Fahrrad fahre ich seit dem vierten Lebensjahr, mit einem Mountainbike brettere ich regelmäßig durch das Siebengebirge, seit mich 1993 beim Besuch einer Fachmesse ein Ausstellungsstück von Schauf mit gefedertem Hinterbau und Shimano XT-Gruppe in seinen Bann zog. Ja, bis vor Kurzem hätte ich behauptet: Meine Drahtesel habe ich im Griff – von dem einen oder anderen leichten Sturz im Gelände mal abgesehen.

Mein Grundvertrauen geriet erst ins Wanken, als ich im Frühjahr zum ersten Mal mit einem geliehenen E-MTB von Focus auf die Piste ging. Wow! Wie ging die Kiste ab. Bergauf doppelt so schnell wie zuvor, bergab schneller als die Polizei erlaubt. Alles aus dem Weg – ich komme. Dank des Elektroantriebs steht E-Bikern zwar bis zu 300 Prozent mehr Kraft zur Verfügung. Zu dem Boost-Faktor kommt allerdings auch ein Mehrgewicht durch Antrieb und Akku, dazu ein niedrigerer Schwerpunkt. Fahrten über Stock und Stein bekommen dadurch eine neue Dynamik, ja, werden aber auch zu einer neuen Herausforderung für Mensch und seine mehrere Tausend Euro teure Maschine.

Nicht gleich auf die rote Piste

Wer Fahrradfahren kann, der kann auch E-Biken? „Wer sich ein Snowboard kauft, fährt damit ja auch nicht gleich die rote Piste runter“, warnt Cyril Maximilian Schmidt, passionierter Mountainbiker aus Windeck. Früher nahm Max in der Disziplin Cross Country regelmäßig an Deutschen Meisterschaften teil, seit einigen Jahren ist der 28-jährige Fahrtechnik-Trainer und Inhaber der Trailacademy, die zwischen Köln und Koblenz alten Hasen und jungen Hüpfern in Grund- und Intensivkursen mehr Spaß und Sicherheit im Gelände vermitteln will.

Alles eine Frage der Haltung
Die Füße fest auf den Pedalen und den Blick nach vorn – und schon ist das Hindernis überwunden. Fotos: Felix Gemein

Und so treffen wir uns denn einige Wochen später 60 Kilometer südöstlich von Köln im Siegtal vor dem Bahnhof von Schladern: Max und ich, dazu Manfred, Jörg, Felix und Patrick. Ein Lehrer und fünf Schüler im Alter zwischen 25 und 63 Jahren, allesamt E-MTB-Neulinge. Ich habe mein E-Bike Focus Bold2 mitgebracht, Max und Manfred rollen auf E-MTBs von Haibike heran – Jörg steuert noch funkelnagelneue Delite Mountain von Riese & Müller bei. Geschätzter Wert unseres Fuhrparks: summasummarum rund 25 000 Euro. Ja, E-Bikes sind kein billiges Vergnügen und wollen pfleglich behandelt werden.

Mountainbike mit E-Antrieb 40 Prozent aller neu verkauften Fahrräder haben einen elektrischen Hilfsantrieb. Claus Fleischer von Bosch E-Bike-Systems erklärt, wohin die Reise führt. E-Bikes

So geht es statt in die Windecker Berge zunächst auf einen Parkplatz am Rande der Sieg. Auf dem Stundenplan stehen erst einmal Basics: das Anpassen der Räder, Sättel und Federungen an ihre Benutzer sowie das Training einiger Grundfertigkeiten – nachhaltiges Bremsen, ohne den Boden aufzureißen, der lastfreie Lenker, dazu die perfekte Aktiv-Position. „Mit Sicherheit kommt Lockerheit, mit Lockerheit kommt Sicherheit“, ruft uns Max zu, während wir auf der Schotterfläche („Die Pedale sind unser Fußboden“) langsam an ihm vorbeirollen.

Besser Eco statt Dauer-Boost

Erst ein, zwei Stunden später, als Max uns mit seinen Instruktionen endlich von Passagieren zu Piloten der Hightech-Bikes befördert hat, geht es raus aus dem Dorf, rein in den Wald und in vielen Windungen und immerhin 100 Höhenmeter rauf zur Burgruine Windeck. Vor 800 Jahren war das auf 210 Metern gelegene Gemäuer eine imposante Grenzfeste der Grafen von Berg über den Ufern der Sieg. Heute ist es mehr oder minder ein Trümmerhaufen. Etwas unterhalb schlängelt sich auch ein Bach durchs Gelände, im Wald liegen seit dem Orkantief Friederike noch ein paar Bäume kreuz und quer – ein schöneres Trainingsgelände kann sich der E-Mountainbiker eigentlich nicht wünschen.

Ins Schnaufen kommen wir dank der Elektromotoren am Tretlager zwar nicht. Aber wir merken auch schnell: Der künstliche Rückenwind kombiniert mit eigener Muskelkraft hat am Berg zwar Vorteile. Aus Spitzkehren kann der Anfänger mit der geballten Power aber auch leichter herausfliegen oder an einer Stufe bergab trotz Aktiv-Position ruckzuck über den Lenker absteigen – für einen kontrollierten Notabstieg nach hinten ist es dann zu spät. Also: Die kräftige Boost-Unterstützung ist schön, wenn die Akkus bis zu 1000 Amperestunden Strom speichern und der Motor zusätzlich bis zu 70 Newtonmeter Drehmoment auf die Tretkurbel stemmt.

Helm auf und ein Stoßgebet

Aber Trail oder Eco sind oft die bessere Wahl – „sonst geht euch bergauf das Vorderrad hoch“, warnt Max. Ja, ja, die Energie der E-Bikes will sensibel dosiert und effektiv eingesetzt werden, das habe ich schon begriffen. An meinem Focus-Bike mit dem Steps-Antrieb von Shimano zeigt ein kleines Display auf Knopfdruck die Trittfrequenz an. Das hilft enorm: „Bei etwa 80 Umdrehungen pro Minute arbeitet der Motor besonders effizient“, doziert Max und saust uns damit voraus.

Auf dem schmalen Trail runter ins Tal, durch das Bachbett und anschließend über sandigen Boden und im rechten Winkel den nächsten Hügel rauf, über hervorstehende Baumwurzeln hinweg, an Felsnasen vorbei, nur wenige Zentimeter vom Abhang entfernt. Kurz einatmen und in die Pedale gestellt, per Knopfdruck die Vario-Sattelstütze um zehn Zentimeter abgesenkt („sonst wird es für uns Männer hässlich“), den Motor auf mittlere Unterstützungsstufe zurückgestellt – und ab geht die Post, die Schultern und den Blick nach vorn, mit ausgestreckten Ellenbogen und federnden – nein, nicht weichen – Knien. „Ja, genau“, ermuntert mich der Trainer, während ich mit dem E-Bike durch die Senke sause und das Wasser spritzen lasse. Dann Jörg, dann Manfred, zum Schluss Patrick und Felix. Komisch: Allen steht ein breites Grinsen ins Gesicht geschrieben.

Durch diese hohle Gasse wird er kommen
Die Wälder und Hügel rund um die Ruine von Burg Windeck sind ein perfektes Trainingsterrain.

Oben auf der Burg erwartet uns eine herrliche Aussicht auf das Siegerland, eine christliche Wander- und Gesangstruppe, eine junge Polizistin, die das Gelände mit einem Mountainbike erkundet – und Max mit den nächsten Aufgaben: Treppen- und Steilhangfahren. Manfred steigt ab und schützt eine Panne vor, wir anderen fügen uns in unser Schicksal.

Abkühlung im Bachbett

Max macht die Übung ein-, zweimal vor, dann sind wir dran. Patrick und Manfred lasse ich noch vor, dann gibt es kein Hinausschieben mehr. Helm auf und ein Stoßgebet. Die Füße fest auf den Pedalen, die behandschuhten Hände locker um die Griffe („Mit Lockerheit kommt Sicherheit“) und den Blick nach vorn – über die Treppe hinweg auf die Burgmauer und den Abgrund dahinter. Trittunterstützung? Ne, danke. Ein leichtes Antippen des rechten Pedals reicht diesmal völlig. Und schon bin ich über die Stufen hinweg und den Hang hinab. Na also, geht doch. Noch zwei-, dreimal wiederholen wir die Übung, zum Schluss auch Manfred, nachdem er sein Bike wieder fahrtüchtig gemacht hat.

Übung macht den Meister. Oder zumindest aus Lehrlingen Gesellen. Das gilt für jede Sportart und erst recht dann, wenn diese dank moderner Technik in eine neue Dimension eintritt. Als wir am späten Nachmittag an einem Bach stoppen, um uns ein wenig abzukühlen, sind wir uns mit Max einig: E-MTBs vergrößern den Aktionsradius und den Fahrspaß, erfordern aber Weiterbildungsmaßnahmen, um das ganze Potenzial der Technik und auch des Fahrers abrufen zu können. Sind wir jetzt fit für eine Transalp? Beileibe nicht. Max, lass‘ uns über einen Fortgeschrittenen-Kurs reden. Da geht doch sicher noch was.

Im kühlen Waldesgrunde
Max von der Trailacademy (2. v.r.) hat uns ganz schön durchs Gelände gescheucht. Die Rast haben wir uns verdient.
Im kühlen Waldesgrunde
Max von der Trailacademy (2. v.r.) hat uns ganz schön durchs Gelände gescheucht. Die Rast haben wir uns verdient.

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