Ein wesentlicher Knackpunkt beim erwarteten Hochlauf der E-Mobilität in Deutschland ist die Forschung an Batteriematerialien. Um Lebensdauer, Reichweite und Ladeeigenschaften von Akkus zu optimieren, wird vor allem nach den passenden Elektrolyten gesucht. Ein internationales Forscherteam erreichte nun einen wissenschaftlichen Durchbruch bei der Entwicklung einer Feststoffbatterie für E-Fahrzeuge, meldet der Newsletter „Energate Messenger“. Kurz zuvor haben US-Wissenschaftler, die mit dem Elektroautopionier Tesla kooperieren, die Energiedichte und Haltbarkeit von Akkuzellen mit flüssigem Elektrolyt erhöhen können.

Die neue Klasse von Festelektrolyten, an der das Forscherteam um Geoffroy Hautier von der freien katholischen Uni UC Louvain aus Belgien und Martin Wikening von der TU Graz arbeitet, setzt auf ein Lithium-Titanthiophosphat (LTPS) mit „ungewöhnlicher Kristallstruktur“, wie die TU Graz mitteilte. An der Forschung wirken neben den Belgiern und den Österreichern auch Wissenschaftler der TU München sowie des japanischen Toray Research Centers und des ebenfalls japanischen Autobauers Toyota mit.

Feststoffbatterien gelten als sicherer

Aktuell sind Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigen Elektrolyten Stand der Technik. Einen marktreifen Feststoffakku (Solid-State-Battery) gibt es noch nicht. Wegen der höheren Energiedichte fester Elektrolyte gelte diese Technik generell gerade für die E-Mobilität als derzeit vielversprechendstes Forschungsgebiet, so die TU Graz. Wichtig zu wissen: Je höher die Energiedichte ist, desto leichter ist eine Batterie bei identischer gespeicherter Energiemenge. Außerdem gelten Feststoffbatterien als sicherer, weil sie schwerer in Brand geraten.

Ihr großer Nachteil ist jedoch die mangelnde Leitfähigkeit. Der neue Ionenleiter des internationalen Forscherteams mit der Summenformel LiTi2(PS4)3 ist da allerdings anders. „Er zeigt einen der schnellsten je gemessenen Lithium-Wanderungsprozesse in einem Lithium-Ionenleiter“, erklärte die TU Graz. Gemessen am Diffusionskoeffizienten übertreffe die Beweglichkeit der Ionen die bisherigen Spitzenreiter-Technologien.

„Geometrische Frustration“ erhöht die Leitfähigkeit

Grund dafür ist die kristalline Struktur. Diese zeichne sich durch eine sogenannte geometrische Frustration aus. „Im Gegensatz zu anderen Ionenleitern bietet die Kristallstruktur von LTPS keine energetisch stark begünstigten Verweilplätze für die Ionen“, so das Forscherteam. „Sie sind daher nie mit ihrem aktuellen Platz zufrieden und unterliegen somit einer Frustration.“ Das sorge wiederum dafür, dass die Ionen sich konstant sehr schnell bewegen.

„Die Lithium-Ionen suchen mehr oder weniger verzweifelt einen geeigneten Platz. Genau diese hohe Ionenbeweglichkeit wollen wir in Elektrolytkörpern für Feststoffbatterien haben“, sagte Martin Wikening von der TU Graz. „In der Struktur von LTPS können die Lithium-Ionen auf ringförmigen Pfaden hin- und her-, sowie von einem Ring zum nächsten springen. Der letzte Schritt, der Inter-Ring-Prozess, ermöglicht den langreichweitigen Ionentransport“, führt der Wissenschaftler aus.

Außerdem entdeckten die Wissenschaftler eine weitere vielversprechende Eigenschaft von LTPS. Selbst bei extrem niedrigen Temperaturen bleibt die Leitfähigkeit erhalten. Wikening zufolge kamen besagte Inter-Ring-Prozesse selbst bei minus 253 Grad Celsius nicht vollständig zum Erliegen. In einem nächsten Schritt will das Team weitere Materialien mit ähnlichen Eigenschaften finden. Die UC Louvain hat die Entdeckung von LTPS zum Patent eingereicht.

Tesla-Forscher ersetzen Graphit-Elektroden

Einem Team um den renommierten Batterie-Forscher Jeff Dahn von der Dalhousie University in der kanadischen Provinz Novia Scotia ist es fast zeitgleich gelungen, Lithiumionen-Akkus mit flüssigem Elektrolyt zu verbessern. Der Zelltyp findet sich im Elektroauto genauso wie in E-Bikes und Smartphones. Er wird heute weltweit in Fabriken in großem Stil produziert. Diese Fertigungskapazitäten hoffen die Kanadier mit ihrem Konzept nutzen zu können, während für Festkörper-Akkus die Hersteller wohl neue Produktionsstraßen errichten müssten.

Den Wissenschaftlern haben es geschafft, die traditionellen Graphit-Elektroden zu ersetzen. Das dafür nötige metallische, ungeladene Lithium entsteht aus Lithiumionen während des ersten Ladens, muss also nicht extra eingebracht werden. Ihre Zellen hielten im Labor 90 Ladezyklen durch und verfügten dann noch über 80 Prozent ihrer Speicherkapazität. „Die bisher längste Lebensdauer“ für diesen Zelltyp, wie die Forscher im Fachmagazin „nature energy“ schreiben. Zudem arbeiten die Prototypen ihrer flachen Pouch-Zellen bereits unter sehr praxisnahen Bedingungen, wie der Experte Ji-Guang Zhang vom Pacific Northwest National Laboratory im US-Bundesstaat Washington lobt. Allerdings müssen sie noch deutlich mehr Ladezyklen durchhalten, gibt er zu bedenken, bevor sie alltagstauglich sind.

Das Forscherteam um Jeff Dahn kooperiert seit 2016 mit Tesla. Der kalifornische Autobauer hat in Nähe der Dalhousie-Universität ein eigenes Forschungslabor eingerichtet. Gemeinsam haben die Partner bereits mehrere Patente eingereicht.

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