Aus Sorge vor einem Verkehrsinfarkt lässt der Stadtstaat Singapur von Donnerstag an keine zusätzlichen Privatautos mehr zu. Auf diese Weise sollen die Einwohner der südostasiatischen Millionenmetropole dazu gebracht werden, auf andere Fortbewegungsmittel umzusteigen.
Es ist ein radkikaler Schritt: Künftig gibt es vom Staat nur noch dann die Erlaubnis für ein neues Auto, wenn zuvor ein anderer Wagen verschwindet. Der Preis für diese Zertifikate wird jeden Monat durch eine Versteigerung ermittelt.
Derzeit kommen in Singapur auf 5,6 Millionen Einwohner etwa 575.000 private Fahrzeuge. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das zwar noch verhältnismäßig wenig – aber der Stadtstaat hat auch deutlich weniger Platz.
Nach Angaben der Verkehrsbehörde LTA sind aktuell etwa zwölf Prozent der gesamten Fläche mit Straßen bebaut. Teils werden sogar Gräber geräumt, um weiteren Platz für den Autoverkehr zu bekommen. In einer Mitteilung der LTA heißt es: „Angesichts des beschränkten Bodens und der konkurrierenden Bedürfnisse gibt es nur begrenzten Spielraum für einen weiteren Ausbau des Straßennetzes.“
Teure Zertifikate werden kommende Woche versteigert
Zuletzt hatte die Regierung von Premierminister Lee Hsien Loong den Bestand an Autos jährlich um 0,25 bis 0,5 Prozent wachsen lassen. Vom 1. Februar an wird die Zahl nun eingefroren. Möglich ist dies, weil in Singapur beim Kauf eines neuen Wagens immer auch eine amtliche Berechtigung vorgelegt werden muss.
Die nötigen Zertifikate (Certificates of Entitlement/COE) sind nicht billig. Sie können so viel kosten wie das Auto selbst, zuletzt lag ihr Preis bei etwa 53.700 Singapur-Dollar (gut 33.000 Euro). Mit Steuern, Zulassungsgebühren und dem eigentlichen Kaufpreis summieren sich die Anschaffungskosten für ein Mittelklasse-Modell schnell auf umgerechnet mehr als 65.000 Euro. Die erste Versteigerung in dem neuen Ablauf geht am Mittwoch nächster Woche über die Bühne.
Zudem sind die Zertifikate nur für zehn Jahre gültig. Danach müssen sich Autobesitzer entscheiden, ob sie ihr Fahrzeug verschrotten oder die Berechtigung verlängern – maximal jedoch für weitere zehn Jahre. Das ist einer der Gründe, warum man auf Singapurs Straßen recht wenig ältere Modelle sieht. Die neue Richtlinie soll zunächst für drei Jahre gelten, bis 2021.
Viele Autohändler fürchten nun um ihren Umsatz. In der Bevölkerung ist die Stimmung geteilt. „Wir können nicht davon ausgehen, dass die Zahl der Autos immer weiter wächst“, sagt die Golf-Fahrerin Sheila Ang. „Das brächte nur noch mehr Probleme: Staus, noch weniger Parkplätze, noch höhere Parkgebühren.“ In Singapur gibt es ein gut ausgebautes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln, deren Benutzung verhältnismäßig preiswert ist. Zudem sind Taxis sowie Carsharing-Angebote verbreitet.