Ein Herzschrittmacher, der durch Strahlungen einer Schnellladestation für Elektroautos aus dem Takt gerät – das ist die Horrorvorstellung von Harald Scholz. Er leitet das gemeinsame Forschungszentrum der Europäischen Kommission in Ispra, Italien. Solche Extremszenarien sind zwar zum Glück nicht zu erwarten, aber als Scholz Gleichstrom-Ladepunkte getestet hat, übertrafen einige Anlagen doch die Grenzwerte für die Intensität magnetischer Felder.
Dabei waren die Überschreitungen dann am höchsten, wenn auch die Ladeströme besonders groß waren. Darüber berichtete Scholz auf den Charge Days, die zum dritten Mal in der Ruhrgebietsstadt Hattingen stattfanden und an der 130 Experten an zwei Tagen teilnahmen. Organisiert hat die Veranstaltung die Hochschule Bochum und die Vereinigung Charin (Charging Interface Initiative e.V.).
Scholz will künftig die neuen, extrem schnellen Ladesäulen mit bis zu 350 Kilowatt (kW) Leistung besonders gründlich überwachen. Sein praktisches Problem: Bisher gibt es kaum Testfahrzeuge für diese Super-Schnellladungen.
E-Autos sollen künftig ständig an der Ladesäule hängen
Genau solche Blitz-Lader sind das Ziel von Michael Keller: Künftig werden Elektroautos am 1000 Volt Netz mit bis zu 450 kW geladen, berichtete der Volkswagen-Mann. Das ist verglichen mit den heute üblichen Schnellladesäule etwa die neunfache Leistung. Dieses Ziel hat die Initiative Charin ausgegeben, in der Volkswagen führendes Mitglied ist. Und in der sich 16 der 20 größten Autohersteller der Welt zusammengeschlossen haben. 14 davon setzen auf den von Charin propagierten Stecker-Standard Combined Charging System (CCS), darunter alle deutschen.
Wenn es nach Keller geht, sollten Elektroautos künftig, sobald sie parken, ständig an der Ladesäule hängen. Denn dadurch wäre eine Integration in die Steuerung der Stromnetze und die sinnvolle Verteilung der Erneuerbaren Energie möglich. Denn Grünstrom gibt es ausreichend, meint Keller. Auch für die 40 Millionen Elektroautos, die laut VW bis 2030 auf Europas Straßen unterwegs sein sollen. Wenn diese Fahrzeuge ständig mit dem Netz verbunden sind, können sie den Strom dann speichern, wenn er erzeugt wird. Und das ist meist nicht dann der Fall, wenn das Auto nachts in der Garage steht.
Doch ausgerechnet der von VW und den deutschen Herstellern favorisierte CCS-Standard verhindert im Moment noch, Autos konsequent in die Stromnetze zu integrieren – denn er beherrscht das bidirektionale Laden nicht. Keller kündigt an, dass das Charin-Konsortium daran arbeitet.
Laden im Ausland muss bequemer werden
Die Konkurrenz ist da schon weiter. Das zweite Steckersystem fürs Schnellladen, genannt Chademo (für Charge des Move) der japanischen Autobranche, ist dafür bereits heute gerüstet. Bislang endet dieses bidirektionale Laden aber am Hausanschluss. Denn es fehlt bisher ein Standard, wie das Laden und das Wiedereinspeisen von Strom gesteuert wird oder wer dafür zuständig ist. Ist es der lokale Stromversorger oder die überregionalen Stromnetzbetreiber?
Und noch ein anderes Problem wollen die deutschen Ladestromanbieter jetzt lösen: Roaming über Ländergrenzen hinweg. Dabei hakt es noch gewaltig, stellt Dominik Ziriakus von Ionity dar. Autofahrer die in anderen Nationen laden wollten, müssten sich oft mit komplett neuen Abrechnungssystemen beschäftigen, wollten sie nicht allein auf kostenlose Ladestationen etwa an Supermärkten angewiesen sein. Auch weil im Ausland oft landesweit aktive Anbieter fehlten. Er vergleicht die Situation mit der Einführung der Mobilfunktechnik in den 90er Jahren. Noch sei keine Lösung in Sicht.