Eine kleine Bootstour bietet für viele Urlauber eine beliebte Entspannung vom Stress des Alltags. Man lehnt sich an Deck zurück, lässt die Landschaft an sich vorbeizeihen und winkt gelegentlich den Passagieren der vorbeifahrenden Schiffe zu. In den Niederlanden könnte es bald passieren, dass statt einer Erwiderung des Grußes nur ein lautes Muhen zurückkommt. Denn der niederländische Projektentwickler Beladon will bald eine Plattform mit seiner weltweit ersten schwimmende Farm auf die Gewässer loslassen. 40 Kühe sollen dann in der Hightech-Anlage in Rotterdam treiben. Ist das ein Fortschritt für die Tiere? Und ergibt diese Art von Nahversorgung Sinn?

2012 begann Beladon mit der Planung, Mitte 2018 wurde die etwa 27 mal 27 Meter große Farm schließlich mit dem Lastkahn nach Rotterdam verschifft. Die Idee für den schwimmenden Kuhstall in der Stadt kam den Initiatoren Peter und Minke van Wingerden, als sie gerade in New York weilten. Ihr Timing war schlecht, denn zur gleichen Zeit zog Hurricane Sandy durch die Stadt. Tagelang war es schwierig, die Versorgung aufrechtzuerhalten – schließlich mussten die meisten Lebensmittel erst von außerhalb antransportiert werden. Da wäre es hilfreich gewesen, die Verpflegung käme direkt aus der Stadt. Allerdings: Einen Hurricane hätte wohl auch die schwimmende Farm nur schlecht überstanden.

„Bessere Konditionen als normale Ställe“

„Wir werden im April oder Mai eröffnen“, sagt Mine van Wingerden zu den Plänen für Rotterdam. „Da es sich um ein Projekt ohne Subventionen handelt, ist unser Budget begrenzt.“ Rund 2,7 Millionen Euro stehen ihnen momentan zur Verfügung. Die Wahl für den Testort fiel nicht zufällig auf Rotterdam „Hier war man bereit, die Genehmigungen für dieses innovative Konzept zu erteilen.“

Kuhstall mit Aussicht
Kühe an der frischen Luft, Erdbeerzucht unter Deck: So soll die schwimmende Farm aussehen.
© Copyright Floating-Farm

Die schwimmende Farm sei so konzipiert, dass der Tierschutz oberstes Ziel ist, heißt es von den Initiatoren. Der „Kuhgarten“ sei eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den normalen Ställen auf dem Festland – vor allem, wenn es um die Fläche, den Komfort und die Sauberkeit des Bodens und die Versorgung geht. 13 Menschen arbeiten daran, das Projekt zu erwecken. Damit es irgendwann Gewinn abwirft, müssen die Kühe monatlich etwa 24.000 Liter Milch geben.

Lebensmittelproduktion neu konzipieren

Die können auf dem Schiff den Ausblick genießen: Sie sind mit den Melkrobotern im ersten Stock der Farm untergebracht. Die Kühe bekommen als Nahrung Abfallprodukte aus der lokalen Lebensmittelindustrie, beispielsweise Getreide von lokalen Brauereien oder Grasschnitt. Auch geplant: den Mist der Kühe aufzubereiten und als natürlichen Dünger weiterzuverkaufen. Im Erdgeschoss unter den Kühen stehen die Maschinen für die Verarbeitung und Verpackung der Milch. Und noch ein Stockwerk tiefer unter Deck sollen Erdbeeren für Joghurt unter Kunstlicht gezüchtet werden.

Die schwimmende Kuhfarm soll nur der erste Schritt sein. „Es wird noch mehr kommen“, sagt van Wingerden. „Wir planen eine Hühnerfarm und eine vertikale Farm, die zusammen den ‚Floating Foodstrip‘ schaffen.“ Sie sieht in schwimmenden Bauernhöfen ein großes Potenzial vor allem für wassernahe Städte. Mit der steigenden Nachfrage nach gesunden Lebensmitteln, der schnell wachsenden Urbanisierung und dem Klimawandel könne man sich nicht mehr auf die Lebensmittelproduktionssysteme der Vergangenheit verlassen. Und weiter heißt es von den schwimmenden Farmern: „Die Niederlande sind ein dicht besiedeltes und kleines Land. Die Entfernung zwischen den Bürgern der Stadt und dem Land ist beträchtlich – und damit auch das Wissen über die Lebensmittelproduktion. Um den Verbraucher in die einzubeziehen, ist Platz erforderlich. Auf dem Wasser gibt es Platz.“ Mal sehen, ob die Kühe mitspielen.

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