„Die Leute werden sich umgucken“, hat mir kürzlich ein leitender Ingenieur von BMW zugeflüstert. „Die wissen überhaupt nicht, was da auf sie zurollt.“ Alle reden derzeit vom autonomen Fahren wie von einem himmlischen, ja paradiesischen Zustand: Keine Unfälle mehr, keine verstopften Straßen, kein Stress mehr. Einsteigen, losfahren lassen, entspannen. Oder mitreisende Kinder erziehen. Oder einfach mal in Ruhe „Heartstone“ oder „Clash of Clans“ daddeln.

Oder sogar nette Leute von fast nebenan näher kennenzulernen, falls es sich um ein autonomes Sammeltaxi wie einen VW Cedric zum Beispiel handeln sollte. Und zwischendurch werden wir womöglich auch noch liebevoll abgefüttert (Bordfrühstück mit Rührei!), am Ende auf jeden Fall herzlich verabschiedet. „Tschüs, Wolfgang. Bis morgen, alter Kumpel.“

Im Robo-Taxi quer durch Berlin

Doch die Realität könnte in 10, 12 Jahren auch ganz anders aussehen, weniger lustig. Morgens zum Beispiel, während der Flucht von der Wohnung ins Büro. Frische Brötchen und ein spannendes Video im autonomen Sammeltaxi, aber warum gucke ich jetzt ständig auf die Uhr? Weil es schon wieder mal viel zu spät ist und mein Chef nicht gerne wartet. Warum hält diese viereckige Kiste denn schon bei Grün-Gelb an jeder Ampel? Nein, ich meckere ja gar nicht, das ist eben so programmiert. Ich weiß. Und warum bitteschön, fährt das Ding hier oberpingelig Tempo 30? Ich weiß, das haben die Stadtväter hier so vorgesehen.

Aber das strikte Einhalten sämtlicher Tempolimits und das übervorsichtige Fahrverhalten führt dazu, dass sich die Tour in die Länge zieht. Diese herrliche Tempokurve draußen vor der Stadt ging früher immer locker mit Achtzig. Was jedoch fährt diese elektronische Schnarchnase? Fünfzig! Dabei ist weit und breit kein Schwein zu sehen, völlig freie Piste. Will das Robbie-Taxi mich vielleicht ärgern? Man weiß ja nie, was in seiner Computerbirne so vor sich geht.

Okay, wir sind jetzt zwanzig Minuten hinter meinem alten Bestwert aus der Zeit, als in noch selber fuhr. Und jetzt fragt dieser IT-Kasper auch noch, ob ich was dagegen hätte, in der Friedrichstraße einen anderen Fahrgast aufzupicken. „JA! ICH HABE WAS DAGEGEN!“ Mein Protestruf interessiert Robbie aber nicht die Bohne, seine Frage war vermutlich nur rhetorisch gemeint. Wieder zehn Minuten weg. Und warum erklärt er mir jetzt die Sehenswürdigkeiten der Umgebung und erzählt was von Friedrich, dem ganz Großen? Ach so, weil zwei chinesische Touristen zugestiegen sind. Ob wir denn mal netterweise kurz für ein Foto am Brandenburger Tor…? „NEIN!!!“

„Du sollst endlich Gas geben, du Terabyte-Trantüte!“

Noch eine schreckliche Vision gefällig? Stellen wir uns vor, ich will nächste Woche mit meiner Familie in den Winterurlaub fahren. Rund 800 Kilometer bis in die Alpen, das ging doch früher mit dem analog gesteuerten Auto locker in fünf Stunden, erinnere ich mich. Immer schön die linke Spur brettern, den Verkehr im Auge, den rechten Fuß voll durchgetreten.

„Nein, auf der Autobahn darf ihr persönlicher Autonomer nur Tempo 130 fahren“, erklärt mir ein Mädel aus dem Callcenter, als ich per Telefon verärgert anfrage, warum der gebuchte Leihwagen für die Fernreise partout nicht schneller fahre. Das wäre doch eine gemütliche Reise, ermahnt sie mich, kicher, kicher. „Da können Sie mal so richtig entspannen.“ Und viel Schnee sei ja auch angesagt. Ach ja, da fahre dieses Auto natürlich höchstens Tempo 70. Na Mahlzeit, die Berge können wir also für heute vergessen.

Warum haben die uns damals nicht gesagt, das wir autonom nur noch über die Straßen schleichen werden? Dann hätten wir das völlig anders geregelt, oder? Moment, vielleicht aber ist die ganze Aufregung umsonst, weil ich als künftiger Autonomer eigene, überall immer schön elektronisch leergesteuerte Spuren habe. Und vielleicht gibt es ja auch in Zukunft noch echte Autos, mit Lenkrad und Gaspedal. Ich werde die Hoffnung jedenfalls nicht aufgeben.

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