Die Erdoberfläche besteht überwiegend aus Wasser: 70 Prozent unseres Planeten sind von dem Lebenselixier bedeckt, das gnadenlos von den Menschen überfischt, verseucht und vermüllt wird. Plastik ist eines der Probleme, mit dem das Meer zu kämpfen hat. Auf jedem Quadratkilometer der Meere finden sich hunderttausende Teile Plastikmüll. Seevögel verenden qualvoll an Handyteilen in ihrem Magen, Schildkröten halten Plastiktüten für Quallen und Fische verwechseln winzige Plastikteilchen mit Plankton.

In den Häfen sieht es nicht anders aus. Dort wird der Müll vom Meer angespült oder wurde vom Wind ins Wasser geweht. Ihn zu entfernen, ist gar nicht so schwer. Eine Initiative des Architekturbüros WHIM, Better Future Factory, Recycled Island Foundation, HEBO Maritiemservice und der Universität Wageningen hat dafür eine Art schwimmendes Floß mit einem großen Loch als Auffangbecken in der Mitte entwickelt. Netze dienen als ein Trichter, um den Müll einzufangen, bevor er in die See gelangt.

Was das Abfischen des Plastiks erleichtert: Mehr als 98 Prozent des Abfalls schwimmt im ersten Meter unterhalb der Wasseroberfläche, der größte Teil davon sogar im ersten halben Meter. Fische können in die Auffangbecken hineinschwimmen, kommen allerdings auch leicht wieder heraus. Im Rotterdamer Hafenbecken Rijnhaven, in dem der Müll aus dem 874 Kilometer langen Fluss Maas landet, sind drei dieser Müllfischer bereits im Einsatz, acht sollen es werden.

Ein schwimmender Park aus Recycling-Plastik

Rotterdam versteht sich als nachhaltiger Hafen und setzt auf Innovationen, um den Müll aus dem Wasser zu bekommen, bevor dieser ins Meer gelangt. Der Abfall soll an Stellen im Hafen entfernt werden, an denen er sich auf natürliche Weise anhäuft. Eine Idee ist zum Beispiel der „Waste Shark“ des Südafrikaners Richard Hardiman. Der CEO von RanMarine will mit dieser Wasserdrohne bis zu 500 Kilogramm Plastik einsammeln.

Der Müll aus dem Auffangbecken wird sortiert, die Kunststoffe recycelt und mit Unterstützung der „Audi-Stiftung für Umwelt“ zu schwimmenden Plastikinseln umgearbeitet. Mittels verschiedener Techniken wie Pressen, Schweißen und 3D-Druck wurden für den „Floating Park“ jeweils fünf Quadratmeter hexagonale Plastikinseln hergestellt, miteinander verbunden und bepflanzt. So entsteht auf dem Wasser ein 140 Quadratmeter großer Naherholungsplatz für Hafenbesucher und Anwohner.

Die meisten Plastik-Blöcke haben eine offene Struktur, durch die die Wurzeln der Pflanzen hindurchwachsen. Dadurch entsteht ein Wurzeldickicht unterhalb der Wasseroberfläche. In diesen Zwischenräumen können Algen und andere Wasserpflanzen ideal gedeihen. Zudem dienen sie als Nahrungsquelle für die Flussbewohner: Langfristig sollen Fische zudem die Unterseite der Plattform nutzen, um dort ihre Eier zu legen. Die Inseln sind außerdem beweglich und dadurch besonders vielseitig einsetzbar und können sogar als Bühne für Open-Air Konzerte direkt am Hafen dienen.

Für die Audi-Stiftung ist der „Recyled-Park“ der erste Test. „Wir lernen noch, wie die Müllfalle sich verhält und wollen herausfinden, wie sie verbessert werden kann“, so Sprecherin Sabrina Kolb. Außerdem sollen Erfahrungen und Ideen gesammelt werden, wie das Plastik weiterverarbeitet werden kann. Die Rotterdamer Plastikinseln sollen ein Pilotprojekt sein, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Angedockt an ein Café, soll sie Menschen auf die Plastikproblematik aufmerksam machen. „Unser Ziel ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen“, so Kolb. In Zukunft soll etwas Nützliches aus dem Plastik entstehen – so wie Adidas vor einigen Jahren Schuhe daraus hergestellt hat.

Nur neun Prozent des Plastiks werden recycelt

In Rotterdam wurde etwa eine Parkbank hergestellt – und zwar ausschließlich aus Schraubverschlüssen von Getränkeflaschen, die aus dem Hafenbecken gefischt wurden. Der Versuch mit der Müllfalle zeigt: Das Prinzip ist simpel und einfach anzuwenden. In einer Machbarkeitsstudie will die Stiftung Möglichkeiten für die Verwendung von Plastik aus den Häfen aufzeigen. Vorhanden ist reichlich. Denn der Verbrauch von Kunststoff steigt rapide.

2014 erreichte die Produktion einen Spitzenwert von rund 311 Millionen Tonnen. Einer Studie der Ellen MacArthur Foundation zufolge wird sich dieser Wert bis 2050 noch weiter vervierfachen. Bisher werden nach Untersuchungen von Roland Geyer of the University of California, Santa Barbara, nur lediglich neun Prozent des weltweiten Kunststoffs recycelt. Die restlichen 91 Prozent landen in der Natur. Noch in diesem Jahr will die Audi-Stiftung Auffangbecken im Charleroi-Kanal in Brüssel sowie auf der indonesischen Insel Ambon installieren. „Wir wollen neue Techniken wie diese nutzen, um unsere Umwelt lebenswerter zu gestalten“, verspricht Rüdiger Recknagel, Geschäftsführer der Audi-Umweltstiftung.

Vorreiter beim Plastikverbot ist Afrika. In Ruanda sind Plastiktüten bereits seit 2008 komplett verboten. Das ostafrikanische Land hat seit 2005 ein Umweltgesetz und sogar eine eigene Plastikpolizei. Die Hauptstadt Kigali zählt seitdem zur saubersten Stadt in ganz Afrika. Marokko, Mauretanien oder Tansania haben nachgezogen, nachdem sie in Plastik fast erstickt sind, und haben wenigstens ebenfalls Plastiktüten verboten.

Die EU hinkt da weit hinterher. Bisher werden lediglich Pläne in der EU-Kommission diskutiert, die bestimmte Einweg-Kunststoffprodukte wie Einweg-Plastikgeschirr, Einweg-Plastikbesteck, Strohhalme, Wattestäbchen aus Plastik oder Plastikhalterungen von Luftballons verbieten sollen.

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