Hans-Jörg Dennig und Adrian Burri haben das Unglück kommen sehen: „Verstopfte Innenstädte, Diskussionen um die Zulassung von Dieselfahrzeugen – wir haben die Probleme der vergangenen 18 Monate vorher erahnt und wussten, wo der Schuh drücken würde“, sagt Dennig. Damit waren die beiden Ingenieure der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zwar vermutlich nicht die Einzigen, aber sie gehören zu den wenigen, die nun eine Lösung präsentieren können.

Denn Dennig und Burri haben bereits 2015 das Bicar-Konzept vorgestellt, eine Mischung aus Fahrrad, Scooter und Auto auf drei Rädern. Das Ein-Mann-Fahrzeug ist elektrisch unterwegs und soll vor allem im Sharing-Betrieb zum Einsatz kommen.

„Wir haben erkannt, dass die Nutzung von Bikesharing im Winter und bei schlechtem Wetter einbricht“, sagt Dennig. „Außerdem fühlen sich beispielsweise ältere Menschen darauf eher unsicher.“ Deshalb haben Dennig und Burri ein Gefährt entwickelt, das stabil auf drei Rädern fährt, nicht mit Muskelkraft angetrieben werden muss, für eine optimale Übersicht im Verkehr schmal und hoch gebaut ist und sich für die Fahrstabilität in der Kurve neigt. Und bei dem vor allem Frontscheibe und Dach vor widrigen Wetterbedingungen schützen.

Ein Puzzlestück der neuen Mobilität

Dennig und Burri sehen das Bicar als Lösung für die letzte Meile, beispielsweise also um von Bahnhöfen zum Ziel zu kommen. „Die Parkplätze an Bahnhöfen platzen aus allen Nähten“, sagt Dennig. Eine Bicar-Station könne da Abhilfe schaffen und Platz sparen – schließlich passen rund acht Bicars auf einen normalen PKW-Parkplatz.

Dass ein solches Konzept nicht magisch die Mobilität auf den Kopf stellen wird – geschenkt. „Züge, Busse und Autos wird es auch weiterhin geben“, so Dennig. „Das Bicar ist eine zusätzliche Lösung – ein weiteres Puzzlestück für neue Mobilitätskonzepte.“

Ende August dieses Jahres haben Dennig und Burri schließlich die Share Your Bicar AG als Spin-Off der ZHAW gegründet. In einer Finanzierungsrunde haben sie den Schweizer Unternehmer Urs Horat als Investor gewinnen können. Außerdem erhalten sie Unterstützung von zwei EU-Entwicklungsprojekten und Partnerfirmen. Gemeinsam wollen sie jetzt die Marktreife des Bicars vorantreiben.

Batterietausch per App

Neben der leuchtenden Farbe fällt noch eine Sache direkt auf, wenn ein Bicar um die Ecke gefahren kommt: Fahrer und Fahrzeug legen sich in die Kurve. Das klappt dank eines neu entwickelten Neigemechanismus. Da das Fahrzeug schmal und hoch gebaut ist, käme man ohne das Neigen nicht um die Kurve. „Das ist wie bei einem Fahrrad“, sagt Dennig. „Da käme man auch nicht um Ecken, wenn man sich nicht in die Kurve lehnen könnte.“

Über die Technik, die sich unter der Haube des goldgelben Kleinflitzers verbirgt, wollen die beiden Gründer noch nicht zu viel verraten, da gerade der Patentantrag geprüft wird. Klar ist: Das Fahrzeug erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 45 Kilometern pro Stunde. Das sollte die Zulassung deutlich vereinfachen.

Als Ziel für die Reichweite pro Ladung habe man sich mindestens 30 Kilometer gesetzt. „Letzte-Meile-Strecken sind pro Trip rund fünf Kilometer lang“, sagt Dennig. Dafür sei die Reichweite also vollkommen ausreichend. Außerdem soll das Bicar möglichst leicht bleiben – unter 100 Kilogramm.

Für die Batterien soll es übrigens Tauschstationen geben, sodass man nicht auf das Aufladen des Fahrzeugs am Kabel warten muss, sondern einfach schnell den Akku wechselt, sobald er leer ist. Unter anderem um diesen Tausch abzuwickeln arbeitet Share Your Bicar auch an einer App. Das Handy soll man beim Fahren dann ins Armaturenbrett klemmen und in der App die Geschwindigkeit, den Akkustand und ein Navi angezeigt bekommen.

Kooperation mit europäischen Städten

Sechs Ingenieure und eine Industriedesignerin arbeiten zurzeit in Kooperation mit der ZHAW an der Fahrzeugentwicklung. Im Frühling 2019 hoffen die Gründer die Straßenzulassung für das Bicar zu bekommen und dann mit Prototypen und Testflotten weitermachen zu können.

Aktuell ist das Spin-Off mit verschiedenen Städten in der Schweiz und ganz Europa – etwa London, Barcelona und Madrid – im Austausch , die Interesse an dem Konzept gezeigt haben. Außerdem haben Schweizer Firmen und Partnerschaften rund um den Sharing-Betrieb angeboten. Im Jahr 2020, so Dennig, wollen die beiden Gründer mit ihrem Bicar und den ersten Pilotkunden dann an den Markt gehen.

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