Erdgasantriebe? Da war doch mal was, Freunde. Genau: günstig, große Reichweiten, umweltfreundlich, beinahe Bio. Haben wir und große Teile des deutschen Publikums im Zuge der aufregenden vollelektrischen Umrüstung der Branche fast aus den Augen verloren. Dabei hat das Zeug, das fast hauptsächlich aus Methan besteht, nach wie vor finanzielle wie umweltfreundliche Vorteile.
Hier die Kurzfassung: Beim automobilen Einsatz von CNG (Compressed Natural Gas) entstehen rund 25 Prozent weniger Kohlendioxid als in Benzinmotoren und fast 15 Prozent weniger als in Dieselmaschinen. Und wenn man bei dieser Rechnerei mal berücksichtigt, dass CNG bereits heute bundesweit im Schnitt einen 20-prozentigen Biomethan-Anteil hat, wird’s noch positiver: minus 40 Prozent Kohlendioxid bei den Ottomotoren, bis zu minus 30 Prozent beim Selbstzünder.
Und aus dem Auspuff kommen hier so gut wie keine Rußpartikel, kein böser Feinstaub, kein Schwefel und rund 95 Prozent weniger Stickoxide, über die beim Diesel, Stichwort Fahrverbote, seit Monaten so heftig diskutiert wird. Außerdem kann dem Erdgas tatsächlich problemlos ein beliebiger Anteil an nachhaltig erzeugtem Bio-Gas beigemischt werden, das eben im Idealfall aus biogenen Reststoffen kommt – zum Beispiel aus Getreideresten.
Kleines Beispiel? Aus nur zwei Tonnen Stroh produziert eine Biomethananlage von VERBIO (führender Hersteller und Anbieter von Biokraftstoffen in Deutschland) den kompletten Jahresbedarf an Kraftstoff für einen Mittelklasse-Pkw. Stroh, das sonst als Streu in Viehställen landen, verbrannt oder einfach untergepflügt würde. Bei VERBIO haben sie ausgerechnet, dass man bei vollständiger Nutzung aller in Deutschland anfallenden Bio-Reststoffe bis zu sieben Millionen Pkw mit dem gewonnenen Biomethan versorgen könnte.
Windstrom zu Erdgas
Erdgas kann aber auch durch die so genannte Power-to-Gas-Technologie bis zu 100 Prozent regenerativ erzeugt werden. Aus überschüssigem Ökostrom wird auf diese Weise synthetisches Erdgas erzeugt. Bestes Beispiel ist die mit Windenergie arbeitende Audi-Anlage in Werlte (Emsland), die das gewonnene E-Gas ins Erdgasnetz einspeist. Komplett CO2-neutral. Ist allerdings noch kein Riesending, denn das hier erzeugte Biomethan würde umgerechnet nur für gerade mal 20.000 Fahrzeuge reichen.
Dazu passt aber, dass die Bundesregierung die Steuererleichterung für Erdgas als Kraftstoff (CNG) jüngst bis zum Jahr 2026 verlängert hat. Gut für die Planungssicherheit privater Käufer von Erdgasfahrzeugen, aber natürlich auch für Flottenkunden und für Tankstellenbetreiber. Generell, so die aktuelle Linie des Verkehrsministeriums, soll es mehr Marktimpulse für den klimaschonenden Kraftstoff geben. Und für den Güter- und Transportverkehr sind CNG-Fahrzeuge ohnehin eine attraktive nachhaltige Option. Es drohen hier keine Fahrverbote, zudem sind CNG-Fahrzeuge von der Lkw-Maut befreit (erst mal bis Ende 2020, Insider rechnen mit einer Fortsetzung). Das schafft nette Anreize, in CNG-Trucks zu investieren.
Benzin als eiserne Reserve
Und jetzt kommt der VW-Konzern ins Spiel, der sein CNG-Engagement noch einmal deutlich forcieren will. Erstes Stichwort: Modelloffensive.
Schon jetzt hat man branchenweit das mit Abstand größte Portfolio an CNG-Fahrzeugen im Angebot. Mit den neuen CNG-Versionen des Skoda Scala und Kamiq werden es zum Ende diesen Jahres insgesamt 19 Modelle sein — vom Kleinwagen bis zu den feinen g-tron-Versionen bei Audi. Weil die Zahl der Tankstellen, an denen man Erdgas zapfen kann, immer noch überschaubar ist, führen die Fahrzeuge in einem zweiten Tank immer noch einige Liter Benzin als eiserne Reserve mit. Ein Golf TGI kommt so auf eine Gesamt-Reichweite von bis zu 660 Kilometern.
„Beim Gas-Antrieb sind wir in einer führenden Position“, sagt Stephen Neumann, der Konzernbeauftragte für CNG-Mobilität. Über die neuen Modelle der nächsten Jahre darf er leider nichts erzählen, aber wir rechnen zum Beispiel fest mit einer CNG-Version des kleinen VW-SUV T-Cross und des großen Transporters namens Crafter.
Auch seine Technologieführerschaft will VW ausbauen. Bereits heute übertreffen die neuen CNG-Motoren des Konzerns — zum Beispiel der 1,5-Liter-Turbobenziner mit variabler Aufladung und der extrem hohen Verdichtung von 12,5 — bei der Gesamt-Energieeffizienz das Level moderner Benzinmotoren. Und das Leistungsspektrum der CNG-Fahrzeuge umfasst schon eine Spanne von 68 bis 170 PS. Auch an größeren CNG-Motoren wird schon gearbeitet, beispielsweise für den genannten VW-Transporter Crafter – ein Prototyp mit umgebautem Biturbo-Diesel läuft bereits
Marktanteil 95 Prozent
Natürlich ist das alles noch ziemlich relativ. Zwar hält der VW-Konzern in Deutschland einen Marktanteil von 95 Prozent beim Absatz von CNG-Autos, doch im letzten Jahr wurden europaweit gerade mal 50.000 CNG-Fahrzeuge verkauft. Mal zum Vergleich: Weltweit wurden im VW-Konzern 2018 rund 10,8 Millionen Fahrzeuge abgesetzt.
Konkrete CNG-Produktionsziele für die nächsten Jahre werden nicht verraten. Höchstens indirekt. „Aktuell fahren rund 100.000 CNG-Fahrzeuge hierzulande, doch bis 2025 wollen wir rund eine Million CNG-Fahrzeuge in Deutschland sehen“, sagt Müller lächelnd. Und die Produktion von CNG-Modellen im VW-Konzern könne man ja dank der modularen Fahrzeug-Baukästen bei Bedarf zügig hochfahren. Immerhin hätten sich die CNG-Verkäufe 2018 schon mal fast verdoppelt.
Auch will der Autohersteller die CNG-Technologie mit einem vergrößerten Tankstellennetz aus der Nische holen. Mit Hilfe seiner im CNG-Industriekreis zusammengeschlossenen schwergewichtigen Partner — die Palette reicht von der E.ON Gas Mobil über die holländische Orange Gas bis zum russischen Gazprom-Ableger — sollen sich die Tank-Standorte in Deutschland von aktuell knapp 900 bis zum Jahr 2025 auf 2000 mehr als verdoppeln. Bis jetzt übrigens ist der VW-Konzern in diesem Konsortium der einzige Automobilhersteller. Potenzielle Interessenten? Möglicherweise Opel und Renault.
Natürlich braucht VW die CNG-Mobilität auch, um die immer strengeren CO2-Vorgaben der EU erfüllen zu können. „Aktuell“, so Motorenentwickler Pierre Scheller, „arbeiten wir intensiv daran, für die künftigen EU7-Grenzwerte ein vernünftiges Angebot zu machen, und da geht es quasi um eine Halbierung der EU6-Grenzwerte.“ Neumann ist jedenfalls voll optimistisch. Erdgas habe im Automobilbereich eine langfristige Perspektive und sei im VW-Konzern (wie böse Zungen vermuteten) definitiv nicht nur als Zwischenlösung zur Elektromobilität gedacht. „CNG ist für uns ein Wegbegleiter zur CO2-neutralen Mobilität bis 2050“, postuliert er. Und einen Satz will er zum Ende unbedingt noch loswerden. „CNG ist sofort verfügbarer, nachhaltiger und kostengünstiger Klimaschutz!“