Die Fahrzeugkarosse senkt sich langsam auf das Batteriepaket. Die Mitarbeiter ziehen die Schraube an, dann gleitet das Elektroauto an der U-förmigen Montagestraße weiter zur nächsten Station. In dieser hellen Halle im Gewerbegebiet von Tilburg montiert Tesla seine Model S und X für Länder der Europäischen Union.

Es ist keine richtige Fabrik, weil die Teile vorgefertigt aus den USA hier eintreffen. Das Montagewerk in den Niederlanden bietet dennoch etliche Vorteile: Der Import nicht fahrbereiter Fahrzeuge ist zolltechnisch günstiger. Außerdem ist es sicherer, die Lithium-Ionen-Batterie getrennt von den Fahrzeugen zu transportieren. Bevor es das Werk in den Niederlanden gab, wurde jedes Auto im kalifornischen Fremont komplett montiert und die Software für einen ersten Check installiert. Danach musste das Fahrzeug für den Transport wieder demontiert werden. Diesen Schritt spart man sich nun.

Das hat die Auslieferung nach Europa beschleunigt, auch wenn der Seetransport noch sechs Wochen dauert. Drei Model X oder vier Model S passen geschickt gestapelt in einen der zwölf Meter langen Container. Die kommen entweder im Hafen von Antwerpen oder Rotterdam an. Auf kleineren Schiffen geht es über Kanäle bis ins Gewerbegebiet von Tilburg.

Die Container werden zum Ausladen an die Tore der 45.000 Quadratmeter großen Halle platziert. Elektrische Gabelstapler ziehen die Fahrzeuge aus den Metallboxen. Damit die leeren Autos rollen, wurden in Fremont Räder an Hilfsachsen geschraubt. Die werden im ersten Arbeitsschritt entfernt. Nun bauen die Mitarbeiter Bremsen sowie die Kabelstränge ein. An Greifarmen gleitet das Fahrzeug weiter. Jetzt wird die Achse samt Motor eingesetzt. Insgesamt werden 36 Elemente montiert, dabei ist jeder Arbeitsschritt Handarbeit. Zwar helfen hydraulische Systeme und elektrische Werkzeuge, doch Roboter sind in der Halle nicht zu sehen. Dafür arbeiten hier insgesamt 400 Mitarbeiter. Im Zweischichtbetrieb werden pro Woche bis zu 450 Elektroautos montiert. Heute stehen 60 Autos auf dem Produktionsplan. Gebaut wird nur, was Kunden bestellt haben.

Schritt in den Massenmarkt

Die ehrgeizigen Produktionsziele wird Tesla in Europa mit dieser Montagetechnik nicht erreichen. Über kurz oder lang muss eine eigenständige Batterie- und Autoproduktion her. In diesem Jahr wollen die Amerikaner 100.000 Elektroautos ausliefern. Das Ziel ist nicht unrealistisch. Doch die geplante Verfünffachung auf eine halbe Million Autos in 2018 erscheint mehr als ehrgeizig.

In China hat Tesla laut Medienberichten einen Produktionsstandort in der Freihandelszone von Shanghai gefunden. Doch räumte Tesla-CEO Elon Musk gegenüber Analysten ein, dass eine Produktion dort nicht vor 2020 starten werde.

In Europa könnte Tesla schneller sein. Auch wenn die Niederlande selbst klein sind, zumindest in der Tilburger Halle ist noch eine Menge Platz. Auch gibt es in dem Gewerbegebiet weitere freie Flächen. Musk hat sich zu einem europäischen Standort bislang nur vage geäußert und Jochen Rudat, Teslas Deutschland-Geschäftsführer, der den Besuch in Tilburg begleitet, kann dazu nichts sagen. Auch nicht, wann das erste Model 3 hier in der Halle montiert wird. Das günstigere Elektroauto soll Teslas Schlüssel zum Massenmarkt werden.

Am Ende der Montagestraße wird das Elektroauto zum Leben erweckt. Ein Mitarbeiter schließt ein Kabel von einem Laptop an und installiert die Firmware. Die eigentliche Software wird innerhalb von zwanzig Minuten über das WLAN aufgespielt. Nachdem Bremsflüssigkeit, Wischwasser und Kühlflüssigkeit in die Batterie eingefüllt sind, bekommt das Auto seine erste Energiezufuhr. Ab jetzt kann es sich allein durch die Halle bewegen.

Es durchläuft diverse Teststationen für Licht, Lack, Bremsen, Airbags sowie alle Sensoren des Autopiloten. Danach machen die Mitarbeiter jedes Fahrzeug so richtig nass. In einer „Waschmaschine“ prasseln hunderte Liter Wasser auf jedes Auto herab. „Damit testen wir, ob Türen, Fenster und das Glasschiebedach dicht sind“, erklärt der niederländische Tour-Guide. Das Wasser wird zu 99 Prozent recycelt, versichert er. Auf dem Dach der Halle befinden sich Solarzellen, die den Strom für die Produktion liefern. In wenigen Wochen werden so viele Module installiert sein, dass kein Strom aus dem öffentlichen Netz mehr notwendig ist.

Teststrecke in der Produktionshalle

Höhepunkt der Montage ist die Teststrecke. Da die Autos keinerlei Abgase emittieren, können die Fahrten direkt in der Produktion absolviert werden. Die abgesperrte Strecke ist 750 Meter lang und hat unterschiedliche Belege. „Wichtigstes Testinstrument sind die Ohren des Fahrers“, erklärt der Guide. Falls noch etwas im Fahrzeug klappert, wird direkt nachgebessert. Selbst das Beschleunigen auf der Teststrecke ist in der großen Halle kaum zu hören. Es ist für eine industrielle Produktion erstaunlich leise im Montagewerk.

Lediglich beim Wenden am Ende der Teststrecke hört man das Quietschen der Reifen. Es ist so ruhig, dass wie selbstverständlich auch Schreibtischarbeitsplätze in der Halle stehen. „Wir wollen kurze Wege und die Kommunikation unter den Mitarbeitern fördern“, erläutert der Tesla-Mann. Sogar Grünpflanzen stehen am Rande der Montagestraße.

Übergabe mit Werkstour

Das macht einen freundlichen Eindruck. Durch eine große Glasscheibe schauen niederländische Autokäufer genau auf diesen Teil des Werks. Ihre neuen Elektroautos stehen mit eingeschalteten Frontscheinwerfern unter grauen Tüchern auf der anderen Seite der Glasscheibe.

Die Übergabe wird hier zur feierlichen Enthüllung. Die übrigen Käufer in Europa enthüllen ihre Fahrzeuge im nächstgelegenen Tesla Store oder Service Center. Die niederländischen Kunden erhalten auf Wunsch auch eine Führung durch das Montagewerk, allerdings mit Fotoverbot. Tesla möchte sich bei seinem ersten Werk außerhalb der USA nicht in die Karten schauen lassen, auch wenn hier nur fertige Teile montiert werden.

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