Es war geschickt getimt: Nach einem Sommer mit Rekordtemperaturen in Mittel- und Nordeuropa und immer häufiger auftretenden Extremwettern forderte Klimakommissar Miguel Arias Cañete vor kurzem mehr Anstrengungen beim Klimaschutz. Statt die Emissionen von Treibhausgasen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, wie es bisher geplant ist, sollten die Mitgliedstaaten den Ausstoß um 45 Prozent verringern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ Cañete gleich wieder abblitzen. Sie sei „im Augenblick über diese neuen Vorschläge nicht so glücklich“, sagte sie im Sommerinterview der ARD. Man müsse erst einmal die Ziele erreichen, die man sich bereits gesetzt habe. Sie ist wohl auch deshalb so zurückhaltend, weil Deutschland die selbstgesteckten Ziele krachend verfehlen wird, bereits 2020 mindestens 40 Prozent weniger CO2 in die Atmosphäre zu pusten.

Immerhin sieht auch Merkel Handlungsbedarf. So erklärte sie im Interview, eine Verkehrswende sei nötig, etwa sollten mehr Elektroautos auf die Straßen kommen.

Aber was bringt das wirklich für das Klima? Ist das Verlagern von Güterverkehr auf die Schiene oder das Fördern des Fahrradfahrens womöglich effizienter? Genau mit dieser Frage hat sich der Berliner Thinktank Agora Verkehrswende in einer neuen Studie beschäftigt. Hinter der Denkfabrik stecken die Stiftung Mercator und die European Climate Foundation. Das Ergebnis: Es gibt nicht die Einzelmaßnahme, mit der sich im Verkehrsbereich die bereits von der vorherigen Bundesregierung beschlossenen Klimaschutzziele erreichen lassen. Stattdessen ist immer ein Bündel von Maßnahmen erforderlich. Die die Politik dringend angehen muss – und die die Mobilität in Deutschland tiefgreifend verändern werden.

Klimaschutz im Verkehr gibt es nicht umsonst

„Die derzeitige Legislaturperiode ist für die Verkehrswende in Deutschland entscheidend“, schreiben die Experten vom Öko-Institut und vom International Council on Clean Transportation (ICCT), die für Agora Verkehrswende die Studie verfasst haben. Denn bisher steigen die CO2-Emissionen des Verkehrs leicht, statt kräftig zu sinken. Um den Ausstoß an Treibhausgasen in diesem Bereich um 40 bis 42 Prozent zu senken, wie es die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgesehen hat, müssten durch den Landverkehr rund 50 Millionen Tonnen CO2 weniger in die Umwelt gelangen.

Um das zu erreichen, hat die Politik drei Möglichkeiten, so die Studienautoren: Sie kann erstens durch strengere Vorschriften dafür sorgen, dass Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotoren deutlich weniger Sprit verbrauchen, und sie kann den Einsatz von emissionsfreien Elektrofahrzeugen fördern. Zweitens kann sie versuchen, Autofahrer dazu zu bringen, auf klimafreundlichere Verkehrsmittel wie die Bahn, den Nahverkehr und das Fahrrad umzusteigen. Das wird nur gelingen, wenn das Autofahren deutlich teurer wird sowie ÖPNV und Radfahren attraktiver. Und drittens könnte sie auf alternative, dekarbonisierte Treibstoffe setzen, also Wasserstoff, Erdgas oder Benzin, die synthetisch mit Hilfe von Solar- und Windstrom hergestellt werden.

Das Video zeigt beispielhaft Maßnahmen, die jeweils dafür sorgen, dass eine Million Tonnen an CO2-Emissionen vermieden werden. Etwa eine Erhöhung der Mineralölsteuer um fünf Cent pro Liter, 0,5 Millionen zusätzliche Elektroautos oder die Zunahme des Rad- und Fußverkehrs um 17 Prozent, etwa durch bessere Radwege in den Städten. Zur Erinnerung: Insgesamt sollten die Emissionen um 50 Millionen Tonnen sinken.

Die Autoren der Agora-Studie legen sich nicht auf ein konkretes Bündel von Maßnahmen fest. Aber sie machen auch klar, dass etwa die Dekarbonisierung der Treibstoffe kaum noch bis 2030 im ausreichenden Umfang zu schaffen ist und zudem einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien erfordern würde. Umgekehrt gibt es bis heute keine Emissionsgrenzwerte für Lkw in Europa anders als für Pkw. Hier ließe sich also relativ einfach etwas für den Klimaschutz tun.

Insgesamt plädiert Agora Verkehrswende dafür, die Vorschriften für die Flottenverbräuche von Pkw und Lkw zu senken und den Umstieg auf Elektroautos zu fördern. Da das nicht reicht, müssen auch ein Teil der Treibstoffe dekarbonisiert werden. Vor allem aber sollte der Güterverkehr auf der Bahn, der ÖPNV und der Radverkehr attraktiver werden. Das alles wird nur funktionieren, wenn die Nutzung von Pkw und Lkw durch höhere Mineralölsteuern oder eine streckenabhängige Maut teurer wird.

Was sicherlich keine sehr populären Maßnahmen sind. Bleibt also abzuwarten, ob Bundeskanzlerin Merkel wirklich den Mut und den Gestaltungswillen aufbringt, für den Klimaschutz eine echte Verkehrswende durchzusetzen.

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