Dass VW die Branche mit Elektroautos demnächst regelrecht überrollen will, hat sich schon herumgesprochen. Und jetzt gibt es erste Details zum Pilotwerk Zwickau, dass in Nullkommanichts zur „leistungsfähigsten E-Auto-Fabrik Europas“ (Zitat VW) umgebaut wird. Im November nächsten Jahres startet in Sachsen die Serienproduktion des rund 4,20 Meter langen Kompaktmodells ID., das mit WLTP-Reichweiten zwischen 330 und 550 Kilometern sowie einem Einstiegspreis von unter 25.000 Euro locken soll. Basis ist der neue modulare E-Antriebs-Baukasten.

Vorgestellt wird der erste ID. kurz vor der Frankfurter IAA im September nächsten Jahres, Verkaufsstart ist aber erst im März 2020. Parallel zum VW ID. läuft in Zwickau wenig später eine ähnliche Kompaktlimousine für Seat vom Band, und nur ein halbes Jahr später, also im dritten Quartal 2020, folgt mit dem ID. CROZZ das erste SUV-Modell — mit 4,64 Metern rund 14 Zentimeter länger als ein VW Tiguan. Parallel dazu bauen die Sachsen auf gleicher Basis für Audi eine SUV-Version im Format des aktuellen Q5. Und von beiden SUV-Modellen, so erfuhr EDISON jetzt, werden in Zwickau anschließend noch coupéhafte Versionen gebaut. In der finalen Ausbaustufe des Werks, so also der Plan, sollen ab 2021 in Zwickau sechs E-Modelle von drei VW-Konzernmarken produziert werden.

Auf bis zu 330.000 E-Autos (mehr als an jedem anderen VW-Standort) will VW die Kapazität des Zwickauer Werkes schrauben, und die gesamte Produktion soll ökologisch vorbildlich, also komplett CO2-neutral laufen. Dazu Thomas Ulbrich, Vorstand E-Mobilität: „Wir wollen mit unseren Elektroautos einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Der ID. wird ein Vorbild in Sachen nachhaltige Mobilität sein.“

Gleichzeitig wird Zwickau zum Kern des Rollouts für das vom VW-Konzern geplante Elektro-Produktionsnetzwerks, mit dem ab 2025 weltweit über eine Million Elektroautos gebaut werden sollen. Das klingt gewaltig, und VW redet schon ungeniert von der Weltmarktführerschaft.

1500 Elektroautos am Tag

Aktuell werden in Zwickau noch Golf und Golf Variant produziert. Bis zum Frühjahr 2022 sollen hier aber mal 1500 Elektroautos von den Bändern rollen – pro Tag und im Dreischichtsystem. Deshalb wird bis zum Sommer nächsten Jahres die erste der beiden großen Produktionslinien schon komplett auf Elektroautos umgestellt, bis Ende 2020 folgt die zweite Linie. Weltweit krempelt VW insgesamt 16 Produktions-Standorte auf Elektromobilität um.

Für Zwickau verspricht VW eine „grüne Produktion“. Der ID., so heißt es, wird bilanziell über die gesamte Liefer- und Fertigungskette CO2-neutral gebaut. Im Herstellungsprozess soll die Entstehung von CO2 so weit wie möglich vermieden oder reduziert werden – und nicht vermeidbare Emissionen durch Klimaschutzmaßnahmen ausgeglichen werden. Im Werk Zwickau wird die Stromversorgung auf 100 Prozent zertifizierten Ökostrom umgestellt. Der komme, so Ulbrich, aus österreichischen Wasserkraftwerken.

Der Öko-Anspruch soll nun auch die energieintensive Produktion von Batteriezellen betreffen. Laut VW ist für die Fertigung der Zellen jetzt vertraglich vereinbart, dass die Lieferanten – Samsung, CATL (für VW China) und LG Chem – allesamt grünen Strom aus erneuerbaren Quellen einsetzen. Das soll nun auch definitiv die Zellen von LG Chem betreffen, die aus dem Kohlestromland Polen kommen. Ulbrich: „Das ist kein Problem, unser Fahrzeugwerk in Polen produziert schließlich auch mit grünem Strom“.

Und die Arbeitsplätze? Sollen mit der E-Mobilität dauerhaft zukunftsfähig sein. Die 7.700 Mitarbeiter am Standort Zwickau werden derzeit mit einer Bildungsoffensive auf die neue Technologien vorbereitet, zumal das Werk auch ein digitales Highlight werden soll. Mit smarten Industrie-4.0-Robotern und fahrerlosen Transportsystemen, die Bauteile vollkommen autonom an die Montagelinie karren. „Insgesamt sind zudem 600 Lieferanten aus aller Welt mit von der Partie, davon kommen 40 direkt aus Sachsen“, erklärt Reinhard de Vries, der Logistik- und Technikchef des Werkes. Rund 1,2 Milliarden Euro kostet der ganze Umbau, rund 80 Prozent der Werkfläche muss umgebaut werden.

Das zeigt man uns im Karosseriebau, wo auf Flächen, auf denen bis zum Sommer noch Passat-Modelle montiert wurden, jetzt brandneue Roboter wie wild ihre stählernen Arme schwenken. „Die werden gerade programmiert und getestet“, kommentiert Vries. In zwölf Monaten laufe hier die ID.-Montage.

Zwei Elektro-Werke in China geplant

Gleichzeitig starten die Wolfsburger eine „weitreichende Transformation“ ihres weltweiten Produktionsnetzwerkes. So entstehen auch in China in Anting/Shanghai und Foshan derzeit zwei MEB-Werke, die nur wenige Monate nach dem Pilotwerk Zwickau im Jahr 2020 die Produktion aufnehmen sollen. In Nordamerika sollen ebenfalls MEB-Modelle produziert werden, der Standort wird noch nicht verraten, aber das VW-Werk in Chattanooga (Tennessee) hat die besten Aussichten. Und Deutschland? Im VW-Werk Emden, in dem derzeit noch der im Absatz schwächelnde Passat gebaut wird, soll ab 2022 ein E-Kleinwagen entstehen, und im VW-Nutzfahrzeugwerk Hannover startet ebenfalls ab 2022 der coole ID. Buzz, die moderne E-Version des seinerzeit legendären VW Bulli.

Ulbrich ist auch optimistisch, dass es für diese Massen von Elektroautos auch genügend Käufer geben wird: „Wir sind sicher, dass wir die geplanten Volumina auch bei den Kunden absetzen können.“ VW beobachte da wachsende Begehrlichkeiten, alle bisherigen E-Modelle seien quasi ausverkauft. Und bei den Einstiegspreisen wolle man schließlich sehr volkstümlich agieren. Wie EDISON bereits berichtete, soll der Basispreis des ersten ID., der intern noch unter dem Arbeitstitel „Neo“ (Der endgültige Name wird im VW Marketing immer noch diskutiert) läuft, tatsächlich unter 25.000 Euro liegen.

Dennoch will VW mit den Elektromodellen ziemlich schnell Geld verdienen. Ulbrich: „Noch liegen die Margen deutlich unter denen der klassischen Verbrennungsfahrzeuge, aber schon im zweiten Lebenszyklus (Ein Zyklus im VW-Schnitt sieben Jahre, die Red.) werden die großen Skaleneffekte der E-Modelle das ausgleichen.“ Ulbrich hatte auch schon mehrfach auf die um 20 Prozent höhere Produktivität in der E-Produktion hingewiesen.

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