„Wie war bei uns es doch vordem, mit Klimaleugnen so bequem!“, möchte man in Anlehnung an das Kölsche Märchen von den Heinzelmännchen sagen. Die Leugner von damals heißen heute „Skeptiker“ und sind deutlich leiser geworden. Und wirklich bequem ist es auch nicht mehr.

Gestern berichteten wir bei Edison noch darüber, dass sich der Wintersport in den Alpen bald nicht mehr rentieren dürfte – zu wenig Schnee. Heute hingegen berichten viele Medien, dass der Anstieg der Meeresspiegel große Probleme mit sich bringt.

„Seit 1993 stieg der Meeresspiegel im weltweiten Durchschnitt jährlich um etwa drei Millimeter“, berichtet das Handelsblatt. Das Problem: Es ist längst kein gleichmäßiges Ansteigen mehr. Die nun gemessene Beschleunigung könnte dazu führen, dass der Anstieg im Jahr 2100 zehn Millimeter pro Jahr betrage.

Das geht aus dem Bericht einer Forschergruppe geführt von Steve Nerem der University of Colorado in Boulder hervor, erschienen in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“).

Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte demnach der Durchschnittspegel an den Küsten um 65 Zentimeter höher liegen als im Jahr 2005 – bisher waren häufig etwa 30 Zentimeter angenommen worden. „Und das ist mit ziemlicher Sicherheit eine vorsichtige Schätzung“, wird Nerem in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.

Schmelzendes Eis treibt Klimawandel

Nerem und Kollegen verwendeten die längste bisher vorhandene Satellitenmessreihe zur globalen Meereshöhe. Sie begann mit dem Start des Erdbeobachtungssatelliten „Topex/Poseidon“ im August 1992. Die Wissenschaftler berücksichtigten auch das Klimaphänomen El Niño oder den Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo 1991. Denn solche Ereignisse verändern Einzeldaten teils massiv.

Nun also exponentielles Wachstum der Wassermassen im Meer, nicht nur wegen der schwindenden Eisschilde, sondern auch, weil Wasser sich bei Erwärmung ausdehnt. „Die Studie stellt sehr glaubhaft dar, dass es eine Beschleunigung des Anstiegs gibt“, urteilt Ingo Sasgen vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Die Forscher hätten sehr gründlich gearbeitet und zahlreiche Effekte, die nichts mit dem Klimawandel zu tun haben, herausgerechnet.

Die Kollegen von Correctiv haben im vergangenen Jahr rund 700.000 Pegelstände ausgewertet. Die sehenswerte Ausarbeitung zeigt: Nicht überall steigt der Pegel, vor allem nicht gleichmäßig. Das hängt von Lage, Strömungen und anderen Faktoren ab: Und dort, wo heute noch Schnee und Eis das Land bedecken, sinkt mit der Schmelze auch das Gewicht auf die Erde. Trotzdem müssen viele Küstenregionen sich darauf einstellen, buchstäblich ihr Land zu verteidigen. Über die Deicherhöhung in Norddeutschland berichtete WiWo Green schon vor über einem Jahr.

Schwierige Datenerhebung

Die große Mehrheit der Klimaforscher ist sich einig, dass die steigenden Temperaturen auf den menschlichen Einfluss auf das Klima zurückzuführen sind. Auch wenn sich Wärme- und Kälteperioden abwechseln – zu dem rasanten Anstieg der Temperatur seit Beginn der Industrialisierung dürfte ein vom Menschen verstärkter Treibhauseffekt beigetragen haben, der aus dem massiven Verbrennen von fossilen Energieträgern resultiert.

Welchen Einfluss die Treibhausgase genau haben – das ist schwierig festzustellen. Das beginnt bei der Temperatur, wie Klimaforscher Stefan Rahmstorf gestern in einem lesenswerten Blogbeitrag erklärte. So können Forscher immer noch nicht genau die Erdtemperatur erheben – und empfehlen deshalb lieber relative Ziele, also die Erwärmung zu begrenzen.

Aber Rahmstorf schreibt auch, dass der Absolutwert der weltweiten Durchschnittstemperatur keine große Relevanz habe: „Was zählt ist die Veränderung der globalen Temperatur, und die ist bestens dokumentiert und hat bereits erhebliche Auswirkungen auf uns Menschen.“

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