Wer in Großstädten ohne eigenes Auto mobil sein will, greift meist (zwangsweise) auf ein ganzes Bündel von Smartphone-Apps zurück. Neben der Navigator-App der Deutschen Bahn meist auch noch die App des lokalen ÖPNV-Betreibers. Das Taxi wird zunehmend über das Smartphone denn den Anruf bei der Zentrale gerufen. Und bei Carsharing, Bikesharing, und E-Scootersharing gehört die App von Anfang an zum Geschäftsmodell. Ohne Smartphone geht da nichts.
Wer einfach nur von A nach B will, hat dabei oft ein Problem: Die Angebote sind kaum miteinander vergleichbar was Reisedauer und -kosten angeht. Zwar gibt es schon Ansätze wie Moovel, teilweise auch in Kooperation mit dem lokalen ÖPNV. Doch Moovel ist eine Daimler-Tochter und favorisiert somit die Daimler-Dienste Car2Go und MyTaxi. Wer aber etwa ein Sharing-Fahrrad von FordPass nur wenige Meter entfernt hat, bekommt das nicht angezeigt.
Das soll ab Sommer in Berlin anders werden. Dann soll die App Jelbi starten, wie die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am Montag bekanntgegeben haben. Jelbi soll es den Berlinern ermöglichen, verschiedene Verkehrsmittel nahtlos zu benutzen – von der Planung bis zur Abrechnung. „Die Gründungsidee der BVG vor 90 Jahren war es, einen einfachen Zugang zu Mobilität zu bieten – ein Ticket für alle Dienste“, sagt BVG-Vorstand Henrik Haenecke. „Dank der Innovation machen wir diese Idee fit für das 21. Jahrhundert.“ Die App soll für iOS- und Android-Geräte angeboten werden. Die Technik hinter dem Dienst kommt von Trafi, einer auf Mobilität spezialisierten Technologieplattform aus Litauen.
„Mit einem Klick können Sie Ihre Reise ganz einfach planen und kaufen, ganz gleich, welche Art von Transport Sie bevorzugen“, sagt Haenecke. „Basierend auf der Technologieplattform von Trafi können wir jetzt eine einzige und umfassende Mobilitätslösung für die Berliner anbieten.“ Christof Schminke, Deutschland-Chef von Trafi, ergänzt: „In Berlin sind wir jetzt Vorreiter, wie Verkehrsunternehmen und Städte ihr Mobilitätsnetzwerk mit innovativer Technologie betreiben können.“
Für Berlin heißt das: In Jelbi werden neben den BVG-Angeboten mit Bus und Bahn auch weitere Unternehmen integriert – etwa der Carsharer Miles, die Elektro-Roller von Emmy und die Mieträder von Nextbike. Auch BerlKönig, ein von Daimler und der BVG betriebener Ridehailing-Dienst, kann über Jelbi genutzt werden.
Die niedrigeren Zugangshürden und transparenten Kosten sollen helfen, die Mobilitätsangebote jenseits des Privatwagens attraktiver zu machen. Der möglichst reibungslose Wechsel zwischen den Verkehrsmitteln ist eine Chance, den Verkehr zu entlasten – wenn eben wirklich viele Dienste mitmachen und das nächstgelegene Angebot auch angezeigt wird. In einer Millionenstadt wie Berlin mit unzähligen Geschäftsreisenden und Touristen, kann eine solche App ein sinnvolles Werkzeug sein, das eigene Mobilitätssystem zu verbessern.
Ein weiterer Vorteil: Dank der zentral erhobenen und anonymisierten Daten ist es möglich, den Verkehrsfluss besser zu analysieren als bisher. Wie hoch ist die Auslastung in der Rushhour wirklich? Welche Angebote können etwa den Berufsverkehr entlasten? Oder wo kann das eigene Netz noch ausgebaut werden? Werden an einer Haltstelle auffällig viele Sharing-Dienste genutzt, die alle in dieselbe Richtung weiterfahren, kann das ein Indiz sein.
Trafi selbst ist in der Branche kein Unbekannter. Die Technologie des 2007 gegründeten Unternehmens mit seiner Routenplanung und Verkehrsdatenanalyse wird auch von Unternehmen wie Lyft, Google, Apple oder Volkswagen genutzt. Neben der Heimatstadt Vilnius arbeitet Trafi auch mit Rio de Janeiro und Jakarta zusammen, um die Mobilitätssysteme zu optimieren.