Und wie gehen Sie? Ferse aufsetzen, Fuß abrollen, nächste Ferse? Ganz normal also, sagen Sie, wie denn sonst?

„Entlastender für den Fuß ist es, wenn man zuerst auf dem vorderen Ballen landet,“ erklärt Annette Becker. Sie praktiziert den sogenannten Ballengang seit einigen Jahren. Normale Schuhe hätten dazu oft eine zu dicke oder steife Sohle, seien zu schmal oder hätten störende Absätze. Deswegen trägt die 50-Jährige draußen sogenannte Minimalschuhe, die das Gefühl vermitteln wollen, man laufe barfuß. Durch die dünne Sohle ist der Untergrund spürbar, die Zehen haben viel Platz und es gibt kein Fußbett, welches den Fuß einschränken könnte.

Doch mit den bestehenden Modellen war Becker nicht wirklich zufrieden, vor allem wegen des Materials: „Ich will Plastik vermeiden, wo es geht, sowohl für die Umwelt als auch für die eigene Gesundheit“, sagt Becker. „Ich hab da wirklich nichts gefunden, was mir gefällt. Also habe ich mir gedacht: Muss ich es eben selber machen!“

Naturmaterialien und Gummi

Im Januar 2017 hat Annette Becker ihr Start-up „aehrenkranz“ gegründet. Sie produziert Minimalschuhe aus umweltfreundlichen Materialien. Freudentanz, Sommerwiese und Reiselust heißen ihre Kreationen. Hinter den blumigen Namen stecken Halbstiefel, Halbschuhe und Ballerinas. Mit Ausnahme der Ballerinas gibt es die Modelle jeweils in Damen- und Herrengrößen und in fünf verschiedenen Farben. Drei davon sind aus Ökoleder, zwei aus veganem Piñatex, einem wasserabweisenden Material aus Ananasfasern.

Becker hat sich ausgiebig mit der Materialauswahl beschäftigt. Sie verarbeitet nur Naturmaterialien, alles ist biologisch, fair gehandelt und hat möglichst kurze Lieferwege. Nur bei der Sohle musste sie Abstriche machen: „Es gibt leider derzeit kein Naturprodukt, das wasserdicht genug ist und gute Abriebwerte hat. Die Sohle besteht aus einem Gummigemisch.“ Für die erste Lieferung muss das reichen, künftig will Becker die Sohle aber optimieren.

Produziert werden die Schuhe in Portugal – nicht Beckers erste Wahl, für sie als kleines Start-up aber die einzige Möglichkeit: „Ich habe etliche Hersteller in Deutschland angefragt. Manche erfüllen die technischen Voraussetzungen nicht, andere produzieren bereits eine Hausmarke, die meinen Schuhen zu ähnlich ist oder aber – genau das Gegenteil – machen ganz andere Schuhe, Arbeitsschuhe mit Stahlkappen zum Beispiel.“

In Portugal fand sie, was sie suchte: Moderne Technik, gemeinsame Finanzierung und einen Produktionsmanager, sodass Becker selbst nicht zu oft vor Ort sein muss.

„Vor 15 Jahren niemals ohne Absatzschuhe“

Die Gründerin lebt in Berlin. Die 50-Jährige hat einen eher ungeraden Lebenslauf: Als Bürgerin der DDR musste sie sich dem System anpassen und erst Architektur studieren ehe sie schließlich das gewünschte Designstudium ergreifen konnte. Dann gab sie sich als Systemgegnerin zu erkennen, verlor ihren Studienplatz und drechselte schließlich Räuchermännchen für den West-Export.

Dann fiel die Mauer und Becker konnte doch wieder studieren: Sie entschied sich für Modedesign in Halle inklusive eines Auslandsjahres in London. Seitdem hat sie in London, Barcelona, Berlin und ihrem Heimatort Salzwedel gelebt und gearbeitet, mal selbstgenähte Taschen auf Märkten verkauft und mal für Unternehmen Schuhe designt.

Schuhe waren immer Beckers Leidenschaft – ihr Geschmack hat sich allerdings geändert. „Vor 15 Jahren hätte man mich niemals ohne Absatzschuhe angetroffen“, sagt sie grinsend. „Meine Minimalschuhe wären mir damals zu klobig gewesen.“ Für den Ballengang brauchen die Zehen Platz. Sie müssen sich spreizen und strecken können. Dadurch wirken die Schuhe minimal breiter. Das gefällt nicht jedem.

Kein Massenkonsum

Becker weiß, dass es sich bei ihren Schuhen um ein Nischenprodukt handelt: „Es ist nicht mein Ziel, damit irgendwann die Regale von Deichmann zu befüllen.“

Der erste Produktionsauftrag umfasst übersichtliche 1000 Paar Schuhe. Ende März werden die bestellten Schuhe verschickt und ausgewählte Barfußschuh-Läden beliefert. Annette Becker wird darüber hinaus einen Webshop und einen eigenen Laden in Berlin Prenzlauer-Berg betreiben.

Was sie in Zukunft plant? „Im Herbst soll ein Wintermodell auf den Markt kommen und natürlich Kinderschuhe.“ Darüber hinaus gebe es keine großen Pläne, keine Expansion in andere Länder, keine fünfzig weiteren Produkte. Becker steht dem Massenkonsum kritisch gegenüber – verkaufen um des Verkaufens willen soll es bei ihr nicht geben. „Ich möchte etwas Sinnvolles tun, gesunde und nachhaltige Schuhe produzieren, von denen ich selbst überzeugt bin. Mir ist nur wichtig, dass ich von meinem Unternehmen gut, glücklich und mit einem reinen Gewissen leben kann.“

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