Für die Stadt der Zukunft gibt es viele schlaue Ideen. Die meisten setzen auf komplizierte Technologie, Vernetzung, auf jeden Fall sind sie neuartig – „smart“ eben. In ihrem Alltag kämpfen Auto- und Radfahrer dann aber doch mit so analogen Dingen wie Schlaglöchern oder einer zerschlissenen Asphaltdecke. Diese zu entdecken und zu beseitigen ist Sache der kommunalen Straßenbauämter, die dabei noch ganz traditionell vorgehen: Inspektoren fahren durch die Straßen, halten die Augen auf und erstellen Zustandsberichte. Eine langwierige Prozedur. Deshalb kann es dauern, bis sich das Straßenbild verbessert. Oft ist der Schaden dann schon größer geworden.

Das Stuttgarter Start-up Vialytics bringt mit einer neuen Idee Tempo in die Sache. Seine Software arbeitet mit Bildern von Handys, die an die Windschutzscheiben von Müllautos, Linienbussen oder Kehrmaschinen angebracht werden. Das Ergebnis: Automatisierte Zustandsberichte des städtischen Straßennetzes, täglich aktualisiert. Die Kommunen können sich damit viel Geld für die Straßenüberwachung sparen.

Straßen bekommen Schulnoten

„Heute dauert es Monate, bis das Tiefbauamt das Ergebnis einer Straßeninspektion auf dem Schreibtisch hat“, sagt Daniel Jovicic, einer der drei Vialytics-Gründer. Nicht so in Ludwigsburg, denn dort ist die Idee der Jungunternehmer bereits im Einsatz. In der Stadt wird jede Straße einmal monatlich von einer der vier städtischen Kehrmaschinen abgefahren. Die haben vorne ein Vialytics-Handy installiert, das regelmäßig Bilder schießt und in die Cloud schickt. Dort analysiert die Software die Aufnahmen mithilfe neuronaler Netze. „Eine einfache Bilderkennung genügt nicht für unsere Anforderungen“, erklärt Jovicic die neue Technologie. Das Straßenbauamt von Ludwigsburg erhält von ihm regelmäßig eine Webkarte, in der das Wegenetz in Vier-Meter-Abschnitte eingeteilt ist. Jeder Abschnitt bekommt eine Schulnote – sie zeigt seinen Zustand an.

Das System entdeckt beispielsweise Risse in der Fahrbahn, die einem Autofahrer gar nicht auffallen würden. Sie sind aber in der Regel der Anfang von größerem Ärger. „Wenn solche Schäden schnell geflickt werden, erspart sich das Tiefbauamt später aufwendige Reparaturen“, sagt Jovicic. Diese kleinen Arbeiten kann auch der städtische Bauhof erledigen, für größere Aktionen müssen Firmen beauftragt werden. „80 Prozent der Straßenbaukosten gehen bislang in die Erneuerung von Straßen. Der kleine Rest wird für einfache Reparaturen aufgewendet. Dieses Verhältnis wollen wir umdrehen“, sagt Jovicic.

Schlaglöcher vorauszusehen spart Reparaturkosten

In Zukunft will sein Unternehmen sogar Vorhersagen liefern, wann ein Straßenabschnitt repariert werden muss. Solche Prognose-Systeme sind in vielen Bereichen auf dem Vormarsch, sie setzen aber umfangreiches Datenmaterial voraus. „Drei bis fünf Jahre müssen wir zunächst Informationen über diese Gebiete sammeln“, schätzt Jovicic.

In Kombination mit Wetter- und Klimadaten können dann für einzelne Kommunen präzise Prognosen erstellt werden. Die Behörden wüssten dann zum Beispiel, ob eine geplante Umleitung die entsprechende Straße zu sehr belastet. Bislang war die Ausweichmöglichkeit dann vielleicht am Ende selbst ein Fall für eine teure Reparatur. Wenn das schon vorher klar wäre, könnte man eine andere Umleitungsstrecke suchen.

Der Aufwand für das System klingt überschaubar. Während in Ludwigsburg vier Geräte unterwegs sind, würden in einer Großstadt wie Düsseldorf zehn bis 15 Handys im täglichen Einsatz genügen. Die eigentliche Arbeit erledigt schließlich eine Software.

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