Ein Thema sorgt bei der Energiewende in Deutschland immer wieder für Ärger: der Ausbau der 800 Kilometer langen Stromtrasse von den Windkraftanlagen in der Nordsee zu den Industrielagen in Bayern und Baden-Württemberg. Anwohner des dieses Nord-Süd-Links befürchten Strahlenerkrankungen, Stromkunden in ganz Deutschland ärgern sich über die Kosten. Die Fraunhofer-Gesellschaft will das mit Open District Hubs ändern. In lokalen Versorgungszellen könnten Erzeuger und Verbraucher ihren Ökostrom direkt tauschen und die langen Transporttrassen damit vermeiden oder zuminidest entlasten.

„Ein privater Hausbesitzer, der auf dem Dach eine Photovoltaikanlage hat, braucht den damit erzeugten Strom in der Regel ja nur vor und nach der Arbeit, also morgens und abends“, sagt Karsten Schmidt, der das Projekt Open District Hub in der Münchner Fraunhofer-Zentrale managt. „Tagsüber, wenn die Anlage den meisten Strom liefert, könnte die Schreinerei nebenan die Energie aber gut gebrauchen.“

Der Open District Hub fungiert als digitaler Marktplatz und schaltet den Strom direkt vom Erzeuger zum Verbraucher. Er nutzt die Blockchain-Technik, um die Geschäfte abzuwickeln. Dann kann der Schreiner damit arbeiten. Oder der Nachbar lädt sein Elektroauto auf, wenn er damit am Abend fahren will. Das muss der digitale Marktplatz allerdings wissen. Dazu sammelt eine KI (Künstliche Intelligenz) Informationen über das Nutzungsverhalten der einzelnen Verbraucher und bezieht andere Faktoren wie beispielsweise die Wettervorhersage mit ein. Die

Auch der Hub folgt Angebot und Nachfrage

„Sollte der Nachbar dann doch einmal spontan zum Einkaufen fahren und seinen Wagen früher brauchen als sonst, muss er einen höheren Strompreis zahlen“, sagt Schmidt. „Das ist wie die Expresslieferung bei einem Versandhändler: Der Strom, den er für die Ladung seines E-Autos benötigt, muss ihm dann schneller zur Verfügung gestellt und woanders abgezwackt werden.“ Umgekehrt zahlt er für die Ladung seines Stromers weniger, wenn das Auto planbar lange am Netz hängt und die Batterie dem System dabei beispielsweise auch als Stromzwischenspeicher dient.

„Unterschiedliche Ladezeiten und daraus resultierend schwankende Preise sind ein Baustein, um das System flexibel und effizient betreiben zu können.“ Schmidt vergleicht das mit den Preisen an der Tankstelle: „Ein Geschäftsmann, der sofort von Frankfurt nach Nürnberg fahren will, muss höhere Spritkosten in Kauf nehmen. Wer warten kann, tankt erst abends, wenn das Benzin billiger ist.“

Wie Angebot und Nachfrage auf nahezu allen Märkten, werden Produktion und Verbrauch der Erneuerbaren Energie auf dem digitalen Marktplatz des Open District Hubs ausgeglichen: „Ein Tesla zieht mehr Strom als ein Einfamilienhaus“, sagt der Forscher. „Wenn der seinen Stromspeicher sofort volltanken will, muss er eben etwas mehr zahlen.“

Tests an acht Standorten

Ein energieintensives Stahlwerk oder eine Aluminiumhütte kann sich der Projektleiter in dem System nicht vorstellen. „Es ist eher gedacht für lokale Quartiere mit Wohnhäusern und kleinen Gewerbeeinheiten.“ An vorerst vier – drei in Bayern, einer in Hamburg -, später acht Standorten bundesweit soll die Technik ab 2019 erprobt werden. „Mit im Boot sind auch schon einige Partnerunternehmen wie der Energiekonzern EnBW, die Immobiliengesellschaft Vonovia oder der Elektrotechnikkonzern Schneider Electric“, sagt Schmidt.

An der technischen Machbarkeit hat er keinen Zweifel. Höhere Hürden sieht er bei gesetzlichen Vorgaben wie dem Datenschutz: „Der Nutzer eines E-Fahrzeugs muss beispielsweise Mobilitätsdaten für das System bereitstellen und wird dadurch in seinem Nutzungsverhalten getrackt.“ Solche Probleme seien für Digitalisierungsprojekte typisch. „Aber sie sind lösbar.“ Über einen Punkt macht sich Karsten Schmidt jedenfalls gar keine Sorgen: die Integration neuer Technologien, die noch gar nicht bekannt und entwickelt sind. „Schließlich nennt sich unser System ‚Open‘, also: Offen für Neues!“

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