Elektroautos werden in Zukunft ein wichtiger Teil des Energiesystems werden. Durch ihr Fähigkeit, Strom nicht nur in den Akku zu laden, sondern auch wieder ins Netz abzugeben. Das bidirektionale Laden macht es möglich. Flexible Stromtarife, die sich an Angebot und Nachfrage orientierten, sind ein erster Schritt dazu. Der norwegische Stromanbieter Tibber hat dazu in mehreren europäischen Märkten sogenannte „Grid Rewards“ als Produktneuheit auf den Markt gebracht. Dabei handelt es sich um Preisnachlässe für Kunden, die eine flexible Ladesteuerung ihrer E-Autos, aber auch anderer großer Stromverbraucher wie Wärmepumpen zulassen. Über das Produkt, die Funktionsweise und die noch ausstehende Einführung in den deutschen Markt sprachen wir mit Tibber-Geschäftsführer Merlin Lauenburg.
Herr Lauenburg, Tibber hat in einzelnen europäischen Märkten mit „Grid Rewards“ ein neues Produkt auf den Markt gebracht, das sich an Nutzer von E-Autos wendet. Was ist die Idee dahinter?
In der neuen Energiewelt kommt ein immer höherer Anteil unseres Stroms von günstigen Wind- und Solarkraftwerken. Diese sind anders als beispielsweise Gaskraftwerke nicht flexibel steuerbar. Das lässt einerseits den Strompreis an der Börse stärker schwanken und ist andererseits eine Herausforderung für die Netzstabilität. Es ist für eine gelingende Energiewende daher unerlässlich, dass vor allem steuerbare Verbrauchseinrichtungen verstärkt in Zeiten genutzt werden, in denen die allgemeine Stromnachfrage gering ist oder der Netzanteil an Erneuerbaren besonders hoch. Ein dynamischer Tarif wie der von Tibber bietet dafür Anreize. Gerade weil es dank Automatisierungen wie mit unserem Smart-Charging-Feature per Knopfdruck bequem möglich ist, dass günstige grüne Stunden effizient genutzt werden, weil das E-Auto nur in diesen lädt.
Mit Grid Rewards heben wir Smart Charging auf die nächste Stufe. Neben dem weiterhin bestehenden Sparpotenzial durch ein besonders netzdienliches Verhalten etablieren wir ein zusätzliches Belohnungssystem, für das wir im Hintergrund nicht wie sonst am Day-Ahead-Markt handeln, sondern in Märkten, an denen kurzfristigere Energiemengen gehandelt werden. Diese werden genutzt, um die empfindliche Netzstabilität im Falle kritischer Überschüsse oder Engpässe zu sichern. Erste Prognosen zeigen, dass unsere Kunden in Schweden, Norwegen und den Niederlanden ihre jährliche Stromrechnung so im Schnitt auf 100 Euro reduzieren können.
Sie wollen in dem Tarif die Flexibilitäten der Ladevorgänge aggregieren und gebündelt vermarkten. Wie soll das funktionieren?
Einfach heruntergebrochen möchte Grid Rewards zwei Designschwächen unseres Energiesystems beheben. Zum einen, dass in windigen Zeiten oder bei intensivem Sonnenschein oft mehr Ökostrom produziert wird als verbraucht werden kann. Zum anderen soll verhindert werden, dass in Zeiten mit hoher Nachfrage und geringem Anteil an Erneuerbaren umweltschädliche Gas- und Kohlekraftwerke hinzugeschaltet werden müssen, um den Bedarf zu decken. Grid Rewards geht diese Probleme an, indem das E-Auto unserer Kunden bei einem plötzlichen Überangebot an Ökostrom kurzzeitig auch dann lädt, wenn dies im Smart-Charging-Plan nicht vorgesehen war.
Wenn hingegen Engpässe im Netz entstehen, wird die Ladegeschwindigkeit der in Tibber integrierten Wallbox für ein überschaubares Zeitfenster gedrosselt. Auf diese Weise geht weniger kostbare Energie aus nachhaltigen Quellen verloren und der Anteil an Energie aus fossilen Quellen im Netz wird reduziert. Für unsere Nutzer ändert sich dabei kaum etwas. Sie profitieren weiterhin vom Smart-Charging-Algorithmus, der wie immer die günstigsten Stunden auswählt. Nur kommt jetzt in bestimmten Zeitfenstern die zusätzliche Ausschüttung der Grid Rewards hinzu. Damit belohnen wir die Bereitschaft unserer Kunden, uns die Kapazitäten ihrer Ladestation zur Verfügung zu stellen, um das Netz zu stabilisieren und unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern schrittweise reduzieren zu können. Es lohnt sich deshalb zukünftig, das E-Auto, wenn es ohnehin zu Hause steht, einfach angeschlossen zu lassen.
Wann ist mit der Einführung der Grid Rewards in Deutschland zu rechnen und wovon hängt das ab?
Um deutsche Kunden an das Prinzip der Grid Rewards heranzuführen, werden wir noch in diesem Jahr beginnen, einen Bonus für E-Auto-Besitzer auszuzahlen, die ihr E-Auto dauerhaft verbinden, um netzdienliches Verhalten zu ermöglichen. Mit dem Start des offiziellen Rollouts von Smart Metern in der Breite ab 2025 werden wir dann auch im Laufe des Jahres in Deutschland beginnen, echte Grid Rewards auszuzahlen, wo es technisch möglich ist. In Skandinavien und den Niederlanden können bereits auch andere wichtige Elektrogeräte wie Solarpanel-Wechselrichter, Wärmepumpen oder Heimbatterien zum Sammeln von Grid Rewards verwendet werden. In Deutschland fehlt dazu leider die technische Infrastruktur, also Smart Meter. Wir setzen uns daher im Rahmen der Smart-Meter-Initiative dafür ein, dass bis dahin möglichst viele deutsche Haushalte über entsprechende Stromzähler verfügen.