Vor sich den gekrümmten Erd-Horizont, über sich das nachtschwarze All: Nur sehr wenige Menschen haben bisher diesen Anblick selbst erleben können. Ein paar Piloten von militärischen Jet-Aufklärern, emporgeschossen von brüllenden Strahltriebwerken – das war’s auch schon. Befeuert zudem mit Brennstoffen, die in der Atmosphäre einigen Schaden anrichten.

Wie anders liest sich dagegen der Plan des Schweizers Raphael Domjan, mit einem Solarflugzeug in die Stratosphäre vorzustoßen: Zwei Stunden Aufstiegsflug, lautloses und langsames Gleiten in fast 80.000 Fuß Höhe und bei 60 Minusgraden, anschließend drei Stunden Rückkehr zur Erde sind vorgesehen, um das Potenzial Erneuerbarer Energien zu demonstrieren. „SolarStratos“ stützt sich dabei lediglich auf einen stromgetriebenen Propellermotor, der seine Energie aus 22 Quadratmetern Solarzellen und einem Akku abruft. „Wenn wir den fernen Weltraum erkunden wollen, müssen wir zuerst zum Schutz unserer Atmosphäre beitragen“, sagt der 46-Jährige Westschweizer. „Und wir kommen dabei weiter als mit fossiler Energie.“

Mit Weltraumanzug im Flugzeug-Cockpit

Ziemlich weit gekommen ist der gelernte Rettungssanitäter damit jedenfalls schon auf dem Wasser. Von 2010 bis 2012 umrundete Domjan mit dem solarbetriebenen Katamaran „PlanetSolar“ bereits die Erdkugel. Zu seinen Sponsoren zählte seinerzeit Immo Ströher, der öko- und umweltinteressierte „Wella“-Erbe aus Deutschland. Auch das aktuelle Projekt wird von Sponsoren getragen – gegenwärtig kalkuliert man mit etwa zehn Millionen Schweizer Franken (rund 8,5 Millionen Euro).

Sein zweisitziges Fluggerät hat 24 Meter Spannweite, wiegt knapp 450 Kilogramm und verfügt über keine Druckkabine – weswegen Raphael Domjan als Pilot einen Sokol-Weltraumanzug tragen muss. Dass dieser seine kleinen Probleme birgt, zeigte sich unlängst in der Kältekammer: Bei der Simulation der Verhältnisse in großer Höhe war in der Nähe von 15.000 Metern Schluss. Domjans rechter Fuß drohte zu vereisen. Im Falle eines schweren Misslingens dürfte dies allerdings ein nachrangiges Problem sein – denn es gibt auch keinen Fallschirm.

Messungen für die Wissenschaft

Geglückt sind jedenfalls bisher mehr als zehn Flüge in niedriger Höhe, die Testpilot Damien Hischier (in Normalkleidung) seit Mai 2017 unternommen hat. Die Auswertung von Messergebnissen und die Flugpraxis führten laufend zu Optimierungen. „Der nächste Schritt wird sein, Flüge mit zwei Personen zu absolvieren.“ In der zweiten Jahreshälfte 2019 soll sich der Experimental-Segler dann in die Stratosphäre erheben.

Start- und Landeplatz ist Payerne, wo einer der beiden Schweizer Militärflughäfen auch eine Piste für zivile Nutzung geöffnet hat. „SolarStratos“ verfolgt nach eigenem Bekunden allerdings ausschließlich wissenschaftliche und womöglich irgendwann auch touristische Zwecke. So sollen etwa in Kooperation mit dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt klimabedeutsame Messungen ausgeführt werden. In Zukunft könne man solche Flüge in großer Höhe auch ohne Pilot unternehmen – das sei wesentlich günstiger als ein Satellit, sagt Missionssprecher Bernard Schopfer.

Einen ähnlichen Plan hatte Facebook bis Ende Juni verfolgt: „Aquila“ sollte als unbemannte Drohne aus großer Höhe entlegene Landstriche mit Internet-Anbindung versorgen. Jetzt gab das Unternehmen bekannt, statt einer Eigenentwicklung lieber mit Partnern aus der Luftfahrt zusammenzuarbeiten. Einen ähnlichen Plan hatte Google-Mutter Alphabet bereits 2017 verworfen. „Diese Unternehmen warten darauf, dass es jemand ausprobiert“, bewertet Raphael Domjan die Entwicklung. „Wenn sie danach unsere Follower werden wollen: Kein Problem.“

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