Auf Wiedersehen, dicker Transport-Van, der die Straßen in Innenstädten verstopft. Hallo, wendiges Lastenfahrrad! „In der verkehrsintensiven Innenstadt hat sich das Lastenrad zur echten Alternative für das herkömmliche Zustellfahrzeug entwickelt“, sagt Gerd Seber, Group Manager Sustainability & Innovation bei DPD Deutschland. Erfahrungen hat DPD bereits in Nürnberg gesammelt. Unter wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule Nürnberg wurde die Paketzustellung per Lastenrad getestet. Gestrampelt wird dabei nicht immer.

Die schweren Räder haben nämlich einen Motor. Für ihren Einsatz werden sie in einem Mikrodepot in der Innenstadt stationiert. Dabei handelt es sich um eine 130 Quadratmeter große Gewerbefläche. Jeden Morgen werden die Pakete für die Lastenrad-Touren per Transporter an die Mikrodepots geliefert und anschließend auf die Räder verteilt. Auch das Nachladen der Akkus erfolgt in diesen Depots. Zur Reserve, vor allem wenn die Temperaturen bis zum Gefrierpunkt sinken, haben die Zusteller stets einen Wechselakku an Bord. „Selbst unter winterlichen Bedingungen sind unsere Lastenräder sehr zuverlässig unterwegs“, erläutert Torsten Mendel, Niederlassungsleiter von DPD in Nürnberg.

Das Fazit ist positiv: Fünf elektrisch unterstützte Lastenräder konnten fünf herkömmliche Transporter nahezu vollständig ersetzen. Bei einer geschickten Kombination mit herkömmlichen Zustellfahrzeugen könne das Lastenrad unter günstigen Bedingungen fast ebenso leistungsstark sein wie der Transporter, so Mende. „In vielen Straßen Nürnbergs sind wir mit unseren wendigen Lastenrädern deutlich effizienter unterwegs als mit den großen Fahrzeugen.“ Auch in Heilbronn und Hamburg setzt DPD auf das Lastenrad. München und Stuttgart sollen noch folgen.

Brennstoffzelle statt Batterie

Statt Batterien könnten in Zukunft auch Brennstoffzellen für den Antrieb der Räder genutzt werden. Die Reichweite ist höher und das nervige lange Laden entfällt. Ersatzakkus werden nicht benötigt, was Platz spart. Für Björn Offermann, Projektleiter am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ist der Wasserstoff eine interessante Alternative für einen nachhaltigeren innerstädtischen Verkehr und weniger Lärmbelästigung. Der Lieferverkehr verursache immerhin 50 Prozent der Emissionen in europäischen Städten, erklärt er. Berechnungen hätten ergeben, dass ein Lastenrad 5,5 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen könne. „Mit Brennstoffzellen-Lastenrädern haben wir also gute Chancen, den Ausstoß des Klimagases CO2 zu reduzieren“, so Offermann.

Bisher kommt die noch teure Technologie bei Rädern kaum zum Einsatz. Pragma Industries bezeichnet sich ganz selbstbewusst als Vorreiter der On-Board-Wasserstofferzeugung. Schließlich hat das Start-up aus Frankreich die ersten kommerziellen Räder mit Brennstoffzellen-Technologie auf den Markt gebracht. Verkauft werden sie allerdings nur im Paket mit einer Wasserstoff-Tankstelle an Institutionen. Eine kleine Menge Wasserstoff soll ausreichen, um 100 Kilometer weit zu kommen.

Ganz so weit ist das DLR nicht. Erst 2020 wird die Brennstoffzelle in der Praxis getestet. Für Stuttgart, Den Haag, Versailles, Groningen und Aberdeen wird ein ganzheitliches Logistikkonzept entwickelt und der Antrieb einem Härtetest unterzogen. Vor allem, wenn es kalt ist, funktioniert der Wasserstoff nicht wirklich gut. Bei Minusgraden macht er bei Lastenrädern bisher noch schlapp.

Metallhydridspeicher gegen Kälteproblem

Das soll sich ändern. Der Trick ist ein kleiner Metallhydridspeicher: Im Winter wird er vor dem Start mit Wasserstoff befüllt. Dabei entsteht Wärme, mit der im Anschluss die Brennstoffzelle innerhalb von Sekunden vorgeheizt wird. Der Wasserstoff aus dem Metallhydridspeicher wird erst danach durch die Brennstoffzelle in elektrische Energie umgewandelt. Die Reichweite wird nicht reduziert.

Ob das alles auch so funktioniert, wie sich die Wissenschaftler es wünschen, wird sich noch zeigen. Im Moment ist die Technik noch im Laborstadium. Interesse in der Industrie ist aber vorhanden. Am EU-Förderprogramm „Interreg North-West-Europe“ sind neben dem DLR zahlreiche Unternehmen wie auch DPD beteiligt.

Dass wie bei Autos die Batterie die Nase vorn hat, liegt auch an den hohen Kosten der Brennstoffzelle. Um die zu senken, sind hohe Stückzahlen erforderlich. Deswegen sollen im Rahmen des Projekts die Produktionskosten reduziert werden, indem unter anderem die teuren Edelmetalle wie Platin verringert werden. „Daran arbeiten derzeit sowohl die Grundlagenforscher als auch die Industrie“, so Offermann. Er ist überzeugt, dass die Preise für den Wasserstoffantrieb sinken werden und er damit zu einer echten Konkurrenz für Batterien wird. Zielmarkt ist zunächst der gewerbliche Lastentransport auf der sogenannten letzten Meile – der Strecke zwischen Verteilzentren und Kunden, die durch den Online-Handel stark an Bedeutung gewinnt.

Noch hakt es an der Infrastruktur

Die fehlende Infrastruktur ist bisher ebenfalls eine Bremse für die Brennstoffzelle, für die eine Wasserstofftankstelle benötigt wird. Aus Sicht von Offermann ist das kein Problem, da sich die Brennstoffzelle derzeit vor allem für Flotten eigne. Auf dem Gelände eines Unternehmens eine Wasserstofftankstelle zu installieren, hält er für unproblematisch.

Der DLR-Projektleiter räumt ein, dass für den Ausbau einer Infrastruktur zur Bereitstellung von Wasserstoff Investitionskosten anfallen. Andererseits müssten auch die Stromnetze bei einem signifikanten Anstieg von batteriebetriebenen Fahrzeugen angepasst werden. „Wir müssen zukünftig so oder so in unsere Infrastruktur investieren.“

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