Jonas Kremer plant nicht weniger als „die Veränderung der Mobilität“. Der Stadtverkehr erstickt schließlich langsam an sich selbst, stellt der 24-jährige Berliner fest. Aus dieser Diagnose hat Kremer die Anleitung zum Handeln entwickelt: Der Jungunternehmer betreibt mit Cit-Kar eine Firma, die neue Konzepte vor allem für die urbane Mobilität erstellt.

Den Start macht ein Lastenrad, das eine der wichtigsten Ursachen für den Verkehrskollaps angeht: Es soll den anschwellenden Lieferverkehr übernehmen, der Straßen verstopft, die Luft vergiftet und die Lebensqualität im urbanen Raum rasant verschlechtert.

Bislang werden Pakete, Essen oder andere Waren noch meistens mit Diesel-getriebenen Lkw ausgefahren. Manchmal auch per Fahrrad, doch diese Kuriere leben gefährlich und können nur wenig transportieren. Der voll vernetzte Loadster von Kremer und seinen Mitstreitern besitzt keinen dieser Nachteile.

Er ist ein ganz spezielles E-Bike. Mit vier Rädern, die einzeln aufgehängt und gefedert sind. Das gibt einen besonderen Fahrkomfort – und es schont Rücken und Gelenke der Nutzer. Sie steuern das Gefährt mit einem Lenkrad, und auch sonst erinnert vieles an ein Auto. Es gibt ein Dach und demnächst Türen, um den Chauffeur vor dem Wetter zu schützen. Auf der hinteren Ladefläche steht eine Box, die sich abnehmen lässt. 200 Kilogramm Last sind leicht zu transportieren, der Nutzraum entspricht einer halben Euro-Palette.

Als Fahrrad kann der Loadster damit zumindest optisch kaum mehr durchgehen. „Wir wollen ein Autofeeling vermitteln“, beschreibt der junge Firmenchef sein Ziel. Doch der Loadster muss bei allem Komfort weitgehend mit Muskelkraft bewegt werden. Der Elektromotor unterstützt lediglich, das Gefährt ist als Pedelec ausgelegt und darf auch Radwege benutzen. Das ist wichtig, um gegenüber dem Autoverkehr einen Vorteil im Kampf um Straßenraum und Parkplätze zu erhalten. Ein Führerschein ist für Loadster-Nutzer unnötig, ebenso eine spezielle Versicherung oder andere Formalitäten.

Business first

Anders als die meisten Konkurrenten verkaufen die Citkar-Betreiber ihr Lastenrad derzeit nicht an Privatkunden. „Dieser Markt ist noch viel zu zögerlich. Kommerzielle Interessenten hingegen schreien förmlich nach unserem Loadster“, sagt Kremer selbstbewusst. Obwohl es bislang nur einige Prototypen gibt trudeln bereits die ersten Bestellungen in der Berliner Firmenzentrale ein. Zum Jahresende soll die Serienfertigung beginnen.

Die Abnehmer sind nach Angaben der Gründer Essens-Lieferanten, Kurier- und Pflegedienste sowie Handwerker. Sie haben es satt, mit stinkenden Lieferfahrzeugen im städtischen Stau zu stehen. Die üblichen Liefer-Zweiräder wiederum haben viele Nachteile: Die Fahrerin ist Wind und Wetter ausgesetzt und kann zudem nur wenig transportieren.

Der Loadster trifft offenbar in eine Marktlücke. Gut 26.000 Lastenbikes sind vergangenes Jahr in Deutschland verkauft worden, doch der Bedarf dürfte gewaltig steigen. „Viele warten noch auf eine wirklich überzeugende Lösung“, sagt Kremer. Er rechnet mit sehr viel mehr Interessenten, wenn er mit dem Loadster erst die ersehnte perfekte Lösung anbieten. Dessen Produktion ist in Berlin angesiedelt, die Endmontage erledigen die Behindertenwerkstätten Neukölln. Diese seien „flexibel, auch im Produktionsvolumen“, sagt Kremer.

Soziale Verantwortung

Den für die Industrie nicht alltäglichen Zulieferer hat er sich bewusst ausgesucht. „Wir wollen hier Arbeitsplätze vor Ort schaffen“, sagt der junge Chef. Kremer weiß, dass behinderte Menschen sehr wohl die Zuverlässigkeit und Präzision liefern, die für die Herstellung eines technischen Produkts nötig ist.

Cit-Kar will von dem elektrifizierten Lastenrad mindestens 5000 Stück pro Jahr produzieren. Verkauft wird der Loadster im Direktvertrieb und über Kooperationspartner.

Die Nettopreise starten bei knapp 6000 Euro. „Damit sind wir günstiger als viele andere“, sagt Jonas Kremer. Allerdings will er sich gar nicht vergleichen, das Konzept sei schließlich einmalig. „Auf dem Markt gibt es noch kein Lastenrad mit diesem hohen Fahrkomfort und zugleich einer abnehmbaren Transportbox. Genau darauf warten viele Kunden sehnsüchtig.“

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