So ist das mit den Musterschülern: Im Idealfall sind sie Vorbilder, oft genug aber verstecken sich die Bequemen hinter ihnen und genießen die eigene Untätigkeit. So sieht es zumindest bei den Klimazielen der Autobauer in Europa aus. Deren Verband Acea warnt: Der Brexit sorge dafür, dass die Klimaziele 2021 nicht eingehalten werden können.

Würden die umweltfreundlichen Autos in Großbritannien nach dem EU-Austritt 2019 aus der bisher gemeinsam für alle 28 EU-Länder geführten Statistik herausgerechnet, hätte dies „erhebliche Auswirkungen“, erklärte Acea am Montag in Brüssel.

Zum Hintergrund: Die Autobauer müssen bis 2021 im Schnitt ihrer Flotte bei Neuwagen einen Wert von 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer erreichen. Das schaffen heute nur einzelne Modelle, vor allem kleine Diesel- und Hybridfahrzeuge. (Einen, der es mit 89 Gramm schafft, den Toyota Auris Hybrid, haben wir vergangene Woche getestet.)

Wird das Ziel verfehlt, werden 95 Euro Strafe pro Gramm und Auto fällig. Das dürfte den Kunden im Luxussegment gleich sein, viele Hersteller müssen sich nun aber die Flotte schönrechnen – und da sind die (lokal) emissionsfreien E-Autos natürlich ideal, denn die Emissionen der Stromerzeugung werden nicht mitgezählt und viele E-Autobesitzer laden ohnehin nur Grünstrom.

Brexit für E-Autos

Laut Acea hat Großbritannien einen besonders hohen Anteil an umweltfreundlichen Neuwagen. So würden dort 16 Prozent aller in der EU verkauften E-Autos und 31 Prozent aller teilweise mit Strom betriebenen Hybride zugelassen. Fielen diese aus den auf ganz Europa berechneten Fahrzeugflotten weg, gerieten die CO2-Ziele in Gefahr. Hier eine Übersicht des britischen Portals Motornews:

Der Verband plädierte dafür, das bisherige System beizubehalten, also die britischen Daten auch nach dem Brexit weiter einzubeziehen. Sollte dies nicht möglich sein, müsse die EU-Kommission „das Ziel von 95 Gramm auf den Prüfstand stellen“, forderte Acea.

Es sind leider die besonders lukrativen Fahrzeuge, die das Klima im großen Maße belasten: Einzelne Geländewagen von Range Rover und Mercedes kratzen schon an 350 Gramm, die schlimmsten Mercedes-Limousinen und BMW-SUV kommen auf etwa 300 Gramm pro Kilometer.

Aber auch Deutschlands beliebtestes SUV 2017, der VW Tiguan, kommt in der CO2-schonenderen Diesel-Variante auf 124 Gramm. Klingt nicht nach viel, für jeden Tiguan müsste VW aber drei Erdgas-Up!-Modelle verkaufen, um das Klimakonto wieder auszugleichen. Als Benziner kommt selbst der Kleinstwagen Up! nicht unter 95 Gramm.

Die Rechenspiele zeigen: Wenn schon der kleinste Wagen in der Flotte 95 Gramm ausstößt, dann ist das für die gesamte Flotte – noch – utopisch. Die britischen Durchschnittsemissionen liegen entsprechend auch bei 120 Gramm CO2. Das sind zwar alle zugelassenen Autos, nicht nur die Neuwagen, aber auch Großbritannien war noch nicht am Ziel. Ein wenig Augenwischerei sind die Acea-Äußerungen also schon.

Fahrverbote in London

Die Verkehrszonen in London, welche die Durchfahrt von Nicht-Elektro-Autos deutlich verteuern, entwickeln sich zum Verkaufstreiber für alternative Antriebe. Deutschland und Polen (beide 126 Gramm) stehen aber derzeit nicht viel schlechter da, Italien, Frankreich und Spanien (110-115 Gramm) sogar besser. Diese Zahlen des Marktforschungsunternehmens Jato zeigen zudem: Treiber der hohen Emissionen sind Sport-, Luxus- und Geländewagen. Und weil die sich wachsender Beliebtheit erfreuen, sind die Klimaziele tatsächlich kaum einzuhalten, Brexit hin oder her.

Während also Staaten und Hersteller gleichermaßen mit dem 95-Gramm-Ziel kämpfen, zeigt ein Land wie es geht: In Norwegen stoßen Autofahrer durchschnittlich 84 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Schon heute unterbieten die Skandinavier damit die 2021er-Ziele. Geradezu ärgerlich für die Autobauer, dass Norwegen nicht in der EU ist. (mit dpa)

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