Im Hamburger Hafen herrscht regelrechte Rush-Hour. Bis zu 40.000 Lastwagen quälen sich hier an einem Tag durch die Straßen, um Container hin und her zu transportieren. Staus, welche die komplexe Logistikkette unterbrechen, kann sich niemand leisten. Eine intelligente Ampelsteuerung soll für freie Fahrt sorgen. In Zukunft. Theoretisch könnten zwar alle Ampeln mit Glasfaser verbunden werden. Aber das ist viel zu teuer, viel zu aufwendig und an vielen Stellen aufgrund der vielen Wasserwege gar nicht möglich.

5G ist für den Hafenbetreiber Hamburg Port Authority (HPA) die Lösung. Ein Turbo-Funknetz, das es noch gar nicht gibt. Datenraten von bis zu zehn Gigabit pro Sekunde soll 5G erreichen und damit zehnmal schneller als der modernste LTE-Standard und eine echte Alternative zum Glasfasernetz sein. Oder anders ausgedrückt: Bis zu 100 Milliarden Mobilfunkgeräte kann 5G gleichzeitig erreichen.

5G bietet „enormes Potenzial“

Nach den ersten neun Monaten hat die Hafenbehörde HPA eine positive Zwischenbilanz gezogen. Das Funksignal, das von einer Sendeanlage auf dem Hamburger Fernsehturm in mehr als 150 Metern Höhe abgestrahlt wird, sei im Hafengebiet stabil zu empfangen, sagt HPA-Chef Jens Meier.

Die Praxistests mit drei verschiedenen industriellen Anwendungen verliefen vielversprechend. „Wir haben einen ersten Eindruck bekommen, welches enormes Potenzial uns 5G bieten wird“, sagte Meier der DPA.

Der Feldversuch im Hamburger Hafen hatte Anfang Februar auf rund 8000 Hektar Hafengebiet begonnen. Die Europäische Union fördert mit 7,7 Millionen Euro die zweijährige Pilotphase in Venedig und Hamburg. Die italienische Metropole an der Adria soll die touristischen, die Hansestadt die hafenspezifischen Anwendungsgebiete erforschen.

Mit im Boot sind neben der HPA die Telekom, Handy-Hersteller Nokia und verschiedene Universitäten. Private Nutzer müssen sich noch in Geduld üben. Die europaweite Einführung ist erst 2020 geplant.

„Wir haben dann die Nase vorn“

„Wir bestimmen den weltweiten Standard mit“, sagt HPA-Sprecher Kai Gerullis. „Wir haben dann die Nase vorn.“ Die Herausforderungen sind groß: „Wir betreten technisches Neuland, da es weder den Standard noch die Endgeräte dafür gibt“, so Gerullis.

Testraum für 5G
Das komplexe Gebilde des Hamburger Hafens ist ideal, um den neuen Funkstandard 5G zu testen. (Foto: HPA/Martin Elsen)

Rund 9000 Schiffe laufen Hamburg jedes Jahr an. 138,2 Millionen Tonnen Ladung gingen 2016 über die Kaikante des größten deutschen Seehafens. Ohne die Digitalisierung wären die Abläufe kaum noch zu optimieren. „Die von der HPA eingesetzten Steuerungssysteme sind weltweit führend, das Zusammenspiel von Sensortechnik, Analyse-, Prognose- und Informationssystemen sorgt für enorme Effizienzsteigerungen“, so der HPA-Sprecher. So sind bereits DIVA-Tafeln(„Dynamische Information zum Verkehrs-aufkommen“) im Einsatz, um allen Verkehrsteilnehmern zur richtigen Zeit, die richtigen Informationen zukommen zulassen.

Virtual und Augmented Reality mit 5G möglich

Getestet werden noch Virtual und Augmented Reality. Mit einer Spezialbrille können Kapitäne, Lotsen und Ingenieure nicht nur ihr reales Umfeld sehen, sondern sich auch relevante Informationen wie die Wassertiefe in das Sichtfeld einblenden lassen. „Dafür brauchen wir ein Netz, das mehr hergibt als LTE“, sagt Gerullis.

Der neue Funkstandard 5G, der so heißt, weil er nach GSM, EDGE, UMTS und LTE die fünfte Generation der mobilen Internetnutzung darstellt, ist für die HPA der nächste Meilenstein. Die Schnelligkeit ist für die Hafengesellschaft nicht entscheidend. Wichtig ist, ein eigenes, geschlossenes Netz einzurichten – sozusagen ein Netz-im-Netz, das einen Zugriff von außen nicht möglich macht. „Das erlaubt uns das Betreiben von Funktionen, die vorher nicht möglich waren“, so der HPA-Sprecher.

Die smarten Ampeln sind eines der ersten Projekte. Eine Videoüberwachung des Verkehrsraums, bei der Kameras an neuralgischen Kreuzungen die Verkehrssituation verfolgen und die Daten ins Port Road Management-Zentrum senden, sowie die Messung der Windstärke und Überwachung der Luftqualität sind weitere Versuche. Dafür werden einige der 50 HPA-Schiffe mit Sensoren ausgestattet, die in Echtzeit Daten aus jedem Winkel des Hafens übermitteln. Der Standort eines Luftverschmutzers kann damit sofort ausfindig gemacht werden. Bisher gibt es nur feste Luftmess-Stationen, was die Suche nach der Ursache einer schlechten Luftqualität mühsam macht. Auch sensible Bereiche wie die Steuerung der Schleusen sind mit dem neuen Funkstandard aufgrund der Verlässlichkeit möglich.

Und es gibt noch einen Vorteil: 5G braucht weniger Energie als sein Vorgänger, wodurch Batterien länger halten. „Damit können wir auch Sensoren an Stellen wie Hochbrücken anbringen, die nicht leicht erreichbar sind und nicht ständig ausgewechselt werden können“, erklärt Gerullis die Möglichkeiten des Super-Netzes.

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