Eigentlich jeder Großstädter in Deutschland jammert über das Chaos auf den Straßen, Staus im Berufsverkehr, Lärm und Abgase. Und jetzt haben es die Bürger auch noch schriftlich: Die Verkehrsbelastung in Deutschlands Städten nimmt zu. Am stärksten leiden die Bürger in Hamburg, gefolgt von Berlin, Nürnberg, Bremen, Stuttgart und München. In diesen Städten verlieren Autofahrer die meiste Zeit durch Verkehrsbehinderungen. Das zeigt eine Analyse des niederländischen Navigations- und Kartenspezialisten TomTom. Dessen Experten haben weltweit die Verkehrsverhältnisse von 403 Städten in 56 Ländern auf 6 Kontinenten untersucht, davon 25 deutsche.

Um das Chaos auf den Straßen in Zahlen zu gießen, haben die TomTom-Experten einen Index ermittelt, wie viel länger Automobilisten durch verstopfte Straßen durchschnittlich unterwegs sind im Vergleich zum frei fließenden Verkehr. Für Hamburg bedeutet das etwa: Benötigt ein Pkw nachts bei freier Fahrt 30 Minuten für eine Strecke, ist er morgens im Berufsverkehr 46 Minuten, also 54 Prozent länger unterwegs (siehe Tabellen unten).

Der wichtigste Grund für den Dauerstau: Die Deutschen besitzen immer mehr und immer größere Auto. Im Vergleich zu 1960 hat sich der Fahrzeugbestand verzehnfacht. In den Städten ist es nun einmal kaum noch möglich, mehr Platz für Pkws und Lkws zu schaffen – und schon gar nicht politisch durchsetzbar. Also verstopfen selbst die großen Ring- und Ausfallstraßen. Das Bild bestätigen auch andere Untersuchungen etwa die des ADAC. Laut dem Verkehrsclub nahm die Zahl der Staus bundesweit 2018 um drei Prozent zu und wuchs deren Länge um fünf Prozent auf etwa 1,5 Millionen Kilometer – eine Blechschlange, die etwa 38-mal um die Erde reichen würde.

Steigende Mieten, längere Staus

Aber die Verkehrssituation unterscheidet sich durchaus von Kommune zu Kommune. So beobachteten die Statistiker von TomTom, dass in Städten mit sehr hohen oder stark steigenden Mieten – wie Hamburg und Berlin – auch die Verkehrsbelastung sehr hoch ist. Der Immobilienpreisboom zwingt viele Menschen ins Umland, daher schwellen die Pendlerströme am Morgen und Abend an. Das zeigen die Analysen von GPS-Koordinaten in der Datenbank von TomTom, die Rückschlüsse auf die gefahrenen Strecken und dabei erreichten Geschwindigkeiten der Fahrzeuge ermöglichen.

Aber es gibt durchaus auch Städte, in denen sich die Verkehrslage etwas entspannt hat. So etwa in Wiesbaden, hier sank der Index um fünf Prozent oder in Stuttgart (minus ein Prozent). Möglicherweise haben hier Maßnahmen gegen drohende Fahrverbote für ältere Diesel auch den Verkehrsfluss etwas verbessert, weil Menschen beispielsweise auf den Nahverkehr umgestiegen sind.

Am schlimmsten ist es in Mumbai

Die Autofahrer sind den Staus durchaus nicht völlig hilflos ausgeliefert. TomTom empfiehlt zum Beispiel Fahrgemeinschaften zu bilden, was gerade in Städten mit vielen Pendlern leichter realisierbar ist. Oder wenn irgend möglich, Stoßzeiten zu vermeiden. Was wiederum in Zeiten von Gleit- und Teilzeit im Job durchaus klappen könnte. Oder sich an die Empfehlungen des Navis zu halten, wenn es über Verkehrsinformationen in Echtzeit verfügt.

Und vielleicht relativiert sich der Ärger über das morgendliche Stop and Go beim Blick über die Grenzen. Deutschlands Stauhauptstadt Hamburg liegt weltweit auf Platz 67 von den über 400 untersuchten Städten. Im indischen Mumbai, dem Spitzenreiter des Rankings, brauchen Autofahrer im Jahresschnitt 65 Prozent mehr Zeit für eine Strecke im Vergleich zur freien Fahrt – was doppelt so viel ist wie in Hamburg mit seinen 33 Prozent. Und selbst im europäischen Vergleich liegt Hamburg auf Platz 30 weit hinter dauerstaugeplagten Metropolen wie Moskau, Paris oder London.

Schlimmer geht es durchaus immer.

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