom Lied.
Und der Durchbruch für den Mennekes-Stecker. Bemerkenswert ist das insofern, weil es bei Haushaltssteckern in der EU bis heute keinen Einheitsstecker gibt. Warum war da die Bereitschaft größer?
Volker Lazzaro: Ich glaube, es gibt zwei entscheidende Punkte, die letztlich zum Ziel geführt haben. Wichtig war, dass wir die Entwicklung nicht allein betrieben haben. Wir haben uns mit unserer Idee, wie die Steckvorrichtung für Elektroautos aussehen sollte, sehr früh an die Automobilhersteller gewandt, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Wir haben ihnen unser Konzept präsentiert und um ihre Meinung gebeten. Das Feedback haben wir dann in die Entwicklung einfließen lassen, so dass die Lösung letztlich alle gut fanden. Und parallel haben wir die Energieversorger um eine Meinung gebeten. Das führte zu einer Lösung, hinter der alle Beteiligten standen.
Ihr Vater Walter Mennekes erzählte mir mal von einer Sitzung im Kanzleramt, zu der er mit einem Sack von Steckern und Kabelverbindern ging.
Mennekes: Mein Vater ist immer gerne mit Produkten, also ganz mittelständisch geprägt, in Meetings gegangen. Und eines war im Jahr 2009 tatsächlich im Kanzleramt, wo er genau diesen Vergleich, den sie gerade gebracht haben, gezeigt hat. Zum einen als mahnendes Beispiel die Schuko-Stecker, die in jedem Land Europas unterschiedlich aussehen. Da war man sich schnell einig: Einen ähnlichen Steckersalat wollte man bei Fahrten mit dem Elektroauto durch Europa nicht haben. Bei einem anderen Treffen in Brüssel hat mein Vater auf der Sackkarre eine Ladestation in den Konferenzsaal gefahren, um zu zeigen, was wir schon entwickelt hatten. Die Wettbewerber hatten zu dem Zeitpunkt nur ein Ledermäppchen mit einem Blatt Papier dabei.
Lazzaro: Ein fertiges Produkt, das man anfassen, das man ausprobieren kann, hat immer eine andere Überzeugungskraft als eine Powerpoint-Präsentation. Das war schon entscheidend. Denn wir hatten es damals in Brüssel auch mit Leuten zu tun, die keine Steckerexperten waren.
Und nicht nur von Steckern, sondern auch von Elektroautos. 2009 gab es noch nicht viele Autos mit der Antriebstechnik. Auch bei Mennekes, so vermute ich, musste man sich erst in das Thema hineinarbeiten, oder?
Mennekes: Die Beschäftigung mit dem Thema begann bei uns schon weit vor 2009.
Lazzaro: Richtig. Den ersten Ladestecker für Elektroautos haben wir schon in den 1990er Jahren entwickelt. Für einen Feldversuch der Autoindustrie auf einer Ostseeinsel.
Mennekes beschäftigte sich so früh schon mit Ladesteckern?
Lazzaro: Für den Feldversuch haben wir tatsächlich die Entwicklung von Ladevorrichtungen begonnen und wir waren auch schon sehr weit. Wir haben damals den ersten Teil der Norm mitgeschrieben. Aber dann wurde das alles nichts. Auch wir waren zugegebenermaßen damals noch anders zur Elektromobilität eingestellt. Wir haben damals den Stecker patentiert. Und das war dann ein Hindernis für eine Normung. 2008 haben wir das Patent allerdings aufgegeben und das System somit frei gemacht für eine Weiterentwicklung.
Damit waren aber die Entwicklungskosten für die Katz‘.
Lazzaro: Nein, es war zu dem Zeitpunkt zwar noch nicht abzusehen, wohin die Reise gehen würde und ob die Elektromobilität jemals ein Geschäftsfeld würde aber die Freigabe des Patents war letztlich endscheidend für den Erfolg der Standardisierung. Es war damals eine mutige Entscheidung, denn wir hatten für ein Familienunternehmen viel Geld in die Hand genommen. Im Nachhinein hat es sich ausgezahlt, denn die Standardisierung hat den Markt beschleunigt und wir waren als erster mit einem Produkt am Start.
Es hätte aber auch schiefgehen können, oder?
Mennekes: Das ist des Risiko allen Unternehmertums. Aber es war natürlich auch eine unglaubliche Chance, auch wenn man den Marketing-Aspekt mal beleuchtet. Letztlich ist der Stecker ja so etwas wie das Symbol des Elektroautos. Den entwickeln zu dürfen und am Ende zum Standard zu machen, war schon toll. Davon zehren wir heute noch, das erfüllt uns immer noch mit Stolz – im Unternehmen und in der Region. Denn es hat uns viel Respekt in der Branche und darüber hinaus eingebracht.
Was sich auch in den Geschäftsergebnissen von Mennekes niederschlägt?
Mennekes: Tatsächlich ist das so. Lange Zeit war das Geschäft mit Industrie-Steckern das Maßgebliche. Seit Anfang letzten Jahres ist der Bereich E-Mobilität mit den beiden Geschäftseinheiten Ladesysteme und Automotive insgesamt größer als unser ursprüngliches Kerngeschäft.
Was zeichnet den Mennekes-Stecker eigentlich aus? Seine Robustheit?
Lazzaro: Robust ist er in jedem Fall. Wir haben das System aber auch so entwickelt, dass es sicher ist. Wenn der Stecker in der Ladestation und die Kupplung im Auto nicht gesteckt sind, ist keine Spannung drauf. Das Kabel führt also nie Strom, solange es nicht auf beiden Seiten ordentlich eingesteckt ist. Und damit es nicht unbeabsichtigt rausgezogen werden kann, wird es sowohl im Auto als auch in der Ladestation verriegelt. Das sind Funktionen, die normale Stecker nicht haben.
Ohne die Verriegelung wären die teuren Ladekabel schnell weg. Diesen Verriegelungsmechanismus haben Sie sich auch hier einfallen lassen?
Lazzaro: Genau. Es geht nicht nur um einen Stecker. Es ist ein System, das von der Ladestation bis zum Inlet im Auto reicht, mit dem Kabel dazwischen. Um die Sicherheit zu erreichen, war es wichtig, dass über das Kabel nicht nur Strom, sondern auch Informationen übertragen werden. Die Ladeeinrichtung muss das Auto fragen können, ob es bereit zum Laden ist, wie viel Energie bereitgestellt werden kann und vieles andere mehr. Dafür hat der Mennekes-Stecker zwei Pins mehr als ein normaler Industriestecker.
Kein anderer Hersteller in Europa war ähnlich kreativ?
Es gab damals noch das japanische System namens Typ 1, aber das war nur einphasig ausgelegt. Der Stecker war ähnlich aufgebaut, besaß aber nicht die Verriegelungsfunktion. Damit konnte man mit maximal 7 kW laden – das reichte uns nicht. Denn in einigen Ländern haben wir dreiphasige Netze, über die man bis zu 22 kW, theoretisch sogar mit 44 kW laden kann. Und wir wollten auch beim AC-Laden hohe Leistungen darstellen können. Es gab auch noch eine parallele europäische Entwicklung, Typ 3 genannt, die aus Italien kam und von den Franzosen unterstützt wurde. Sie hatte aber nicht die Robustheit unseres Typs.
Bei dem Erfolg – bedauern Sie es inzwischen nicht doch, die Patente auf Ihren Typ-2-Stecker aufgegeben zu haben?
Mennekes Nein. Ich habe irgendwann verstanden, dass wir hier keine Gelddruckmaschine aufstellen werden und alles über unseren Tisch laufen muss. Wichtiger war es uns, das beste System nach vorne zu bringen. Und wir waren schon überzeugt, das beste System entwickelt zu haben. Es hätte sich auch niemand darauf eingelassen, Ladetechnik nur aus dem Hause Mennekes zu beziehen.
Die Entwicklungsleistung wurde aber nicht honoriert?
Nicht direkt. Es ist sicher für alle gut, dass man jetzt wirklich ein robustes System hat, das die entsprechenden Leistungen im AC-Bereich abdeckt.
Ist über die Beschäftigung mit der Elektromobilität auch bei Ihnen persönlich dann der Funke übergesprungen?
Wenn man Investitionen in einem solchen Bereich tätigt, die dann auch Jahr für Jahr immer größer werden, dann stellt man sich natürlich schon persönlich die Frage: Macht dieses neue Mobilitätskonzept wirklich Sinn?
Und wie fiel die Antwort aus?
Dass die Elektromobilität auch unabhängig von der Klimadebatte ein sinnvolles System ist, mit vielen Vorteilen gegenüber dem Verbrennersystem. Und dann will man auch wissen, woher der Strom kommt und wie die Umweltbilanz aussieht. Macht es Sinn, ein Elektroauto mit Kohlestrom zu befeuern? Nein.
Gut erkannt.
Die Themen sind alle eng miteinander verbunden, die Energiewende mit der Mobilitätswende. Und auch das Thema Nachhaltigkeit gehört dazu. Der Start der Elektromobilität 2008 hat mich dazu bewogen, immer stärker über diese Dinge nachzudenken. Und das findet bei uns im Unternehmen auch immer stärker statt. So können wir vielleicht schon einen Ausblick geben.
Gerne.
Wir gründen gerade einen eigenen zentralen Bereich in der Unternehmensgruppe, der das Thema Nachhaltigkeit organisiert. Von nachhaltigen Produktlösungen kommend wollen wir noch stärker die Frage klären, wie wir uns selbst nicht nur umweltfreundlich und klimagerecht, sondern auch sozial nachhaltig aufstellen. Ich glaube, das wird in Zukunft das zentrale Thema sein, das unser gesamtes Wirtschaftssystem beeinflussen wird. Ich finde das gut, auch wenn es mit Belastungen und Auflagen für die Unternehmen einhergeht. Aber solange die für alle gelten und wir in einem fairen Wettbewerbsumfeld bleiben, ist das für mich der absolut richtige Weg. Die Elektromobilität hat da bei mir persönlich doch einiges in Bewegung gesetzt.
Seit wann fahren Sie persönlich ein Elektroauto?
Seit über sechs Jahren fahre ich ein Model S – vor sechs Jahren gab es noch kein Elektroauto aus deutscher Produktion mit einer vergleichbaren Reichweite. Und ich wechsele meine Autos nicht jedes Jahr. Einen Verbrenner werde ich auf keinen Fall mehr kaufen. Und auch unsere Firmenwagen werden bald keine Verbrenner mehr sein: Wir schaffen nur noch Elektroautos an. Nur in Ausnahmefällen ist ein Plug-in-Hybrid erlaubt. Wir gehen da konsequent voran.
Reichweitenangst in all den Jahren haben Sie hier im Sauerland sicher schon mal erlebt, oder?
Nein, noch nie. Ich bin noch nie liegengeblieben, hatte noch nie Reichweitenangst. Alles im grünen Bereich. Und die Entwicklung der Batterien wird ohnehin immer besser.
Was wünschen Sie sich persönlich als Fahrer eines Elektroautos?
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist sicherlich ein Kernthema. Das müssen wir in den nächsten Jahren weiter vorantreiben. Privat habe ich immer mal wieder erlebt, dass Hotels über keine oder maximal eine Wallbox verfügen. Das ist dann nervig, weil man eigentlich die Nacht wunderbar nutzen könnte, um das Fahrzeug wieder aufzuladen. Da könnten ein paar Wallboxen mehr hängen.
Gerne von Mennekes, oder?
Immer. Wir sehen unsere Ladesysteme am liebsten dort, wo das Auto sowieso länger steht, und verlieren dadurch keine Zeit.
Im zweiten Teil des Interviews erfahren Sie mehr über die Zukunftspläne der Mennekes Elektrotechnik
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