Vier Monate lang konnten Fahrer von Elektroautos an den Schnellladestationen von Ionity kostenlos Strom zapfen und damit deutlich länger als vom Betreiber der Anlagen geplant. Doch seit dem 3. September sind die paradiesischen Zustände vorbei: Ab sofort wird dort bis zum Jahresende eine Pauschale von acht Euro pro Ladevorgang verlangt – egal, wie viel Strom in den Akku fließt. „Wir sind ja keine karitative Organisation. Irgendwann wollen wir mit unseren Ladestationen auch einmal Geld verdienen“, begründete ein Ionity-Sprecher den Abschied vom Kostenlos-Modell.

Dem Schritt waren schwierige Verhandlungen zwischen den Eigentümern des Joint Venture vorausgegangen: Audi, BMW, Daimler, Ford und Porsche konnten sich lange nicht auf ein Tarifmodell einigen, erfuhr EDISON von einem Vertreter des Konsortiums. Denn die Interessenlagen waren und sind unterschiedlich: Einige der Autohersteller haben bereits Elektroautos im Lieferprogramm, andere wie Audi, Porsche und Ford gehen erst im kommenden Jahr mit neuen Fahrzeugen auf den Markt. Und aktuell kann kein einziges Fahrzeugmodell die hohe Ladeleistung von bis zu 350 Kilowatt nutzen.

Streitpunkt war vor dem Hintergrund die Frage, wie die Stromlieferungen abzurechnen ist: nach Ladedauer, Strommenge – oder pro Ladung. Für eine exakte Abrechnung der Strommenge sind Stromzähler erforderlich, die dem deutschen Eichrecht entsprechen. Für Gleichstrom, der an den Schnellladesäulen von Ionity gezogen wird, sind aber vorerst noch keine Stromzähler lieferbar, die den Anforderungen des deutschen Eichrechts entsprechen.

Eine Abrechnung nach Ladedauer hätte wiederum die Besitzer von Elektroautos mit geringer Ladeleistung benachteiligt. So blieb denn letztlich nur die Lösung „Session Fee“ – die Erhebung einer Pauschale für den Ladevorgang, unabhängig von der Strommenge.

Große Akkus bevorzugt

Sie bevorteilt allerdings die Besitzer von Elektroautos mit einer großen Batterie wie dem neuen Jaguar iPace, der im Fahrzeugboden einen Lithium-Ionen-Akku mit einer Speicherkapazität von 90 Kilowattstunden verbaut hat. Dieser kommt künftig günstiger weg als etwa der Besitzer eines BMW i3, der für acht Euro aktuell nur maximal 33 Kilowattstunden zapfen kann.

Da tröstet nur wenig, dass Tesla-Fahrer an den Ionity-Säulen ebenso in die Röhre gucken wie Besitzer eines Renault Zoe, eines Nissan Leaf oder eines Smart EQ Fortwo: alle Fahrzeuge, die über keine Combo-Steckdose nach CCS-Standard verfügen, finden an den Ionity-Säulen keinen Anschluss.

Aus Kosten- wie wohl auch aus Wettbewerbsgründen hatte sich das europäische Konsortium entschieden, asiatische oder nordamerikanische Ladelösungen auszusperren. Das Model 3 von Tesla, das ab kommendem Jahr auch in Europa ausgeliefert wird, wird deshalb vom US-Autobauer möglicherweise mit einem CCS-Stecker nachgerüstet.

Und wie aus Paris zu hören ist, wird die nächste Modellgeneration des Renault Zoe wahrscheinlich ebenfalls einen CCS-Anschluss bekommen. Nissan hingegen hat noch nicht entschieden, ob mit der nächsten Modellpflege im Frühjahr das Erfolgsmodell Leaf für Kunden in Europa alternativ mit einer CCS-Schnittstelle lieferbar sein wird.

„Europäischer Standard“

Ionity-Chef Hajesch sieht jedenfalls keinen Grund, von seiner Stecker-Strategie abzuweichen: „Wir haben uns dem europäischen Standard verschrieben, den wir vorantreiben wollen, weil es volkswirtschaftlich Sinn macht“, äußerte er im Interview mit EDISON. „Und inzwischen nutzen ihn auch alle europäischen Autohersteller wie Jaguar oder Volvo und asiatische Hersteller wie Hyundai / Kia. Deshalb setzen wir auf CCS – es sei denn, wir werden durch den Gesetzgeber in anderen Ländern verpflichtet, auch andere Steckersysteme wie Chademo anzubieten.“

Ionity betreibt in Europa aktuell acht Schnellladestationen, drei in der Schweiz, je zwei in Deutschland und Frankreich sowie eine in Österreich. Zu den beiden deutschen Strom-Tankstellen an der A 61 unweit des Nürburgrings soll noch in diesem Jahr ein Ladepark an der A2 nahe Magdeburg bei Hohenwarsleben hinzukommen – was sicherlich den VW-Managern entgegenkommt, die mit einem Elektroauto nach Berlin reisen wollen.

Aber auch andere Anbieter bauen aktuell ihr Schnellladenetz entlang der Autobahnen aus: Ladesäulen von Ionity, EnBW oder allego (mit Ladeleistungen zwischen 50 und 150 Kilowatt) sprießen inzwischen wie Spargel aus dem Boden, auch der niederländische Anbieter Fastned hat an der A3 bei Limburg inzwischen einen ersten Ladepark mit vier Ladepunkten und Ladeleistungen von bis zu 175 Kilowatt eröffnet. Allein Innogy betreibt bundesweit inzwischen 440 Schnelladeplätze, ein großer Ladepark in Duisburg soll noch in diesem Jahr neu eröffnet werden.

Und die Strompreise? Liegen alle etwa auf dem gleichen Niveau. Abgerechnet wird derzeit ausnahmslos über Strom-Pauschalen. Bei Innogy werden für Kunden ohne Vertragsbindung pro Ladevorgang 7,95 Euro fällig, bei Allego und Fastned 7,50 Euro. Bei den Niederländern gibt es zudem eine zeitliche Begrenzung: Nach 30 Minuten Ladezeit bricht die Stromzufuhr ab. Die Batterien sollten in der Zeit aber wenigstens wieder zu 85 Prozent gefüllt sein.

Günstiger sind die Schnellade-Vorgänge beim Stromversorger EnBW, der pro Ladevorgang fünf Euro aufruft. Oder man eröffnet ein Nutzerkonto bei dem Stromversorger Maingau aus Obertshausen im Landkreis Offenbach, der mit Infrastrukturanbietern wie Ionity Roamingverträge abgeschlossen hat. Abgerechnet wird der Strom dann nach Ladedauer. Pro Minute fallen fünf Cent an. Die halbe Stunde an einer Säule von Fastned- oder Ionity kostet dann nur drei statt 7,50 Euro. Man muss kein Steuerberater sein, um zu erkennen: Das ist ein geldwerter Vorteil.

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