Vergoldet: Wie in „Mit einer dünnen Schicht Gold überzogen“. Der Name, The Gilded Age, also das mit Gold überzogene Zeitalter, kündet von glanzvollen Exzessen, von Wohlstand im Überfluss, der von den Begüterten zu den weniger Begünstigten herabträufelt und keck sämtliche düstere Voraussagen von Karl Marx Lügen straft. Diese Epoche, eine rein amerikanische Angelegenheit, begann etwa 1870 und endete 1905 – fünfunddreißig Jahre Wirtschaftswachstum, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte.

Es war die Zeit der diamond dinners, der Diamantenbanketts, die der mächtigste Bankier des Planeten, J. P. Morgan, in seinem Stadthaus an der Madison Avenue zu geben pflegte. Wenn die Damen ihre Serviette aufschlugen, fanden sie eine exquisite Perle darin, und die Herren im Smoking zündeten ihre Zigarren mit Hundertdollarnoten an (was exakt einem Drittel des durchschnittlichen Jahreseinkommens von 1880 entsprach). Geld in Hülle und Fülle, so viel, dass sogar die Armen etwas davon abbekamen. Et in Arcadia nos – auch wir waren in Arkadien, würden Barockmaler unter das Bild zeichnen.

In Wirklichkeit aber war dieses Zeitalter für die meisten Amerikaner alles andere als golden.

Ein bekannter US-Ökonom konstatierte 1880 (auch wenn er genau so gut über 2017 sprechen könnte) in der Gesellschaft eine „tiefgreifende Unruhe, eine dräuende Revolution“. Der Grund dafür? Die weit offene Schere zwischen Arm und Reich. Die USA zählten in jenem Jahr zwölf Millionen Haushalte. Elf davon lebten weit unter der Armutsgrenze.

Den Reichen war zu Recht nicht ganz wohl in ihren güldenen Betten, sie fürchteten einen „Blutrausch der Rache“, zumal als ihnen zu Ohren kam, dass die Masse der Bevölkerung nicht nur unglücklich war, sondern unglücklicherweise auch noch begann, sich zu organisieren. Im Geschäftsleben, in der Regierung, in der Presse, überall wurden Korruptionsskandale aufgedeckt. Man rief zu Streiks auf. Es kam zu spontanen Aufständen. Bald wussten alle, dass auch die Politiker, die lautstark die Korruption anprangerten, die Hand aufgehalten hatten.

Kommt uns das heute nicht bekannt vor?

1997, ich wohnte damals in Los Angeles, kam mir die Idee, einen Roman über Thomas Edison zu schreiben, den legendären Erfinder der ersten kommerziell vermarktbaren elektrischen Glühbirne. Wie? Ich erwachte auf meiner Couch, irgendwann nach Mitternacht. Ich schrieb damals in L.A. an meinem ersten Roman und hatte die Arbeit an jenem Abend nur kurz beiseitegelegt, um mir auf Channel Nine ein miserables Basketballspiel der Los Angeles Lakers anzusehen. Schlaftrunken und lustlos zappte ich mich durch die nächtlichen Sender , ohne große Hoffnung, noch auf etwas Tolles zu stoßen – und blieb beim History Channel hängen. Der zeigt gerade eine Schwarzweiß-Zeichnung aus dem Jahr 1880. Zu sehen war eine Gruppe von Männern mit Bowlerhüten, die in New York die Madison Avenue hinabmarschierten. Das Bemerkenswerte an dem Bild – und an den Männern – war, dass auf ihren Hüten oben eine leuchtende Glühbirne saß. Es war ein faszinierendes Bild, surreal, aus seltsam ferner Zeit. Es hatte etwas Magisches. Mit einem Ruck setzte ich mich auf, als sei mir gerade selbst ein Licht aufgegangen.

Ich hörte genauer hin. Wie ich erfuhr, hatte der Erfinder Thomas Edison diese Männer angestellt, damit sie die Gefahrlosigkeit seiner neuesten „Lampe“ und, wichtiger noch, der Elektrizität überhaupt demonstrierten, von der damals nur die wenigsten Menschen einen Begriff hatten. Viele stellten sie sich als eine Art Flüssigkeit vor, die aus den Drähten auslaufen, in die Möbel sickern und einem einen tödlichen Schlag versetzen konnte, wenn man etwa auf dem Sessel Platz nahm. Edison ging es darum, etwas zu beweisen. Er wollte die Welt verändern. Und wie sich herausstellte, tat er das auch. Er veränderte mehr – zum Guten, aber auch zum Schrecklichen – als er sich je hätte träumen lassen.

Zehn Minuten noch dauerte diese Dokumentarsendung über Edisons Ringen darum, die Sicherheit seiner Glühbirne unter Beweis zu stellen und sein Gleichstromsystem als Industriestandard durchzusetzen. Fünfzehn Jahre brauchte ich dann für meinen Roman über das Gilded Age, der zugleich ein Schlaglicht auf die Welt werfen sollte, in der wir heute leben.

Im Zentrum des Romans steht die Zusammenarbeit zwischen Thomas Edison und John Pierpont Morgan, der prägenden Figur der Finanzwelt des späten neunzehnten Jahrhunderts. Zwei Männer, wie sie unterschiedlicher kaum hätten sein können, Männer mit vollkommen gegensätzlichen Zielen, Idealen, Plänen und Methoden, die aber trotzdem die gemeinsame Zukunftsvision einer neuen Welt hatten, die sie zusammen aufbauen wollten.

Edison, der idealistische Erfinder, arbeitete wie besessen für sein Ziel, das Leben der einfachen Menschen zu erleichtern. Dieser junge Autodidakt aus einer Arbeiterfamilie, der schon mit dreizehn von der Schule abging, wählte sich als Lebensmotto einen Ausspruch von Thomas Paine: „Die ganze Welt ist mein Land, und Gutes tun meine Religion.“ Er war ein Wissenschaftler und Erfinder, wie er im Buche steht, kein Geschäftsmann – ein Menschenschlag, den er seiner kleinlichen Machtgier wegen verachtete. „Wahre Macht findet man nur in der Phantasie, in der Offenbarung der Geheimnisse des Lebens, im Licht, das in die dunkelsten Geheimnisse der Natur leuchtet.“

Und dann John Pierpont Morgan – Spross einer Bankiersdynastie, kultiviert und gebildet, Weltreisender und Kunstsammler, ein Mann, dessen Vision vom Wirtschaftsleben man nur napoleonisch nennen kann. Er sah internationale „Kombinate“ voraus (Konzerne, um es mit dem heutigen Begriff zu sagen), die mächtiger als die Regierungen der Länder sein und sich ihre Gesetze selbst geben würden, unbehelligt von der „kleinlichen Einmischung durch Politiker“, die nur an ihre Wiederwahl denken. Er wollte Bankiers, Geldexperten, an den Schalthebeln der Macht; diese Männer würden die Welt auf einen neuen Kurs bringen, fort vom verlustreichen Wettbewerb widerstreitender Interessen. Stattdessen sollten effizientere Monopolgesellschaften den Fluss von Kredit und Kapital steuern.

Idealistisch auch er, vom Geist des noblesse oblige beseelt, sah er in solchen Szenarien keinerlei Gefahr für die Öffentlichkeit. Er heuerte Männer wie Thomas Edison mit seiner gerade erfundenen Glühbirne an und stampfte mit ihrer Hilfe völlig neue Industriezweige aus dem Boden. Und er schuf Firmen, die er als Aufsichtsratschef am Ende selbst lenkte.

Beide Männer hatten einen schwierigen Charakter, beide waren überzeugt, dass sie die Welt verbessern würden. Edison sollte früher als Morgan die Schattenseiten dieser Partnerschaft erkennen, doch auch Morgan stürzte zuletzt und starb verbittert und allein.

Mein Roman erzählt von dieser aufregenden Umbruchszeit, gespiegelt in der Lebensgeschichte Edisons – eines Mannes, der nie die Rolle der gottgleichen Gestalt ausfüllen konnte, die seine Verehrer ihm aufdrängten, und der seine ureigensten Prinzipien verriet, als er Morgans verlockendem Angebot erlag: Geld ohne Ende im Tausch dafür, dass er Morgan half, die Weltwirtschaft völlig umzukrempeln. Hilflos musste Edison zusehen, wie er vom allseits verehrten Erfinder des elektrischen Lichts zum Komplizen bei der Erfindung des elektrischen Stuhls herabsank. Und er ließ sich von Morgans Lebensstil korrumpieren, fand Gefallen an einer Welt der Privilegien und der Macht, in der Pflicht und Begierden, Vertrauen und Skrupellosigkeit zusammenprallten und am Ende sein eigenes schöpferisches Leben auf dem Spiel stand.

Durch Edisons Partnerschaft mit Morgan wurde ihr doppelter Traum Wirklichkeit: eine elektrifizierte Welt, gesteuert von gewaltigen Konzernen, deren Macht zusammengenommen tatsächlich größer ist als die der Regierungen. Beide Männer erreichten, was sie sich wünschten. Wenn ich den Anfangspunkt unserer modernen Welt benennen soll, dann würde ich sagen, er liegt im Amerika der 1880er Jahre.

Der Ausdruck „The Gilded Age“ stammt aus einem Buch, das Mark Twain gemeinsam mit Charles Dudley Warner schrieb. „Was ist das größte Ziel im Leben eines Menschen?“ heißt es dort. Die Antwort: „Reich zu werden. Wie wird er das? – mit unlauteren Mitteln, wenn er kann; mit lauteren, wenn er muss.“

Viele Historiker betrachten den Untergang der Titanic als den Moment, an dem die Party endgültig vorüber war. Das Gilded Age ging zusammen mit diesem grandiosen Symbol seiner Macht und seines unbekümmerten Wohlstands unter. Die Systeme hingegen, die Morgan und Edison errichtet hatten, erwiesen sich als unzerstörbar.

Edison, der Vater des Elektrozeitalters, in dem wir heute – mit dem Smartphone in der Hand – alle leben, der Mann, der so gern Thomas Paine, den großen amerikanischen Revolutionär zitierte, hatte schon seit seiner Jugend die Vision, dass Technik mehr als jede andere gesellschaftliche Kraft das Los des Menschen verbessern kann, seine Leiden lindern, die Last leichter machen. Technik war für ihn kein Heilsbringer, aber doch ein Mittel, unsere Kräfte zu vervielfachen, die Welt, in der wir leben, zu beherrschen, sie für uns nutzbar zu machen. Seine Welt war noch voller Ressourcen, von den Gefahren einer ausgebeuteten Umwelt ahnte man damals noch nichts. Edisons Traum war es, sämtliche Hebel umzulegen, alle Kräfte der Natur zu entfesseln, die mächtigen Räder der Industrie in vollen Schwung zu bringen.

Wäre der große Mann heute noch unter uns, säße er in diesem Augenblick, da bin ich ganz sicher, in seinem staubigen Paletot über seine Werkbank gebeugt und würde neue Erfindungen ausbrüten, die wie immer aus 98 Prozent Transpiration und 2 Prozent Inspiration bestehen. Und er würde darauf vertrauen, dass in diesen zwei Prozent, wenn sie den Windungen eines genialen Verstands entspringen, jederzeit auch das Wunder enthalten sein kann, das die Menschheit doch noch vor der Selbstzerstörung bewahrt.

Aus dem Englischen übersetzt von Manfred Allié.

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