Die Ökostrom-Versorger in Deutschland gewinnen derzeit mehr Kunden als üblich, ergab eine Umfrage von EDISON. „Wir spüren die Debatte um den Hambacher Forst. Seit dem Beginn der Rodungsarbeiten sind unsere Neuanmeldungen etwa doppelt so hoch wie zuvor“, erklärt beispielsweise Tim Loppe, Pressechef bei Naturstrom.

Bei den süddeutschen Elektrizitätswerken Schönau, die ebenfalls ausschließlich Ökostrom anbieten, ist die Wechselquote von RWE-Kunden von üblicherweise rund fünf auf 13,5 Prozent gestiegen, erfuhr EDISON. Und ein Sprecher von Lichtblick konstatiert: „Die Zahl unserer Online-Neukunden ist im September um 100 Prozent gestiegen. Das ist ein klares Signal für die Abschaltung der Kohlekraftwerke und den Erhalt des Hambacher Waldes.“

Auch Greenpeace Energy habe Wechsler „deutlich im vierstelligen Bereich“ gewinnen können, etwa ein Drittel von RWE-Töchtern. Interessant: Ebenfalls ein Drittel wechsle in den Tarif „Solarstrom plus“, der zehn Prozent Solarstrom aus deutschen Braunkohleregionen garantiere, so ein Sprecher.

Nicht nur Umweltaktivisten, sondern auch zufriedene Kunden und prominente Unterstützer hatten in den vergangenen Wochen RWE-Kunden dazu aufgerufen, den Stromanbieter zu wechseln. Das Problem dabei ist: RWE besitzt ein Konglomerat von Tochterunternehmen und Beteiligungen. Deshalb wussten viele Verbraucher bislang nicht, dass sie ihren Strom von einer Tochter des Essener Energieversorgers beziehen.

Auf der anderen Seite gibt es in Deutschland nur wenige echte Ökostromanbieter. Viele Vermarkter kaufen den Strom von großen Kohlekraftwerken – und erwerben gleichzeitig schwedische Wasserkraft-Zertifikate, um besagtem Strom ein neues, grünes Label zu verpassen. Sie selbst investieren gar nicht in Erneuerbare Energien.

Naturstrom, Lichtblick, EWS Schönau und Greenpeace Energy gehören hingegen zu den Pionieren der Ökostromanbieter. Es gibt mit Bürgerwerke, Polarstern oder dem Ökostrom-Marktplatz Enyway aber auch jüngere Unternehmen, die erst nach der Fukushima-Katastrophe an den Markt gekommen sind.

Die fallen in der aktuellen Debatte zwar ein wenig unter den Tisch – trotzdem zeigt sich Polarstern-Geschäftsführer Florian Henle zufrieden: „Die Anzahl der Ökostrom-Wechsler hat sich bei uns allein in der vorletzten Woche mehr als verdoppelt, verglichen zum Vorjahr“, sagt er. Der Anteil der Neukunden, die von RWE-Vertriebstöchtern zu Polarstern gewechselt seien, liege in diesem Zeitraum bei rund 15 Prozent.

Sprunghafter Anstieg mittlerweile unproblematisch

Gerade aus den Großstädten nahe des Hambacher Forsts kommen viele Neuanmeldungen, erklärt Tim Loppe von Naturstrom. Aber stellt ein plötzlicher Zuwachs an Kunden einen Ökostromversorger nicht vor Probleme? Woher sollen beispielsweise die zusätzlichen Windräder und Solaranlagen kommen? Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima stand Naturstrom mit einer sehr kleinteiligen Lieferantenstruktur tatsächlich vor großen Problemen. „Einzelne Vertriebler mussten auf die Deiche und mit den Windmüllern sprechen, damit diese auf ihre EEG-Vergütung verzichteten und an uns lieferten“, erzählt Loppe.

Heute setzt Naturstrom weniger auf EEG-vergütete Anlagen, hat weniger Lieferanten und dürfte nun die gekaufte Menge an Strom aus Wasserkraft aus Süddeutschland erhöhen. „Damals hatten wir auch ein deutlich geringeres Ausgangsniveau, was unseren Kundenstamm angeht“, so Loppe.

Aber auch der junge Konkurrent Polarstern gibt an, die Anzahl der Neuanmeldungen „sehr gut zu bewältigen.“ Zusätzliche Zertifikate müsse man nicht einkaufen, sagt Sprecherin Anna Zipse. Flexibilitäten in der Beschaffung seien mit den Lieferanten vereinbart. Ähnlich äußern sich die EWS Schönau und Greenpeace Energy.

Wer jetzt also wechselt, muss keine Angst haben, am Ende doch nur umgelabelten Kohlestrom zu bekommen. Und die Ökostromanbieter haben in den vergangenen Jahren auch immer wieder in neue Wind-, Biogas- oder Sonnenstrom-Anlagen investiert. Naturstrom spricht von 300 Kraftwerken, EWS Schönau von über 70 Prozent Strom aus Neuanlagen.

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