Wenn der medizinische Notfall eintritt, zählt jede Minute. Ob Herzstillstand oder Schlaganfall: Je schneller Hilfe eintrifft, desto höher sind die Chancen, wieder gesund zu werden. Der gerufene Notarztwagen ist dann zwar bei freier Fahrt rasant unterwegs, allerdings kommt er nicht überall durch. Enge Straßen oder große Menschenmengen etwa kosten wichtige Zeit. Eine Lösung: der Krankenwagen auf zwei Rädern. Auf den setzen beispielsweise die Johanniter in Niedersachsen. Sanitäter sind dort auch manchmal auf dem Fahrrad unterwegs – aber nicht nur. „Wir kommen schon mal auf Inlinern“, sagt Timo Brüning, Einsatzleiter in Wunstorf.

„Die behandlungsfreie Zeit reduzieren“, lautet das Ziel in der Sprache der Retter. Zum Beispiel auf einem Stadtfest: Fällt jemand in Wunstorf und Umgebung in dichtem Gedränge um, wird er oder sie immer öfter von einem Retter auf dem Zweirad versorgt. Zu zweit bahnen die Ersthelfer auf dem Rad sich den Weg deutlich schneller durch das Gewusel als eine motorisierte Ambulanz. Bis die eingetroffen ist, hat der Radler womöglich das stehengebliebene Herz wieder zum Schlagen gebracht. „Im Rettungsrucksack ist alles enthalten, was wir benötigen“, sagt Brüning. Vom Defibrillator bis zum Verbandszeug. Zusätzlich sind wasserfeste Satteltaschen montiert, in denen weitere Ausrüstungsgegenstände Platz finden. Dazu gehört auch ein AED-Gerät zur EKG-Überwachung und zur Herz-Lungen-Wiederbelebung. Mit ihrer umfangreichen Ausrüstung begleiten die Radl-Retter unter anderem größere Wanderungen oder Inline-Touren.

Jährlich 16.000 Einsätze in London

Auch in London schätzt man den schnellen Rettungsservice per Rad. Dort gibt es sogar hauptamtliche Sanitäter auf dem Drahtesel. In besonders belebten Gegenden wie dem Flughafen Heathrow, dem Londoner Innenstadtgebiet oder dem West End sind Zweirad-Helfer mit einer speziellen Ausrüstung unterwegs. Zu der gehört ein extra angefertigtes Rad ebenso wie für jedes Wetter geeignete Kleidung.

Das Fahrzeug wird vom Hersteller Specialized geliefert, ein Mountain-Bike mit Blaulicht und Sirene. Die besonders leichten Zweiräder besitzen außerdem ein extra solides Hinterrad und pannenresistente Reifen. Auch in England verfügen die Drahtesel-Ersthelfer also über vergleichbar umfangreiche Ausrüstung wie motorisierte Ambulanzen sie im Wagen haben.

Nach offiziellen Angaben sind Londons Radl-Retter bei einem Notruf innerhalb von sechs Minuten vor Ort. Mehr als die Hälfte aller Einsätze erledigten sie selbständig, ohne weitere Unterstützung von Ambulanzen. Die „Cycle Responders“ müssen dabei natürlich immer top in Form sein, schließlich legen sie am Tag schon mal bis zu 100 Kilometer auf dem Rad zurück. Allein in London sind die Zweirad-Sanitäter demnach pro Jahr etwa 16.000 Mal im Einsatz.

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