Staubige Straßen, tiefe Schlaglöcher und zwischendurch springt ein Zebra auf die Straße: In Afrika müssen Autos andere Herausforderungen meistern. Spurhalteassistenten und Schilderkennung sind da zweitrangig. Fragte man Sascha Koberstaedt und Martin Soltes vor drei Jahren nach dem perfekten Auto für diese Umgebung, dann hatten die beiden Forscher, die damals noch an der Fakultät für Maschinenwesen der TU München arbeiteten, eine klare Antwort: Das aCar.

Inzwischen haben die beiden Ingenieure in München ihr eigenes Unternehmen gegründet: EVUM Motors. Und ab heute (16. Juni) kann der kleine, elektrisch angetriebene Allradtransporter tatsächlich bestellt werden. Als vielseitiger Helfer für Landwirtschaft, Industrie und den kommunalen Einsatz – in Europa. Afrika muss warten. Eine internationale Produktion einer deutlich abgespeckten und deutlich billigeren Version für Entwicklungs- und Schwellenländer soll erst im kommenden Jahr angegangen werden: „Das wird dann aber auch ein total anderes Fahrzeug“, heißt es in der Firmenzentrale. Angepeilt war hierfür ein Verkaufspreis um die 10.000 Euro. In Deutschland wäre der nicht zu realisieren.

Die Europa-Version des aCar wäre für Einsätze in Afrika auch viel zu luxuriös. Mit einer Zusatzheizung, die mit Methanol betrieben wird, einer elektrischen Heizung der Frontscheibe, einem Bluetooth-fähigen Radio, mit Anhängerkupplung sowie Schnellladefähigkeit kommt die Pritschenversion der Edition „First Mover“ auf einen Netto-Preis von immerhin 35.990 Euro. Die Basisversion des E-Winzlings (mit Pritsche für eine Nutzlast von einer Tonne und zwei Elektromotoren von je 10 Kilowatt Leistung, „sonst nicht viel mehr“) startet bei 30.490 Euro. Produziert werden die Fahrzeuge in einem neuen Werk im niederbayerischen Bayerbach im Landkreis Rottal-Inn. Die ersten Exemplare des aCar sollen dort zum Jahreswechsel vom Band laufen.

Bauer sucht Strom
Als Pritschenwagen kann das aCar bis zu einer Tonne Nutzlast aufnehmen. Foto: EVUM

Die Fahrzeuge haben einen Lithium-Ionen-Akku mit einer Speicherkapazität von aktuell 16,5 Kilowattstunden (kWh) an Bord. Damit soll das aCar bis zu 100 Kilometer weit kommen. Wem das nicht reicht: Im kommenden Jahr wird eine Version mit 33 kWh großer Batterie nachgereicht.

Die Gespräche mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) laufen noch. Somit ist noch nicht entschieden, ob Käufer des aCar in den Genuss des Umweltbonus zur Förderung der Elektromobilität kommen. Diesen hatte die Bundesregierung erst kürzlich auf 6000 Euro angehoben.

Optisch ähnelt dieses perfekte Auto dem Golf Caddy. Ein Führerhaus mit zwei Sitzen und einem Lenkrad, eine Ladefläche, vier Räder: Das ist das aCar. Alles Unwesentliche fehlt.

Die beiden Erfinder und Konstrukteure haben das Fahrzeug deshalb aCar getauft: “Es heißt so, weil es ‘a Car‚ ist – nur ein Auto”, sagt Soltes. Das Fahrzeug habe nur das Nötigste und sei damit das genaue Gegenteil zu den hochvernetzen Luxusstromer von Tesla & Co.

Begonnen hat die Arbeit an dem Projekt vor vier Jahren mit einem weißen Blatt Papier und der Frage: Wie kann die Zukunft der Mobilität in Afrika aussehen? Nach einiger Vor-Ort-Recherche und Gesprächen mit lokalen Partnern erstellten die Wissenschaftler 20 Konzepte. Eines blieb am Ende übrig, das aCar.

Durch die Straßen von Ghana
Prototyp des aCar vor drei Jahren bei ersten Testfahrten in Afrika. Er schlug sich auf den ungeteerten Buckelpisten ganz beachtlich. Foto: Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik, TUM

Das Besondere am aCar: Das Auto kann mit vielen unterschiedlichen Modulen ausgestattet werden. Statt der Ladefläche könnte zum Beispiel eine mobile Krankenstation oder eine Wasseraufbereitungsanlage an die Schnittstelle kommen. “Wir haben dafür Marktstudien mit NGOs durchgeführt, um herauszufinden, was in Afrika gebraucht wird”, so Koberstaedt.

aCar als Open-Source-Projekt

Der modulare Aufbau soll aus dem aCar ein Open-Source-Projekt machen. Jeder soll neue Module entwickeln können, für welche Nutzung auch immer. Im Idealfall sollte es in ganz Subsahara-Afrika eingesetzt werden können, unabhängig von den äußeren Umständen.

Christoph Kannengießer, Geschäftsführer des Afrika-Vereins, in dem sich deutsche Unternehmen zusammengeschlossen haben, kann sich den Erfolg des aCars durchaus vorstellen. “Der Markt für Mobilität ist riesig. Ein kostengünstiges Auto hat in einigen Ländern durchaus Potenzial”, sagt er. Denn in Afrika, so Kannengießer, kommen auf 1.000 Menschen etwa 44 Autos, weltweit liegt der Schnitt bei 180 Autos. Wichtig sei, dass das Auto robust und preisgünstig sei – auch, weil der Gebrauchtwagenmarkt in vielen Ländern Afrikas eine bedeutende Rolle spielt.

“Man muss schauen, ob sich dort ein Elektroauto für 10.000 Euro durchsetzen kann”, sagt Kannengießer. Er empfiehlt deshalb, ein passendes Finanzierungsinstrument wie etwa einen Ratenkredit mitzuliefern. Zudem sei die Strom-Infrastruktur in vielen Teilen Afrikas noch nicht allzu weit entwickelt. Man müsse deshalb über dezentrale Infrastrukturen nachdenken. Erste Projekte gebe es in diesem Bereich bereits. “Wenn diese Hürden aus dem Weg geräumt sind, hat so ein Projekt eine Zukunft in Afrika.”

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