José Nacimento ist der Herrscher von „Metropolis“. Der schlanke, hochgewachsene Brasilianer leitet die moderne „Denk-Garage“ der spanischen VW-Tochter Seat. Doch über das, was im Untergeschoss des schicken Palau de Mar (Meeres-Palast) so vor sich geht, schweigt er sich aus. Nur so viel: „Im Moment spinnen wir hier noch herum.“

„Blockchain, IoT und Big Data sind die Megatrends“, weiß auch Seat-Chef Luca de Meo, der das Handwerk des Marketings genauestens versteht. Er steht hinter Metropolis. Sein Ziel: Seat soll sehr schnell smarter werden. Die Verkaufsplattform dafür soll Barcelona und „Metropolis“ der Köder werden .

„Barcelona Tech City“ heiβt der gesamte Gebäude-Komplex, in dem Metropolis und 600 weitere Firmen sitzen. „Diese Start-ups und das Lobby-Netzwerk ‚Barcelona Tech City‘, schaffen das Ökosystem, in dem neue Ideen rund um die Smart City und Seat entworfen werden sollen“, sagt de Meo.

Partner des Netzwerkes sind unter anderem KPMG, CaixaBank, die Business-Schule ESADE, Gas Natural Fenosa und Telefónica Open Future. Wegen roter Zahlen konnte Seat bis vor kurzem nicht viel nachdenken über solche Investitionen. Aber seit 2015 fahren die Spanier für VW schwarze Zahlen ein.

Der Seat soll sauberer und intelligenter werden

De Meo will, dass das Seat-Auto zukünftig nicht nur sauberer, sondern auch mit einer 5G-Daten-Geschwindigkeit durch die Stadt fährt. Der neue Seat soll noch viel mehr mit dem Fahrer sprechen als bisher.

Ansätze dafür gibt es schon mit der Integration von Alexa, dem Sprachdienst von Amazon. „Aus Sicherheitsgründen ist die Nutzung im Auto derzeit jedoch noch beschränkt“, erklärt Leure Olavarria, Chefin des Seat-Bereichs „Connected Car“. Der hat seine Heimat am Seat-Standort Martorell, wo genau ist allerdings geheim – „weil hier das Design der Zukunft entsteht.“

Seat experimentiert mit Car Sharing und Apps

In „Metropolis“ hingegen ist das Design nicht so wichtig. Hier entstehen derzeit vor allem Mobilitäts-Apps wie „about it“, ein Service, der dem Fahrer Bauarbeiten in der Stadt angibt.

Nacimento arbeitet zudem mit seinen 15 Mitarbeitern an neuen Mobilitätskonzepten: „Fahrerlose und elektrische Autos, elektrische Fahrräder und Drone: Alles, was sich sauber und sicher durch die Stadt bewegen kann“, sagt der IT-Experte, der auch involviert ist in die Unternehmens-Zusammenführung von Seat mit Respiro, dem von den Deutschen übernommenen spanischen Car-Sharer.

Die Mitbewohner in der „Barcelona Tech City“ können bereits in den Genuss von Nacimentos Arbeit kommen: Sie können per eigener Seat-App einen elektrischen Mii in einem nahegelegenen Parkhaus reservieren und damit gratis durch die Stadt fahren. „Noch ist das ein Pilotprojekt, aber schon bald soll der elektrische Mii in ganz Barelona fahren“, sagt Nacimento.

Ebenfalls auf dem Markt ist das Seat Fahrrad. Unter der Sportmarke CUPRA hat das italienische Unternehmen Fabike zusammen mit Nacimento gerade ein komplett schwarzes Renn-Stadtrad mit Stange auf den Weg gebracht, das Seat im Segment „cool & sportlich“ positionieren soll.

Schon heute ist Barcelona weltweit die Stadt, wo am meisten die Nutzung von Klapprädern wächst. Auch dank 308 Kilometer Radweg.

Versuchslabor Barcelona: Wenn da nicht Katalonien wäre

Die im Sommer von Touristen überflutete Stadt Barcelona ist ein Versuchslabor für Mobilitätsexperten aus aller Welt: „Wir können hier in einem Umfeld von High-Tech-Start-ups und Marktführern in Smart City-Konzepten verschiedene Arten von intelligenten Autos ausprobieren.“

Die Seat-Partner bei diesen Pilot-Projekten sind unter anderem Amazon, Telefónica, der spanische Komponenten-Lieferant Ficosa, aber auch die Stadt Barcelona und das digital sehr versierte Team um die 44-jährige Bürgermeisterin Ada Colau. Sie ist nicht unumstritten, gilt als linke Aktivistin mit zu viel Sympathie für die Unabhängigkeitsbewegung, aber sie hat auch einen Blick für die „Stadt der Zukunft“.

Die Stadtregierung und Seat haben kürzlich angekündigt, dass sie gemeinsam Innovationsprojekte zur Verbesserung des Stadtlebens und auch zur Anziehung von Talenten in diesem Bereich aus aller Welt beitragen wollen. Dazu rief Seat das Netzwerk „Carnet“ ins Leben, das zusammen mit der Polytechnischen Uni von Barcelona sowie mit Volkswagen Group Research versucht, die richtigen Köpfe ins „Metropolis“ und auch in die Fabrik nach Martorell zu locken.

Aber was passiert, wenn die politische Unsicherheit und der Druck der Separatisten weiter anhält? De Meo will darüber nicht nachdenken und appelliert an die wirtschaftliche Vernunft: „So lange es uns nicht betrifft, machen wir weiter wie bisher.“ Die deutsche VW-Tochter hält sich aus dem Konflikt heraus.

„Sie kann auch nicht einfach ihren Sitz verlegen, hier geht es um Fabriken und eine Zulieferer-Infrastruktur. Normal, dass der Konzern jetzt vor allem die Chancen sieht, die Barcelona bietet“, sagt Unternehmensberater Ignacio Sánchez-León, der bei Seat lange Zeit für die Kommunikation zuständig war.

Dem Brasilianer Nacimento ist dieser Konflikt sowieso ziemlich egal, er tüftelt: „Wir leben hier völlig abgeschnitten in unserer eigenen Welt vor dem Computer.“

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