Rund eine Million Arten sind derzeit vom Aussterben bedroht – mit dieser erschreckenden Zahl versucht der Weltrat für Biologische Vielfalt die Menschen wachzurütteln und zum Handeln zu bewegen. Pflanzen und Tiere sterben in einem nie gekannten Maße aus und der Verlust an dieser Biodiversität beschleunigt sich sogar noch, statt sich zu verlangsamen. Das sind einige der Schlüsselaussagen aus dem neusten Bericht der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES), wie der Rat offiziell heißt. Die Organisation unter dem Dach der Vereinten Nationen hat gerade auf einer sechstägigen Konferenz in Paris die Bestandsaufnahme und eine Reihe von Empfehlungen verabschiedet.

„Wir zerstören weltweit die Fundamente unserer Wirtschaft, unsere Existenzgrundlagen, Nahrungsmittelsicherheit, Gesundheit und Lebensqualität“, warnt der Vorsitzende des IPBES, der britische Chemiker und Umweltforscher Robert Watson. Ursache für den rapiden Verlust an Artenvielfalt seien die Veränderungen bei der Nutzung von Land und Meer etwa durch intensivere Landwirtschaft und Fischerei, das direkte Ausbeuten von Organismen, der Klimawandel, Umweltverschmutzung und das sich Ausbreiten fremder Arten. Es genüge nicht mehr, mit den bisherigen Maßnahmen zum Artenschutz weiterzumachen, so der IPBES. Stattdessen seien tiefgreifende Veränderungen in ökonomischen, sozialen, politischen und technischen Bereichen nötig.

Der Raubbau an der Natur nimmt noch immer zu

In den meisten Lebensräumen an Land sei die durchschnittliche Artenvielfalt um ein Fünftel zurückgegangen. Zwei Fünftel aller Amphibienarten, fast ein Drittel der Riffe bildenden Korallen und mehr als ein Drittel aller Meeressäuger seien bedroht, heißt es in dem Bericht. An ihm haben 145 Experten aus 50 Ländern in den vergangenen drei Jahren gearbeitet und dabei 15.000 Forschungsberichte und staatliche Quellen ausgewertet.

Diese Verarmung der Natur hängt eng mit dem rasanten Wachstum der Weltbevölkerung zusammen. So haben sich die landwirtschaftlichen Ernteerträge seit 1970 vervierfacht. Der Holzeinschlag ist um fast 50 Prozent gestiegen. 60 Milliarden Tonnen erneuerbare und nicht erneuerbare Rohstoffe und Ressourcen werden jährlich abgebaut – fast doppelt so viele wie noch 1980. Die mit Städten bebaute Gesamtfläche ist inzwischen mehr als doppelt so groß wie noch 1992. Gar verzehnfacht hat sich seit 1980 die Plastikmüll-Verschmutzung, zudem gelangen Unmengen Schwermetalle, Gifte und andere Abfallstoffe aus Fabriken in Gewässer, so der Bericht.

„Wir brauchen einen großen Wandel“

Um gegenzusteuern, sei eine „rapide, substanzielle Verringerung des Verbrauchs von Energie, Rohstoffen und Fläche“ nötig, fordert Professorin Almuth Arneth, eine der Leitautorinnen des Berichtes und Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanze-Atmosphäre Wechselwirkung am Karlsruher Institut für Technologie mit Sitz in Garmisch-Patenkirchen. Allerdings sei es keine Lösung, um etwa die Erderwärmung zu stoppen, Bioenergiepflanzen wie beispielsweise Raps im großen Stil anzupflanzen. Denn die dann nötige intensive Form der Landwirtschaft hätte „immens negative Auswirkungen“. Das gleiche gelte auch für das massive Aufforsten von Wäldern, weil dabei Forstmonokulturen entstünden, die meist artenarm sind. Die dafür benötigten Nutzflächen gingen dann auch noch zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion.

Stattdessen bräuchten wir „einen großen gesellschaftlichen Wandel“, verlangt auch Alexandra-Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Universität Freiburg. Unsere Mobilität müsse sich verändern, wir müssten wieder lokaler und regionaler agieren. „Alle Ministerien sollten aufführen, was sie machen werden, um Biodiversitäts- und Klimaziele zu erreichen“, sagt Klein. Sie sollten auch festlegen, was sie tun werden, wenn sie Ziele nicht erreichen. „Momentan passiert politisch nichts, wenn Ziele nicht erreicht werden.“

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