Mr. Musk, bald können Sie sich warm anziehen. Denn nachdem Tesla den Markt der elektrischen Edelkutschen bisher für sich alleine hatte, drängen jetzt mit Macht die Europäer ins Geschäft mit teuren Stromern. Den Anfang macht jetzt ausgerechnet Jaguar. Während Porsche Mission E, Audi E-Tron und Mercedes EQ-C noch mindestens 18 Monate auf sich warten lassen, haben die Briten Anfang März die Weltpremiere ihres ersten Elektroautos, den I-Pace, in Magna bei Graz gefeiert.

Im Sommer soll der Verkauf beginnen. EDISON-Autor Thomas Geiger war bei einer Testfahrt mit Jaguar-Chefingenieur Simon Patel durch Hollywood dabei:

Mit je einem E-Motor pro Achse und einer tief geduckten Crossover-Karosserie schießt der I-Pace davon, dass einem beim Ampelstart Angst und Bange wird. Schon deshalb beneide ich Chefingenieur Patel, der am Lenkrad sitzt, während ich nur nebendran hocken darf.

Schnell unterwegs

Und bekomme Mitleid mit der Kollegin auf der Rücksitzbank. Die leidet nicht wegen der Platzverhältnisse, die dank der im Boden versteckten Technik besser sind, als sich bei dem fast schon zierlichen Format des Autos vermuten ließe. Sondern weil sie auf der Bank so hin und her rutscht, dass sie sich vermutlich fast etwas weniger Kniefreiheit im Fond wünschen würde, damit sie sich leichter am Vordersitz festhalten kann.

Denn der I-Pace ist nicht nur auf der Geraden schneller als die Cops normalerweise erlauben. Mit einem tiefen Schwerpunkt, mit intelligenter Verteilung des Drehmoments an jedem Rad, adaptiven Dämpfern und einer freien Kraftverteilung zwischen den Achsen wird in diesem Stromer jede Kurve schnell zum Nervenkitzel. Über die 7:21,23 Minuten, mit denen sich die Kollegen im Jaguar XE gerade den Rekord für viertürige Limousinen auf der Nordschleife des Nürburgrings geholt haben, kann Patel nur lachen. Und so laut wie er lacht, ist es sicher keine Frage, dass der I-Pace diese Zeit schon bald unterbieten wird.

Dass der erste vollelektrische Jaguar so schnell ist, hat einen ganz einfachen Grund: Genau wie die vor zwei Jahren vorgestellte Studie wird das Serienmodell einen Antrieb mit 294 Kilowatt Leistung und 696 Newtonmeter Drehmoment haben. Das erlaubt eine Beschleunigung von 0 auf 100 in 4,8 Sekunden. Und es ist nur eine Frage der Vernunft und nicht der Motorkraft, bei welcher Geschwindigkeit die Briten dem Spaß ein Ende bereiten: Über die Höchstgeschwindigkeit schweigen sie sich noch aus.

480 Kilometer Reichweite

Gespeist werden die beiden E-Maschinen aus einem Lithium-Ionen-Akku mit rund 90 Kilowattstunden Kapazität, der im Wagenboden versteckt ist. Im besten Fall ist er am Schnelllader nach gut zwei Stunden wieder voll und soll das Auto bis zu 480 Kilometer weit tragen, versprechen die Briten.

Ob das gelingt, lässt sich nach der Testfahrt noch nicht sagen. Die Tesla-Jagd in Hollywood hat den Akku immerhin einigermaßen kalt gelassen: Nach über einer Stunde Stadtverkehr und jeder Menge Zwischensprints sind wir erst 40 Meilen gefahren – und der Computer weist noch immer über 250 Kilometer Reichweite aus. Zwar drückt die Batterie schwer auf die Waage, und ich schätze den I-Pace auf 2,5 Tonnen Leergewicht. Doch anders als der Range Rover aus dem Begleittross lässt er sich davon nichts anmerken. Selbst der 375 Kilowatt starke V8-Motor des Luxus-Offroaders hat nicht den Hauch einer Chance, wenn Patel das Gaspedal drückt – ein Kick, und der I-Pace hat zwei Längen Vorsprung vor dem SUV.

Ab 77.850 Euro aufwärts

Aber Patel und seine Kollegen flitzen nicht nur durch Hollywood, weil sie Tesla-Fahrer ärgern und reiche Kunden ködern wollen, die hier in den Boutiquen an einem Tag schnell mehr ausgeben, als die 77.850 Euro, die der I-Pace mindestens kosten wird. Vielmehr sollen die Fahrten, bei denen die Entwickler in den vergangenen zwei Jahren bereits 1,5 Millionen Kilometer zurücklegten, dem Auto den letzten Schliff geben.

Es gilt, das Geräuschniveau so zu drücken, dass später im Alltag kein Knistern in der Karosse das Summen der E-Maschinen übertönt. Auch sollen bei den Testfahrten Energiemanagement und Elektronik so optimiert werden, dass die Batterie das Auto möglichst weit trägt und man den I-Pace – wie den Nissan Leaf – tatsächlich nur mit einem Fuß fahren kann.

Elektrisch fahren soll Spaß machen, die Emotionen kitzeln. Was den Sound angeht, haben die Briten das schon mal geschafft: Dieses Kätzchen schnurrt nicht, sondern es surrt. Und es wird mit jedem Stromimpuls lauter. Wer am Steuer sitzt, der wird das anschwellende Fiepen des Stromers genießen und sich fühlen wie Captain Kirk am Steuerstand seiner Enterprise. Einem gewissen Mr. Musk könnte das bald gehörig Ohrensausen bereiten.

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